Konsequenz aus dem Bottroper Zytoskandal

Selbstverpflichtung der Zyto-Apotheker in NRW soll für mehr Transparenz sorgen

Münster - 25.04.2018, 10:25 Uhr

Die gemeinsame Erklärung wurde gestern im Rahmen der 5. Münsteraner Gesundheitsgespräche vorgestellt. (Foto: jb / DAZ.online)

Die gemeinsame Erklärung wurde gestern im Rahmen der 5. Münsteraner Gesundheitsgespräche vorgestellt. (Foto: jb / DAZ.online)


Mittels einer verbindlichen Erklärung wollen die Zyto-Apotheker in Westfalen-Lippe und Nordrhein für mehr Transparenz in der Herstellung sorgen. Die Erklärung ist das Ergebnis einer Arbeitsgruppe, die als Konsequenz aus dem „Bottroper Zytoskandal“ ins Leben gerufen wurde. Sie wurde im Rahmen der 5. Münsteraner Gesundheitsgespräche vorgestellt, die am gestrigen Dienstag stattfanden.

Ziel der Arbeitsgruppe aus Apothekern, Ärzten, Behörden und Vertretern der Selbsthilfegruppen war es, Maßnahmen zu erarbeiten, um Fällen, wie dem des Bottroper Zytoapothekers, in Zukunft vorzubeugen. Der Apotheker muss sich derzeit vor Gericht verantworten. Ihm wird vorgeworfen, in großem Stil Zytostatika gepanscht zu haben. Das Ergebnis der Arbeitsgruppe liegt nun vor: Eine öffentliche Erklärung, mit der die Unterzeichner die gesicherte Qualität der Zytostatikaherstellung sichtbar machen wollen. Sie wurde am gestrigen Dienstag bei den 5. Münsteraner Gesundheitsgesprächen vorgestellt.

Die herstellen Apotheken erklären damit Folgendes: 

Die Liste der Unterzeichner soll auf den Internetseiten der Apothekerkammern einsehbar sein. Bei Apothekern, die diese Selbstverpflichtung nicht unterschreiben, könne man dann genauer nachhaken, warum sie das nicht getan hätten, hieß es. Bei der Formulierung der Erklärung habe man eine Petition der Selbsthilfegruppe von Geschädigten aus dem Bottroper Zytoskandal berücksichtigt, erklärte die Präsidentin der Apothekerkammer Westfalen-Lippe Gabriele Regina Overwiening.

Die Erklärung hat allerdings eine große Schwäche: Sie ist bislang eine alleinige Initiative der Apotheker aus NRW. Jedoch werde ein Großteil der Onkologen in Westfalen-Lippe gar nicht von ortsansässigen Apotheken versorgt, sondern von großen Herstellbetrieben beispielsweise in Niedersachsen oder Hamburg, wie Overwiening am Rande der Veranstaltung einräumte.  

Entschuldigung bei den Betroffenen

Die Kammerpräsidentin brachte gleich zu Beginn der Veranstaltung ihre persönliche Betroffenheit über die Vorfälle zum Ausdruck. „Als Vertreterin der verfassten Apothekerschaft“ entschuldigte sie sich bei allen, die durch einen Angehörigen ihres Berufstandes geschädigt wurden. Sie wolle der laufen Gerichtsverhandlung auch nicht vorgreifen, erklärte sie weiter, aber es sei klar, dass eine adäquate Entschädigung der Betroffenen nicht möglich sei. Gerechtigkeit könne es in diesem Fall nicht geben, ebenso wenig wie man das Geschehene rückgängig machen können. Man könne nur verhindern, dass so etwas noch einmal passiert.

„Trivialisierung der freien Berufe in Richtung reiner Wirtschaftsbetriebe ist problematisch“

Die Kammerpräsidentin warnte in diesem Zusammenhang auch vor einer Trivialisierung der freien Berufe in Richtung reiner Wirtschaftsbetriebe. „Das engt den Handlungsauftrag im Gesundheitswesen einseitig ein und zerstört auf Dauer Vertrauen“, erkärte Overwiening. „Vertrauen ist aber die Währung für ein funktionierendes Gesundheitssystem. Und dieses Vertrauen, das jetzt im Bereich der Zytostatikaversorgung massiv erschüttert ist, gilt es wiederherzustellen.“

Mit mehr Kontrollen, nach denen viele jetzt pauschal rufen, alleine lässt sich das Problem ihrer Ansicht allerdings nicht lösen. „Man kann vielleicht einen Fehler – absichtlich oder unabsichtlich entstanden – entdecken, aber man keine Qualität in das System hineinprüfen. Qualität muss entstehen, indem man Verantwortung für einen guten Prozess übernehmen will“, erklärte sie. Es müsse sichtbar werden, dass die Apotheker Qualität leisten wollen.


„Kontrolle ist gut, Vertrauen ist besser“

Gabriele Regina Overwiening bei den Münsteraner Gesundheitsgesprächen


Den Journalisten von Correctiv, die ebenfalls an den Gesprächen teilnahmen, ging die Erklärung, mit der diese Bereitschaft sichtbar werden soll, aber nicht weit genug. Ihrer Ansicht nach würden dort nur Dinge erklärt, die ohnehin schon selbstverständlich sein sollten. Wenn die Zyto-Apotheker wirklich für Transparenz sorgen wollten, sollten sie ihre Einkäufe und Zubereitungen der letzten zehn Jahre offen legen und so unter Beweis stellen, dass es sich wirklich um einen Einzelfall handele, lautete die Forderung.

Auch die Vertreter der Aufsicht legten ihre Maßnahmen dar. Denn auch hier scheint es in dem Bottroper Fall Defizite gegeben zu haben. So sei ein Prüfprotokoll in Kraft getreten, das bislang nur als Entwurf vorgelegen habe, erklärte der anwesende Amtsapotheker aus Dortmund, der jedoch immer wieder betonte, zu den Umständen in Bottrop nichts sagen zu können. Zudem müssen alle Zyto-Apotheken in NRW bis 30. Juni einmal unangekündigt kontrolliert werden. Ob diese Kontrollen dann ausreichend sind und in welchem Rhythmus sie in Zukunft stattfinden sollen, gelte es dann zu evaluieren.



Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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