Zyto-Prozess

Richter sieht keine Indizien für „Zweitmarkt“-Einkäufe

Karlsruhe - 10.04.2018, 09:05 Uhr

Beim Zyto-Prozess in Essen stehen lange und komplexe Zeugenaussagen bevor. (Foto: hfd)

Beim Zyto-Prozess in Essen stehen lange und komplexe Zeugenaussagen bevor. (Foto: hfd)


Das Strafverfahren gegen den Bottroper Zyto-Apotheker Peter S. könnte zu einem Mammutprozess werden: Verteidiger wie Nebenkläger beantragen, dutzende wenn nicht hunderte Zeugen zu vernehmen. Für den Vorsitzenden Richter bestätigte sich eine Verteidigungslinie nicht: Er sieht bislang keine Anhaltspunkte für Einkäufe auf dem Schwarzmarkt.

Bevor der Prozess gegen den Zyto-Apotheker aus Bottrop in eine dreiwöchige Verhandlungspause ging, ließ das Landgericht Essen offen, ob es dutzende wenn nicht hunderte weitere Zeugen vernehmen möchte. Die Nebenkläger hatten bereits vor längerer Zeit beantragt, Patienten zu laden, die von S. mit möglicherweise unterdosierten Krebsmitteln beliefert worden sind – oder deren Angehörigen. Im Raum steht weiterhin die Vernehmung von Onkologen, mit denen S. zusammengearbeitet hat – sowie von 39 Personen, die laut Verteidigung bestätigen können sollen, dass der Apotheker mehr Wirkstoff als von der Anklage erfasst eingekauft haben soll.

Gerichtssprecher: „Da kam nicht viel."

Doch wie der Vorsitzende Richter Johannes Hidding laut Recherchebüro „Correctiv“ am vergangenen Freitag sagte, sieht das Gericht keine Anhaltspunkte für Einkäufe auf dem „Zweitmarkt“. „Da kam ja auch nicht viel“, erklärte ein Gerichtssprecher auf Nachfrage von DAZ.online dazu. Zur Erklärung: Die Verteidigung ließ bisher nur einen Hexal-Vertreter laden, der abstritt, S. schwarz Wirkstoff verkauft zu haben.

Die Vernehmung eines Anwalts des Generika-Herstellers wies der Richter ab – die Verteidigung hatte dies beantragt um zu erfahren, inwiefern der Mitarbeiter auf seine Aussage vorbereitet worden war. Durch die Berichterstattung zu dem Fall hätte dem Pharmareferenten der Inhalt seiner Vernehmung ohnehin klar sein dürfen, erklärte Hidding, der offenbar auch keine Zweifel an der Wahrheit der Aussage hat.

Nächster Termin erst im Mai

Offen bleibt nun wohl bis zum nächsten Verhandlungstermin am 3. Mai, ob die 39 weiteren Zeugen gehört werden. „Es gibt keine Notwendigkeit diese Zeugen zu hören. Das wäre eine unnötige Verzögerung des Prozesses“, erklärte der Staatsanwalt. Auch die Vernehmung der Onkologen sowie möglicher Betroffener ließ das Gericht offen. 

Pharmakologe Sörger als Zeuge abgelehnt

Derzeit sind nur für einen Verhandlungstag am 16. Mai Zeugen geladen: Erscheinen soll ein Sachverständiger des Landeszentrums Gesundheit, eine Mitarbeiterin des Sachverständigen Fritz Sörgel sowie der Pharmakologe Henning Blume, der von 1983 bis 1997 das Zentrallaboratorium Deutscher Apotheker leitete. Letzterer hat sich im Auftrag der Verteidigung Wirkstoffanalysen von sichergestellten Infusionsbeuteln kritisch vorgenommen. Als er im März bereits vor Gericht erschien, musste seine Befragung aus zeitlichen Gründen vertagt werden. Blume hatte nur erklärt, dass er zunächst über einen Analyseansatz des gleichfalls involvierten Paul-Ehrlich-Instituts gewesen sei, ihn später jedoch als sinnvoll erkannte. Doch müssten Arzneibuch-Methoden zum Einsatz an zubereiteten Arzneimitteln verifiziert werden, erklärte er.

Die Nebenklage lehnte am vergangenen Freitag den Pharmakologen Sörgel als Sachverständigen ab, da er womöglich die Unwahrheit gesagt habe. Es ging um die Frage, ob dieser zuvor Kontakt zu dem Recherchebüro hatte, was Sörgel verneinte. Doch in einem Facebook-Post hatte Sörgel erwähnt, dass „Correctiv“ ihm eine in der Apotheke hergestellte Tablette mit dem Wirkstoff Thalidomid zur Verfügung gestellt habe. Seine Analysen hätten dann ergeben, dass sie den richtigen Wirkstoff in richtiger Dosis enthielt. Sörgel hatte Dokumentationen des Paul-Ehrlich-Instituts und des Landeszentrums Gesundheit als unzureichend kritisiert. Das Gericht will Sörgel nun zu dem Vorwurf, in Sachen seines Kontaktes zu dem Recherchebüro die Unwahrheit gesagt zu haben, nun befragen.

Das Landgericht rechnet augenscheinlich damit, dass sich der Prozess noch in die Länge ziehen wird: Es setzte bis zum 29. Juni zehn weitere Verhandlungstermine an. Der Apotheker schweigt bislang zu den schweren Vorwürfen gegen ihn.



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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