Therapierefraktäre Hypertonie

Senkt Spironolacton den Blutdruck besser als Amilorid?

Frankfurt am Main - 11.05.2018, 16:00 Uhr

Amilorid und Spironolacton vergleichbar wirksam bei behandlungsrefraktärer Hypertonie. (Foto: tunedin / stock.adobe.com)

Amilorid und Spironolacton vergleichbar wirksam bei behandlungsrefraktärer Hypertonie. (Foto: tunedin / stock.adobe.com)


Therapierefraktärer Hypertonus: Trotz drei blutdrucksenkender Arzneimittel ist die Hypertonie nicht kontrolliert. Was tun? Zusätzliches Spironolacton scheint den Blutdruck zu senken – effektiver als eine Kombination mit Betablockern oder Doxazosin. Auch Amilorid könnte eine Therapieoption sein – eine im Lancet Diabetology Endocrinology veröffentlichte Studie hat sich mit dem Thema befasst. 

Ein therapierefraktärer arterieller Hypertonus – was ist das überhaupt? Experten verstehen hierunter, wenn sich der Blutdruck trotz medikamentöser Dreifachtherapie in maximaler oder maximal tolerierter Dosis nicht ausreichend kontrollieren lässt. Die Arzneimitteltherapie umfasst obligat ein Diuretikum, zusätzlich meist einen ACE-Hemmer beziehungsweise AT1-Rezeptorantagonisten sowie einen Calciumkanalblocker. Therapierefraktäre Hypertonien sind gar nicht mal so selten: Schätzungsweise 10 Prozent der Bluthochdruckpatienten fallen in die Kategorie therapieresistent, was mit einem hohen Risiko für kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität assoziiert ist.

Wie kann man diesen Patienten helfen, einen „gesunden“ Blutdruckwert zu erzielen, um somit kardiovaskuläre Spätkomplikationen zu verhindern? Wissenschaftler nahmen sich dieses Themas in der Pathway-2-Studie an. Sie haben jüngst Substudien hiervon in Lancet Diabetes Endocrinology publiziert. 

Wie lief die Pathway-2-Studie ab?

  • Studiendesign: doppelblind, randomisiert, placebokontrolliert, cross-over (14 medizinische Zentren im Vereinigten Königreich)
  • Patienten: 314, Subgruppenstudie 269
  • Alter: 18 bis 79 Jahr
  • Blutdruck: systolisch > 140 mmHg beziehungsweise systolischer Durchschnittswert bei Messung im häuslichen Umfeld > 130 mmHg
  • Dreifache Arzneimitteltherapie: Diuretikum, ACE-Hemmer/AT1-Rezeptor-Antagonist, Calciumkanalblocker – in maximal tolerierter Dosis
  • Dauer der Studie: 12 Monate

Ablauf von Pathway 2: Die Patienten erhielten zusätzlich zu ihrer bereits bestehenden Medikation

  • Placebo – für zwölf Wochen
  • Spironolacton 25-50 mg – für zwölf Wochen
  • Bisoprolol 5-10 mg – für zwölf Wochen
  • Doxazosin 4-8 mg – für zwölf Wochen

Patienten, die unter einer sekundären Hypertonie litten, wurden aus dem Studienkollektiv ausgeschlossen. Zur Erinnerung: Sekundäre Hypertonien resultieren aufgrund anderer Primärerkrankungen. Häufige Ursachen hierfür sind hormonelle Störungen, Nierenerkrankungen, Malformationen von Blutgefäßen und eine Überaktivierung des sympathischen Nervensystems. Im Gegensatz zur essenziellen Hypertonie gelingt bei sekundär hypertonischen Patienten meist eine Normwert-Blutdruckeinstellung durch adäquate Behandlung der Primärerkrankung.

Therapierefraktäre Hypertonie durch hohe Natriumspiegel?

Die Patienten erhielten zu ihrer bereits bestehenden Dreifacharzneimitteltherapie in der Studie vier zusätzliche Therapien, jeweils rotierend für drei Monate. Der einjährigen Untersuchung schloss sich eine Open-Label-Phase mit weiteren drei Monaten an, in denen es den Patienten frei gestellt wurde, ob sie entweder zu ihrer ursprünglichen Medikation mit drei Arzneimitteln (Diuretikum, ACE-Hemmer/AT1-Rezeptor-Antagonist, Calciumkanalblocker) zurückkehren oder für den gleichen Zeitraum Amilorid einnehmen möchten. 144 Patienten entschieden sich für Amilorid 10 mg. 47 Patienten, die damit unzureichend therapiert waren, erhielten für weitere sechs Wochen die doppelte Dosis und 20 mg Amilorid täglich.

Warum Amilorid?

Um den Hintergrund für die Amilorid-Option zu verstehen, ist es erforderlich, die Hypothese hinter Pathway 2 zu kennen. Die Wissenschaftler postulierten, dass eine therapierefraktäre Hypertonie im Zusammenhang mit erhöhten Natriumspiegeln steht, die auf eine unangemessene Aldosteronproduktion zurückzuführen ist. Gelingt es, die Natriumspiegel zu senken, sollte – so die Theorie der Wissenschaftler – folglich auch der Blutdruck nach unten gehen.

Eine vermehrte Natriumausscheidung realisieren sowohl Spironolacton als auch das kaliumsparende Diuretikum Amilorid. Amilorid wird in Deutschland nur in Kombination mit Thiaziden eingesetzt, hinsichtlich ihrer natriumausscheidenden Effekte potenzieren sich die beiden diuretischen Wirkstoffklassen. Bei Kalium wirken Amilorid und Hydrochlorothiazid beziehungsweise Bendroflumethiazid synergistisch.

Hingegen haben die beiden anderen in der Studie untersuchten Arzneimittel Bisoprolol und Doxazosin keinen direkten Einfluss auf die Natriumspiegel. Bisoprolol hemmt allerdings die Reninfreisetzung aus den juxtaglomerulären Zellen und trägt so sekundär über Angiotensin II und dessen stimulierende Wirkung auf Aldosteron und Adiuretin zu einer Natriumretention bei.

Verstärkte Salzretention durch niedrige Reninspiegel?

Die Hypothese der Wissenschaftler beinhaltete neben erhöhten Natriumspiegeln durch inadäquate Aldosteronsekretion, dass die Hypertoniepatienten – trotz der bereits erfolgten – antihypertensiven Behandlung auch niedrige Reninplasmaspiegel aufweisen. Normalerweise steigen die Reninspiegel, wenn der Blutdruck sinkt, beispielsweise durch eine antihypertensive Therapie oder durch niedrige Salzkonzentrationen. Ein niedriger Reninspiegel würde bestätigen, dass die Hypertonie auf eine verstärkte Salzretention zurückzuführen sei.

Ergebnisse: Amilorid so wirksam wie Spironolacton

Bereits frühere Auswertungen bestätigten die Überlegenheit von Spironolacton im Vergleich zu Bisoprolol und Doxazosin und Placebo: Spironolacton senkte den Blutdruck effektiver als Placebo – um 8,70 mmHg und auch effektiver verglichen mit Doxazosin um 4,03 mmHg beziehungsweise Bisoprolol um 4,48 mmHg. Wie sehen die neuen Daten für Amilorid und Spironolacton aus?

Sechs-Wochen-Daten zeigen vergleichbare Blutdrucksenkungen unter Amilorid und Spironolacton: Der systolische Blutdruck sank unter Amilorid 10 mg um 20,4 mmHg, unter Spironolacton 25 mg um 18,3 mmHg. Diese Werte beziehen sich auf die Baseline, also die Standardtherapie mit Diuretikum, ACE-Hemmer/AT1-Rezeptor-Antagonist und Calciumkanalblocker.

Amilorid gut verträgliche Alternative bei therapierefraktärer Hypertonie

Die Wissenschaftler kommen zu dem Schluss, dass der Mineralcorticoidrezeptor-Antagonist Spironolacton eine wirksame Therapie bei behandlungsrefraktärer Hypertonie sei, da die persisitierende Form des Bluthochdrucks gewöhnlich auf eine Natriumretention zurückzuführen sei – wahrscheinlich ausgelöst durch eine nicht angemessene Aldosteronsekretion. 31 Patienten wiesen erhöhte Aldosteronwerte auf, 42 Patienten hatten niedrige Reninspiegel.

Das kaliumsparende Diuretikum Amilorid scheint in der Behandlung der therapierefraktären Hypertonie ähnlich wirksam und effektiv wie Spironolacton zu sein. Allerdings, sei die Ursache einer vermehrten Natriumretention durch Aldosteron bedingt, scheint Spironolacton die wirksamere Substanz. Ihre Empfehlung geht bei therapieresistenten Hypertonikern zu einer früher Abklärung von primärem Hyperaldosteronismus.

Amilorid könne als therapeutische Alternative bei Patienten eingesetzt werden, die unter Spironolacton bekannte unerwünschte Arzneimittelwirkungen wie Gynäkomastie entwickelten. 



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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