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DAZ.online-Themenwoche Digitalisierung
eGK: Ministerium gesteht „erhebliche Verzögerungen“ ein
Zu Beginn der DAZ.online-Themenwoche zur Digitalisierung sind wir der Frage nachgegangen, welche Baustellen es noch im Bereich der Telematikinfrastruktur gibt. Damit das Kommunikationsnetz auch für die Patienten von Vorteil sein kann, wird auch eine leistungsfähige elektronische Gesundheitskarte (eGK) benötigt. In einer Antwort des Bundesgesundheitsministeriums auf eine FDP-Anfrage wird nun aber klar: Nach 14 Jahren Planungszeit sind nur minimale Fortschritte bei der eGK zu erkennen. Das BMG gibt zu, dass die Entwicklung der eGK alles andere als nach Plan verlief und kündigt weitere Verzögerungen an.
Sie soll der Universalschlüssel zur digitalen Gesundheitswelt sein – das verspricht die elektronische Gesundheitskarte (eGK) seit 14 Jahren. Die Entwicklung verlief schleppend und bisher sind auf der Karte lediglich Versichertenstammdaten abzulesen. Inzwischen haben sich die Nutzergewohnheiten sowie die Sicherheitsanforderungen in der digitalen Welt verändert. Experten bezweifeln, dass die Chipkarte zur Verwaltung von Patientendaten im Zeitalter der mobilen Apps und versierten Hacker noch zeitgemäß ist. Vor einigen Tagen stellte die FDP-Bundestagsfraktion eine Kleine Anfrage zur Zukunftsfähigkeit der elektronischen Gesundheitskarte.
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Telematikinfrastruktur – Was kommt auf die Apotheker zu?
Ausbau der Telematik kostete bisher rund 1,5 Milliarden Euro
Dabei hinterfragten die Freien Demokraten unter anderem, ob die Entwicklungskosten im Verhältnis zum erwarteten Nutzen stehen. Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) antwortet zwar nicht direkt darauf, welche Kosten bisher entstanden seien. „Die Kosten für den Aufbau der Telematikinfrastruktur und die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte sind von den konkreten Entscheidungen der Selbstverwaltung abhängig“, erklärt der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Thomas Gebhardt (CDU).
In einem anderen Zusammenhang erwähnt Gebhardt allerdings, dass die Gematik seit ihrer Gründung im Jahre 2005 vom GKV-Spitzenverband 606 Millionen Euro erhalten habe, um die Telematikinfrastruktur aufzubauen. Zudem habe jede Praxis im Rahmen der Finanzierungsvereinbarungen des GKV-Spitzenverbandes einmalig 4030 Euro für die Installation der Hard-und Software sowie monatlich 91,50 Euro als laufende Betriebskosten erhalten. Aus einer weiteren Teilantwort geht hervor, dass inzwischen 17.000 Praxen an die Telematik-Infrastruktur angeschlossen seien. Zusammengerechnet dürften die Kosten folglich etwa 1,5 Milliarden Euro betragen.
Die Frage der Freien Demokraten, welche Kosteneinsparungen durch die eGK künftig zu erwarten seien, kann das BMG allerdings nicht beantworten. „Die Antworten der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage „Zukunft der elektronischen Gesundheitskarte“ (Drs. 19/2082) offenbaren ein großes Desaster“, kommentiert der FDP-Bundestagsabgeordnete Dr. Wieland Schinnenburg, auf dessen Initiative die kleine Anfrage zurückgeht.
Nur ein Anbieter für Hardware-Konnektor
Bisher ist also für teures Geld wenig passiert. Doch nach dem e-Health-Gesetz rückt die nächste Deadline unaufhaltsam näher: Bis Ende dieses Jahres sollen alle Arzt- und Zahnarztpraxen, Krankenhäuser und Apotheken an die Telematikinfrastruktur angeschlossen sein. Medizinern drohen Honorarkürzungen, wenn sie die Frist nicht einhalten. Die oben genannten 17.000 Praxen, die bereits an die Telematikinfrastruktur angeschlossen sind, bilden nach Informationen der FDP-Bundestagsfraktion nur etwa 12 Prozent der Arzt- und Zahnarztpraxen in Deutschland. Dabei sind Apotheken und Krankenhäuser noch nicht berücksichtigt.
Und beim Telematik-Roll-out gibt es ein Nadelöhr. Und zwar ist der sogenannte Hardware-Konnektor, der für die Vernetzung erforderlich ist, bislang ausschließlich von der Firma Compugroup erhältlich ist, die dadurch eine Art Monopolstellung hat. Die FDP wollte daher wissen, ob noch ausreichend Hardware-Konnektoren zur Verfügung stehen, um die verbleibenden 88 Prozent der Praxen auszustatten.
Das BMG ist diesbezüglich optimistisch: „Die Bundesregierung geht davon aus, dass ab Mitte 2018 weitere Anbieter Konnektoren am Markt anbieten werden. Die Bundesregierung wird die Verfügbarkeit der für die Ärztinnen und Ärzte, Zahnärztinnen und Zahnärzte sowie Krankenhäuser erforderlichen Ausstattung intensiv verfolgen, um gegebenenfalls rechtzeitig handeln zu können.“
Einführung des e-Medikationsplans offenbar im Verzug
Des Weiteren fragt die FDP, bei welchen eGK-Funktionen die Regierung mit der Einführung bereits im Verzug sei. Darauf antwortete Gebhardt: „Die Gematik hat die im e-Health-Gesetz geregelten Fristen für die von ihr zu leistenden Arbeiten eingehalten und die Bundesregierung geht davon aus, dass sie auch die Frist für die Arbeiten zur Einführung der elektronischen Patientenakte Ende 2018 einhalten wird. Bei der Einführung der ersten Anwendung Online-Versichertenstammdatendienst ist es zu erheblichen Verzögerungen gekommen.“
Aus dem Antwortschreiben geht in einem anderen Zusammenhang hervor, dass noch weitere Verzögerungen absehbar sind. Und zwar schreibt Gebhardt: „Als erste medizinische Anwendungen der elektronischen Gesundheitskarte werden die Notfalldaten und der elektronische Medikationsplan umgesetzt. Nach den der Bundesregierung bekannten Informationen ist derzeit davon auszugehen, dass die Industrie ab Mitte 2019 die dafür erforderlichen Produkte (Software) am Markt anbieten kann und somit beide Anwendungen noch 2019 starten können.“
Laut dem e-Health-Gesetz soll die digitale Patientenakte inklusive Medikationsplan und Notfalldaten allerdings schon ab dem 1. Januar 2019 für Versicherte, Ärzte und Apotheker abrufbar sein. Der Antwort des BMG zufolge scheint dies nicht gewährleistet zu sein, wenn erst ab Mitte 2019 die erforderliche Software zur Verfügung stünde.
BMG verteidigt eGK-Technik
Angesichts der vielen Baustellen rund um die eGK möchte die FDP wissen, ob die Regierung schon überprüft habe, ob funktionierende e-Health-Systeme aus anderen Ländern zu geringeren Kosten eingeführt werden könnten. Oder ob die Regierung überlegt, die eGK-Technik durch eine gänzlich neue und zukunftsfähigere Technologie zu ersetzen.
Das BMG antwortet darauf, dass Systeme aus anderen Ländern nicht vollumfänglich auf Deutschland übertragbar seien, weil die rechtlichen Rahmenbedingungen national unterschiedlich seien. Der Frage nach der Zukunftsfähigkeit weicht das Ministerium aus und verteidigt die bisherige Marschrichtung: „Die Telematikinfrastruktur wird die Beteiligten im Gesundheitswesen sicher miteinander vernetzen und Versicherte in die Lage versetzen, ihren jeweiligen Behandler verlässliche Daten zur Verfügung zu stellen. Deshalb wird der Aufbau der Telematikinfrastruktur sowohl von den Krankenkassen als auch von allen Leistungserbringerorganisationen unterstützt.“
FDP: zukunftsfähige Digitalisierung im Gesundheitswesen
Für Hauptfragesteller Schinnenburg sind die Ausführungen des BMG nicht zufriedenstellend: „Es gab und gibt erhebliche Verzögerungen, die Bundesregierung kann viele wichtige Fragen nicht beantworten und drückt sich vor einer klaren Aussage betreffend der Zukunft der eGK.“ Der FDP-Bundestagsabgeordnete kritisiert, dass es keine belastbare Kosten-Nutzen-Analyse gebe. Die Zeitpläne sind aus seiner Sicht nicht realistisch. Außerdem müsse die Einführung der Telematikinfrastruktur professionalisiert werden.
Daher sieht der Zahnarzt Handlungsbedarf bei der eGK: „Ich fordere Minister Spahn auf, endlich für eine zukunftsfähige Digitalisierung im Gesundheitswesen zu sorgen. Außerdem muss er den Druck von Arztpraxen verringern, in dem er die Drohung mit Honorarkürzungen beendet.“
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