HIV / PrEP

Schweizer wollen Truvada-Generika aus Deutschland

Stuttgart - 04.05.2018, 11:05 Uhr

Die Generika von Ratiopharm und Aliud (keine PrEP-Indikation) gibt es für rund 70 Euro in Deutschland. Eine spezielle Kooperation besteht mit Hexal. In der Schweiz erfolgt HIV-Prophylaxe off-Label. (Foto: mbruxelle / stock.adobe.com) 

Die Generika von Ratiopharm und Aliud (keine PrEP-Indikation) gibt es für rund 70 Euro in Deutschland. Eine spezielle Kooperation besteht mit Hexal. In der Schweiz erfolgt HIV-Prophylaxe off-Label. (Foto: mbruxelle / stock.adobe.com) 


Seit erstem August letzten Jahres gibt es Truvada-Generika in deutschen Apotheken, die zur Prä-Expositions-Prophylaxe zugelassen sind. Zuvor war die HIV-Prophylaxe für viele Betroffene zu teuer. Erst der günstigere Preis machte die HIV-Prophylaxe praktikabel. Auch in Österreich ist man dem deutschen Modell gefolgt und hat die Prophylaxe durch einen günstigeren Preis einem breiteren Publikum zugänglich gemacht. In der Schweiz gibt es noch kein entsprechendes Modell. Das will ein Apotheker aus Zürich jetzt ändern.

In der EU sind sowohl Truvada® (200 mg Emtricitabin, 245 mg Tenofovir disoproxil) als auch entsprechende Generika mittlerweile zur Prä-Expositions-Prophylaxe (PrEP) gegen HIV zugelassen. In der Schweiz gibt es dagegen nicht nur keine Generika, sondern dort ist auch das Original noch nicht zur HIV-Prophylaxe zugelassen. Ein entsprechender Einsatz erfolgt dort deshalb off-Label. Währenddessen scheint in der Schweiz die Nachfrage nach der PrEP aber zu steigen. Eine Monatspackung des Originals Truvada® kostet in der Schweiz aktuell rund 900 Franken. In Deutschland rund 820 Euro. Beide Beträge verhindern in der Praxis die Anwendung der Prophylaxe, weil kaum einer so viel Geld pro Monat aufbringen kann. Erstattet wird die HIV-Prophylaxe auch in Deutschland bislang nicht. Norwegen kommt aber beispielsweise für die HIV-Prophylaxe auf und folgt damit den Empfehlungen der WHO. Auch in Deutschland war es – wie jetzt vielleicht in der Schweiz – ein Apotheker, der eine Preissenkung ins Rollen brachte. 

Dass die PrEP kein „Rund-um-sorglos-Paket“ ist, wurde im August 2016 auch am deutschen Beispiel klar. Nach der EU-Zulassung mussten sich deutsche Patienten bis zur Anwendung in der Praxis noch etwas gedulden. Die Zulassung war nur unter der Bedingung erteilt worden, dass mit dem BfArM abgestimmte Schulungsmaterialien zur Verfügung stehen müssen, bevor die PrEP praktisch zum Einsatz kommt. Seit August 2017 gibt es in Deutschland zudem Truvada-Generika auf dem Markt. Der Listenpreis des günstigsten Präparates lag zwar schon bei Einführung der Generika 2017 für die Dreimonatspackung mehr als 650 Euro unter dem Originalpreis, war aber mit 1.639,62 Euro dennoch für viele kaum bezahlbar. Eine Preissenkung wurde erst absehbar, als der Kölner Apotheker Erik Tenberken im September 2017 den Generika-Hersteller Hexal dafür gewinnen konnte, sein Truvada-Generikum im Rahmen eines PrEP-Pilotprojektes zu vertreiben. Die Tabletten werden dabei individuell für jeden Patienten verblistert. Abgabepreis ist laut Tenberken 50,05 Euro. Originalhersteller Gilead wollte ihm nicht entgegenkommen. Hexal sei sofort bereit gewesen. Wie viele Apotheken an dem Pilotprojekt mittlerweile teilnehmen (im November waren es rund 60), kann man im Internet einsehen.

Das Pilotprojekt wurde zum Erfolg und im Dezember 2017 zog dann Ratiopharm bei der Preissenkung nach. Außerhalb des Pilotprojektes kostet seit dem 1. Dezember 2017 in Deutschland eine Monatspackung des Ratiopharm-Generikums 69,90 Euro statt wie zuvor 556,33 Euro. Genauso günstig ist sonst aktuell nur das Generikum von Aliud in der Lauer-Taxe gelistet, allerdings ohne PrEP-Indikation. Truvada® kostet weiterhin 819,49 Euro pro Monat. Das Hexal-Generikum kostet außerhalb des Pilotprojektes laut Lauer-Taxe 465,29 Euro. Dem deutschen Pilotprojekt ist man zu Beginn des Jahres auch in Österreich gefolgt: Seit Januar 2018 kann die Marien Apotheke aus Wien über eine Kooperation mit dem Generika-Hersteller Sandoz die PrEP-Monatspackung für 59 Euro anbieten. Auf die günstigen deutschen Generika hat jetzt ein Schweizer Apotheker ein Auge geworfen.

Ein Schweizer Apotheker will einen ungewöhnlichen Weg gehen

Die Limmattaler Zeitung aus der Schweiz berichtete vergangenen Mittwoch darüber, dass die Bellevue-Apotheke aus Zürich plant, deutsche Truvada-Generika zu importieren. Roman Schmid, der Inhaber der Bellevue-Apotheke, hält laut Limmattaler Zeitung die Situation in der Schweiz bezüglich der PrEP für „unhaltbar“. Viele könnten sich das Originalpräparat schlicht nicht leisten und seien gezwungen, Generika aus dem Ausland zu bestellen. 

Auch die Aids-Hilfe Schweiz verweist auf ihrer Internetseite auf die Bestellung im Ausland: „Adressen für die Bestellung von PrEP-Medikamenten im Ausland finden sich auf  myprep.ch.“ (Screenshot)

Schmid kündigte an, nun selbst importieren zu wollen: 


Da der Patentschutz von Truvada nur in der Europäischen Union, aber nicht in der Schweiz abgelaufen ist, bemühen wir uns derzeit, entsprechende Generika von Deutschland in die Schweiz zu importieren.

Roman Schmid, Inhaber der Bellevue-Apotheke aus Zürich, gegenüber der Limmattaler Zeitung


Er hoffe, in den kommenden Wochen in seiner Apotheke ein entsprechendes Generikum anbieten zu können.

Es ist allerdings von einem „offenen Streit“ die Rede. Der bezieht sich auf eine Reaktion des Apothekers Yves Platel von der Bahnhof-Apotheke im Hauptbahnhof Zürich: Er hegt Zweifel, ob das Vorhaben seines Kollegen rechtskonform ist. Denn wie in Deutschland dürfen auch Schweizer Apotheken nur im Einzelfall importieren, wenn kein vergleichbares Arzneimittel in der Schweiz verfügbar ist. Für einen Parallelimport brauche es eine Bewilligung des Bundesamtes für Gesundheit. Er bezeichnet es als „illegal“, wenn Apotheken aufgrund von Preisvergünstigungen Truvada-Generika in die Schweiz importieren.

Schmid hält dagegen: Wer so argumentiere sei ein „Apparatschik“ (Duden: „Funktionär im Staats- und Parteiapparat totalitärer Staaten des Ostens, der Weisungen und Maßnahmen bürokratisch durchzusetzen sucht“). Er gehe lieber ungewöhnliche Wege, wenn er so Menschen helfen könne.

Die Schweizer Arzneimittelbehörde Swissmedic wollte sich zum konkreten Fall gegenüber der Limmattaler Zeitung nicht äußern, weil es sich nur um eine Absichtserklärung des Apothekers handle. Auch gegenüber DAZ.online hat Swissmedic die Sache bislang nicht kommentiert 

Einfach im Internet aus Deutschland bestellen?

Wer als Schweizer Betroffener im Internet nach einem Weg sucht, PrEP-Arzneimittel zu bestellen, der wird, neben den Seiten der Schweizer Aids-Hilfe, an vielen Stellen fündig. Auf Nachfrage von DAZ.online bestätigt ein Sprecher der Aids-Hilfe schriftlich, dass ein privater Monatsbedarf von Schweizern aus dem Ausland importiert werden kann. Ob deutsche Online-Apotheken in die Schweiz liefern oder nicht, konnte er aber „abschließend nicht sagen“. Bekannt sei, dass einige Apotheker das Generikum von Ratiopharm aus Deutschland importieren und als PrEP an Kunden weitergeben. Möglich sei das, da das Produkt von Ratiopharm laktosefrei (Truvada ist dies nicht) sei und somit für Menschen mit Unverträglichkeiten geeignet. Deshalb sei es erlaubt, das Generikum zu importieren. Wie viele Schweizer Apotheker das Generikum momentan importieren, ist dem Sprecher jedoch nicht bekannt. 

Das Schweizerische Heilmittelinstiut rät grundsätzlich vom Bezug von Arzneimitteln aus dem Internet ab: „Ausnahmen bilden selbstverständlich Schweizer Versandapotheken mit entsprechender kantonaler Bewilligung für den Versandhandel. Hierbei muss beachtet werden, dass für jede Arzneimittelbestellung ein ärztliches Rezept vorgelegt werden muss.“ Eine Privatperson darf nur für sich selbst, aber nicht für Dritte Arzneimittel in der Größenordnung eines Monatsbedarfs importieren. Wird dieser überschritten, ist die Einfuhr verboten, und die Sendung wird am Zoll festgehalten und Swissmedic übergeben. Eigentlich sei diese Gesetzesbestimmung aber für Touristen und nicht für den Internethandel gedacht. 



Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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