DAV-Chef Fritz Becker

„Alle Alternativen zum Rx-Versandverbot sind untauglich“

Potsdam - 25.04.2018, 12:05 Uhr

DAV-Chef Fritz Becker (hier beim DAT) will keine Alternativen zum Rx-Verandverbot zulassen und verbittet sich weitere Angriffe auf die Apothekerschaft. (Foto: Schelbert)

DAV-Chef Fritz Becker (hier beim DAT) will keine Alternativen zum Rx-Verandverbot zulassen und verbittet sich weitere Angriffe auf die Apothekerschaft. (Foto: Schelbert)


Die ABDA rückt von ihrer Forderung nach einem Rx-Versandverbot kein Stück ab. Am gestrigen Dienstag hatte der CDU-Experte Michael Hennrich erklärt, dass er den Stillstand beenden wolle und eine Alternativ-Lösung vorgestellt. Beim heutigen DAV-Wirtschaftsforum ging DAV-Chef Fritz Becker indirekt auf die Forderung ein und erklärte, er werde keine weiteren Angriffe auf die Apotheke vor Ort zulassen.

Am heutigen Mittwoch findet in Potsdam das 55. DAV-Wirtschaftsforum statt. Insbesondere aus politischer Sicht hat die diesjährige Ausgabe einiges an Spannung in sich: Schließlich erklärte am gestrigen Dienstag einer der größten Unterstützter der Apotheke vor Ort in der Politik, der CDU-Arzneimittelexperte Michael Hennrich, dass er fortan nicht mehr an der Seite der Apotheker für das Rx-Versandverbot kämpfen wolle. Vielmehr forderte Hennrich in einem DAZ.online-Interview, dass man den „Stillstand“ rund um das Rx-Versandverbot beende. Hennrich schwebt eine Lösung vor, bei der die Kassen mit den EU-Versendern Verträge abschließen und die sich daraus ergebenden Einsparungen an die Apotheken ableiten.

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Wie reagiert die ABDA auf diesen Vorschlag? Lenkt nun auch die Standesvertretung ein und begibt sich auf die Suche nach Alternativen zum Rx-Versandverbot? Diese Fragen stellten sich viele Besucher vor Beginn des heutigen DAV-Wirtschaftsforums. Verbandschef Fritz Becker zeigte in seiner Rede aber klare Kante: „Die einzige Option zur Wiederherstellung der Gleichpreisigkeit ist das Rx-Versandverbot“, so Becker. Abweichend von seinem schriftlichen Redemanuskript fügte er dann den Zusatz ein: „Alle aktuell vorgeschlagenen Modelle und Alternativen sind absolut untauglich.“ Dass Becker für diesen Kurs die Rückendeckung vieler Apotheker haben dürfte, zeigte die Reaktion im Publikum. Denn nur an zwei Stellen wurde während seiner Rede applaudiert: Als der DAV-Chef Ex-Minister Hermann Gröhe für den Einsatz für das Rx-Versandverbot lobte und als Becker jegliche Alternativen als untauglich bezeichnete.

Becker: Wir wollen uns weiterentwickeln

Becker erklärte außerdem, dass er den Vorwurf nicht gelten lasse, dass die Apotheker wegen der Forderung nach dem Rx-Versandverbot rückschrittlich agieren würden. „Wir hören immer wieder den Vorwurf, wir würden uns nur auf den Erhalt bestehender Regelungen konzentrieren, statt nach vorne zu blicken. Richtig daran ist, dass die Abwehr von Angriffen auf die Eckpfeiler der Apotheke kein Dauerzustand für uns Apotheker werden darf.“ Dass die Apotheker fest entschlossen seien, den Berufstand weiterzuentwickeln, zeige das Perspektivpapier „Apotheke 2030“. Dass in der Öffentlichkeit nun eine „andere Schwerpunktsetzung“ der ABDA-Aktivitäten wahrnehmbar ist, liege an den Entwicklungen der vergangenen anderthalb Jahre.

Apothekenzahl weiter gesunken

In seiner Rede beschäftigte sich der DAV-Chef aber noch mit anderen aktuellen Sachverhalten. Er sprach an, dass die Apothekenzahl zum Jahresende 2017 erneut gesunken ist – auf nunmehr 19.748 Standorte. In diesem Zusammenhang wies er auf das vom Bundeswirtschaftsministerium vorgelegte Honorar-Gutachten hin: „Wer in einer Zeit, in der seit Jahren die Zahl der Apotheken um über 200 pro Jahr sinkt, und sich immer mehr Lokalpolitiker um die Versorgung ihrer Gemeinden sorgen, vermeintliches Einsparpotenzial in Milliardenhöhe ausweist, der blendet Realitäten aus.“ Trotzdem sei die Apothekerschaft dazu bereit, die Arzneimittelpreisverordnung „weiterzuentwickeln“. Konkret wurde Becker hier allerdings nicht.

„Die Apotheke vor Ort macht den Versandhandel überflüssig.“

Auch die Digitalisierung war ein Thema in Beckers Rede. Hier wies der DAV-Chef zunächst darauf hin, dass die Apotheken im Back-Office schon seit Jahren hochdigitalisiert arbeiteten. „Aber auch im Patientenkontakt wird die Digitalisierung künftig eine noch größere Rolle spielen“, kündigte Becker an. Als Beispiel nannte er die digitalen Rezeptsammelstellen im Saarland und in Baden-Württemberg. Und weiter: „Eines steht fest: Die Apotheke vor Ort und ihr digitales Umfeld sind die klar bessere Alternative zum Versandhandel und machen ihn mehr als überflüssig.“ In diesem Zusammenhang bekannte sich der DAV-Chef zur Telematik-Infrastruktur, die die Leistungserbringer seit Jahren gemeinsam entwickeln. „Wir bekennen uns zum E-Rezept und zur E-Patientenakte“, sagte Becker. Allerdings lehne er „unregulierten Wildwuchs“, bei dem E-Rezepte gezielt fehlgesteuert würden, ab. An dieser Stelle forderte er vom Bundesgesundheitsministerium „klare Aussagen“ zu den „anstehenden Modellvorhaben der unterschiedlichsten Player“ – eine Anspielung auf die von der AOK und der TK eigens entwickelten Patientenakten.

Verhältnis zu den Kassen weiter verschlechtert

Nicht unerwähnt ließ Becker auch den aktuell laufenden Konflikt mit dem GKV-Spitzenverband rund um die Hilfstaxe. Das Scheitern der Verhandlungen sei ein weiterer Beweis dafür, dass sich die ohnehin schon angespannte Zusammenarbeit mit dem GKV-Spitzenverband noch weiter verschlechtert habe. Der Schiedsspruch sei eine Gefahr für die flächendeckende Versorgung im Bereich onkologischer Therapien. Becker beschwerte sich darüber, dass nur der GKV-Spitzenverband vom Gesetzgeber das Auskunftsrecht für Preise in der Zyto-Herstellung bekommen habe. Die Apotheker hingegen hätten keine Möglichkeit, verlässliche Zahlen bei den Kassen einzufordern. Insofern forderte Becker die neue Bundesregierung auf, auch den Apothekern dieses Auskunftsrecht zu erteilen.

Becker wies darauf hin, dass sich der DAV-Vorstand kürzlich auf einer eintägigen Klausur mit dem Thema beschäftigt habe. Bei der anstehenden Mitgliederversammlung des DAV würden „notwendige Beschlüsse“ herbeigeführt. Näheres zu diesen Beschlüssen sagte Becker aber nicht. Einige Apothekerverbände hatten kürzlich gefordert, die Hilfstaxe komplett aufzukündigen.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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5 Kommentare

Wir sind immer

von Stefan Haydn am 25.04.2018 um 23:07 Uhr

noch am Besten darin uns selbst ein Bein zu stellen.
In Bayern darf man eine Abholstation/Abholfach in Zukunft nur noch außerhalb der Öffnungszeiten anbieten. Ist sonst Vermischung von Versandhandel und Präsenzverkauf.
Muss der Kunde halt vor Feiertagen mit 10 anderen wieder in der Offizin warten und bindet unnötige Beratungszeit.
Aber mit Kundenfreundlichkeit und Modernität haben wir es offenbar in manchen Köpfen immer noch nicht so richtig.

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Becher's Rede

von Heiko Barz am 25.04.2018 um 18:52 Uhr

Wir würden uns -rückwärtsgewandt alter Reglementierungen bedienen und wären auch nicht zukunftsfähig.
Was soll das denn, Herr Becker?
Wir leben nun schon lange in einer schizophrenen Pharmazie
Welt. Unsere zentrale Aufgabe ist die verantwortliche Versorgung der medikamentenbedürftigen Bevölkerung und da müssen wir uns an Jahrzehnte bewährte Vorschriften halten, die uns ja auf allen Ebenen von der Politik aufgezwungen wurden. Ist das vielleicht rückwärtsgewandt, Herr Becker?
Dann wenden Sie sich mit der zukunftschwergewichteten Apothekenprogrammatik 2030, von der kaum noch die Rede ist, weil jetzt schon durch vielfältige Zwischenlösungen überflüssig geworden. Ich sehe da z.B. zweifelnd auf die Ergebnisse zum Medikationsplan. Und das von Ihnen freudig erwartete E-Rezept wird Ihnen und UNS die wirtschaftliche Basis nehmen.
Dem "Tresen" in der Arztpraxis ist es doch egal, welcher Knopf für welche Apotheke gedrückt wird und es wird die genommen, bei der es sich auch "lohnt".
Die Versorgungsapotheke, die am besten korrumpiert, die macht dann das große Rennen.
Daneben aber, Herr Becker, sind wir auch unserem Unternehmen im Sozialen verpflichtet. Das ist die Zukunft, um die es nebenbei auch geht. Unser Apotheker Schicksal ist bekannterweise vielen Bürgern und Patienten völlig egal, aber dass mit unserem "Verschwinden" auch tausende
Frauenarbeitsplätze vom Markt gehen, das wird man in der Politik vielleicht" merkeln".

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Hennrich

von Dr Schweikert-Wehner am 25.04.2018 um 14:50 Uhr

Mit dem Vorschlag, dass die GKVen Exklusiv Vertäge mit Versandhändlern machen sollen geht dieser Pharisäer über alles hinaus was bisher zur Beschleunigung des Apothekensterbens vorgeschlagen wurde. Was treibt ihn? Wer bezahlt ihn? Hat ihm ein Kollege den Dackel vergiftet?

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RX-Versand

von Dr. Radman am 25.04.2018 um 14:21 Uhr

Wir sollten die Gesundheitsminister der Länder anschreiben. Es kommt mir alles Spahnisch vor.

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Klare Kante

von Anita Peter am 25.04.2018 um 12:36 Uhr

Die "klare Kante" sollten wir endlich mit entsprechenden Taten zeigen. Schluss der vielen Worte!!

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