Arzneimittel ohne Zulassung im Handel?

Warum die „Rosa Creme“ so schwer zu fassen ist

Stuttgart - 12.04.2018, 07:00 Uhr

Die Indikation atopische Dermatitis (Neurodermitis) ist  jetzt wieder Gegenstand der aktuellen Werbekampagne von Mavena. ( Foto: du / daz)

Die Indikation atopische Dermatitis (Neurodermitis) ist  jetzt wieder Gegenstand der aktuellen Werbekampagne von Mavena. ( Foto: du / daz)


Die Abgrenzung von Arzneimitteln zu anderen Produktkategorien wie Medizinprodukten oder auch Nahrungsergänzungsmitteln bereitet immer wieder Probleme. Die Regeln hierfür sind umfangreich und komplex. Trotzdem muss eine Zuordnung getroffen werden, die dann auch rechtlich Bestand hat und im Markt durchgesetzt wird. Das klappt aber offenbar nicht immer, wie das Beispiel der Mavena B12 Salbe zeigt. 

Der Hype um die „Rosa Creme“ liegt mittlerweile schon einige Jahre zurück. Medienwirksam war damals in dem ARD-Beitrag „Heilung unerwünscht“ Patienten mit Neurodermitis und Psoriasis versprochen worden, dass ihre Krankheit zu heilen ist, und zwar mit einer Vitamin-B12-haltigen Creme. Lediglich die Profitgier der Pharmaindustrie würde eine Markteinführung verhindern. Doch ungeachtet dessen wurde kurze Zeit nach Ausstrahlung des Beitrags im Jahre 2009  die Vitamin-B12-haltige Salbe Regividerm als Medizinprodukt zur Neurodermitis- und Psoriasis-Behandlung durch Regeneratio Pharma GmbH, Remscheid (Inverkehrbringer) und die Mavena Health Care AG (Vertrieb) in den Markt gebracht. Nach einem Namensstreit musste das Produkt 2010 in Mavena B12 Salbe umbenannt werden. 

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Die „Rosa Creme“ und die Evidenz

Es entbrannte ein weiterer Streit darüber, ob es sich bei dem Produkt nicht um ein zulassungspflichtiges Arzneimittel handelt. Die damals zuständige Überwachungsbehörde, das Regierungspräsidium Düsseldorf, schaltete das BfArM ein. Das stufte Mavena-B12-Salbe nach §21 Abs.4 AMG ebenfalls im Jahr 2010 als zulassungspflichtiges Arzneimittel ein. Der Widerspruch mit aufschiebender Wirkung durch den Inverkehrbringer, die Regeneratio Pharma GmbH, Remscheid folgte umgehend. Das Produkt war weiterhin verkehrsfähig. 2012 siedelte die Regeneratio Pharma GmbH von Remscheid nach Köln um, seit Juni 2015 ist die Firma insolvent und wurde aufgelöst. Mavena B12 Produkte sind jedoch weiterhin im Handel. Erst im Jahr 2017 weist das BfArM mit Bescheid vom 28. Juni 2017 den Widerspruch gegen die Einstufung als Arzneimittel zurück. Damit ist Mavena B12 Salbe bestandskräftig als zulassungspflichtiges Arzneimittel eingestuft. 

Zulassungspflichtiges Arzneimittel  - und nun?

Der Bescheid richtete sich an die Regeneratio Pharma GmbH mit Sitz in Remscheid, die zuständige Landesbehörde Düsseldorf soll den Bescheid in Kopie erhalten haben. Dort konnte man den Bescheid nicht vollstrecken, ebenso wenig das Regierungspräsidium Köln, da die Regeneratio Pharma GmbH inzwischen aufgelöst war. Die Bezirksregierung Köln verweist darauf, dass laut aktueller Gebrauchsanweisung der Mavena B12 Salbe der Hersteller Mavena Health Care Italia srl in Mailand ist. Vertrieben wird Mavena B12 von der Mavena International AG, Hünenberg/ Schweiz. Diese Firma hat seit 2016 mit Mavena Deutschland AG, Neu-Isenburg/Frankfurt eine deutsche Tochter. Zuständig wäre hier das Regierungspräsidium Darmstadt. Dort erklärt man sich für nicht zuständig, da zum einen zwar die Mavena Deutschland GmbH in Neu Isenburg möglicherweise als Händler beteiligt sei, aber auf der Homepage kein Online-Shop vorhanden sei. Somit ist nach Erkenntnissen des Regierungspräsidiums Darmstadt ein Ansprechpartner/Inverkehrbringer (u.a. als Adressat zur Untersagung zum Inverkehrbringen) in Deutschland nicht vorhanden. Allerdings hat das Regierungspräsidium Darmstadt das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) gebeten, die Schweizer Arzneimittelaufsichtsbehörde mit dem Hinweis zu kontaktieren, das von einer Schweizer Firma ein zulassungspflichtiges nicht zugelassenes Arzneimittel als Medizinprodukt in Verkehr gebracht wird. Die Pressestelle des BMG bestätigte der DAZ am 7. Februar 2018, dass dies inzwischen erfolgt ist. Dort äußert man sich auch zum grundlegenden Verfahren: „Sofern sich der Sitz im Ausland befindet, ist nach § 3 Absatz 1 Nummer 4 VwVfG die Behörde zuständig, in deren Bezirk der Anlass für die Amtshandlung hervortritt, also dort, wo das Produkt in Deutschland in Verkehr gebracht wird. Sind mehrere Behörden zuständig, entscheidet grundsätzlich die Behörde, die zuerst mit der Sache befasst worden ist (§ 3 Absatz 2 VwVfG).“  Das wäre dann wieder die Bezirksregierung Düsseldorf. 

Einstufung auch für neue Formulierungen?

Die Einstufung von Mavena B12 als Arzneimittel soll laut Schreiben des BfArM an die DAZ auch für die inzwischen in unterschiedlichen Formulierungen als Medizinprodukte vertriebenen Mavena-B12-Präparate gelten. Denn die Einstufung erfolgte sowohl als Funktionsarzneimittel aufgrund der Wirkweise des Wirkstoffs Vitamin B12 als auch als Präsentationsarzneimittel. Auch die damalige Präsentation habe die Indikation atopische Dermatitis (Neurodermitis) beinhaltet, die jetzt wieder Gegenstand einer Werbekampagne von Mavena B12 ist.

Doch nach wie vor sind die Mavena-B12-Produkte im Handel. Wie kann das sein? In der aktuellen DAZ wird dieser Frage nachgegangen. Der Beitrag bietet einen überaus interessanten Einblick in unser Überwachungssystem.

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Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


Dr. Doris Uhl (du), Apothekerin
Chefredaktion DAZ

redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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