Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

17.06.2018, 08:00 Uhr

Unglaublich! Die ABDA – abgetaucht, aber mehr Kohle wollen. Wo gibt's das denn?  (Foto: Andi Dalferth)

Unglaublich! Die ABDA – abgetaucht, aber mehr Kohle wollen. Wo gibt's das denn?  (Foto: Andi Dalferth)


13. Juni 2018 

Zum Glück gibt es sie noch, die tapferen Funktionärs-Apothekerinnen und -Apotheker die sich trauen, ihre Stimme kritisch in Richtung ABDA zu erheben. Die Vorsitzende der Tarifgemeinschaft der Apothekenleiter Nordrhein (TGL), Heidrun Hoch, gehört dazu. Sie kann dem nach ihrer Ansicht passiven Verhalten der Standesvertretung nichts mehr abgewinnen. Während zahlreiche politische Unwägbarkeiten die Apothekerinnen und Apotheker an der Basis belasten, so Hoch, entzieht sich die ABDA dem Dialog. Hoch bringt es auf den Punkt: Die Hütte brennt und die ABDA schaut zu. Die TGL-Vorsitzende macht auch darauf aufmerksam, dass man nicht nicht kommunizieren kann und fragt, welche Botschaft die ABDA durch ihr Schweigen überbringen will. Die Politik fordere schon lange Vorschläge von den Apothekern ein, „aber warum liefert die ABDA nicht?“, so Hoch. Mein liebes Tagebuch, gute Frage! 

Auch der brandenburgische Kammerpräsident Jens Dobbert gehört eher zu den Funktionären, die bei dem Wort ABDA nicht an Ja und Amen denken, sondern das Treiben bzw. Stillschweigen im Berliner Lindencorso kritisch hinterfragen. Für Dobbert stellt sich das Verhalten unserer Berufsvertretung so dar wie man es landauf, landab wahrnimmt: Seit sich die ABDA-Führung mit dem Bundesgesundheitsminister Jens Spahn getroffen habe, „könnte man glauben, sie existiert nicht mehr“. Und beim Thema Digitalisierung und Telematik hat Dobbert den Eindruck, die ABDA verschlafe die Entwicklungen. Mein liebes Tagebuch, prägnanter kann man es kaum ausdrücken. Und wenn solche Worte sogar von einem Kammerpräsidenten kommen, der doch eigentlich ganz nah am Informationsfluss des inneren ABDA-Zirkels steht, dann ist das besonders bemerkenswert: Unter der Schweigestrategie leidet nicht nur die Basis, sondern sogar die Mitgliedsorganisationen sind unmittelbar betroffen. Mein liebes Tagebuch, was ist das für ein Verband, der so wahrgenommen wird! Dobbert bringt seine Unzufriedenheit mit der ABDA-Arbeit in dem treffenden Bild auf den Punkt: „Auf Veränderung zu hoffen, ohne selbst etwas dafür zu tun, ist wie am Bahnhof zu stehen und auf ein Schiff zu warten“. An einem solchen Bahnhof sieht Dobbert die ABDA stehen. Die ABDA werde jedenfalls vergeblich an ihrem Bahnhof auf ein Schiff warten – eher werde ein ICE mit der Aufschrift „Digitalisierung“ mit enormer Schnelligkeit vorbeifahren. „Und wenn das Lindencorso aufwacht, ist es womöglich zu spät“, so Dobbert. Mein liebes Tagebuch, wie süß, dieses Bild. Und wie bitter die Wahrheit, die dahinter steckt. Wir dürfen gespannt sein, ob und wann sich endlich noch weitere kritische Stimmen zu Wort melden. Der nächste Apothekertag könnte ein Forum dafür sein…

Bemerkenswert der Vortrag von Peter Froese, Chef des Apothekerverbands Schleswig-Holstein, auf der brandenburgischen Kammerversammlung. Er versucht mit seiner Botschaft Mut zu machen, bei der Digitalisierung nicht wegzusehen, sondern sie aktiv anzupacken. Einige seiner Thesen:  Trotz Risiken sei es jetzt richtig und wichtig , auf die Telematik zu setzen. Denn: Was digitalisiert werden kann, wird digitalisiert. Apotheken werden da nicht ausgenommen. Die Apotheken müssten auch akzeptieren: „Bequemlichkeit schlägt alles“ und „Digitalisierung geht nicht weg“. Mein liebes Tagebuch, wie wahr! Hört man in die Länder, z. B. in Richtung Bayern, und ins Berliner Headquarter hinein, scheint diese Botschaft nicht überall angekommen oder gar verstanden worden zu sein. Wann lernt man da umzudenken?

Entschlossen zeigten sich Apothekerinnen und Apotheker der Kammerversammlung Nordrhein. Sie stimmten spontan darüber ab und sprachen sich mit großer Mehrheit dafür aus: Einer von der ABDA geplanten Erhöhung des ABDA-Haushalts um rund 3,5 Prozent wird die Kammer Nordrhein nicht zustimmen. Grund: Das Verhältnis Beiträge zu Leistung stimme da nicht mehr. Mein liebes Tagebuch, das ist konsequent. Die Kammerversammlung verabschiedete außerdem einige Anträge, die beim kommenden Deutschen Apothekertag eingebracht werden. Beispielsweise ging es um einen Antrag, dass den Apothekerkammern ein gesetzlicher Sicherstellungsauftrag zukomme – es ist der Leib- und Magenantrag des Kammerpräsidenten Engelen. Die Kammern sollen nach seinem Verständnis dafür verantwortlich sein, wer zur Versorgung zugelassen und wie die Versorgung gestaltet wird. Mein liebes Tagebuch, fraglich, ob das überregional mehrheitsfähig ist. Weit interessanter ist allerdings der Antrag, mit dem sich die Kammerversammlung dafür ausspricht, dass die Apotheker einen ständigen Sitz im Gemeinsamen Bundesausschuss erhalten sollen, um entscheidend im Gesundheitswesen mitgestalten zu können. Der ABDA wird so ein  Antrag, der nicht zum ersten Mal auf einem Apotag zur Sprache kommt, vermutlich nicht sonderlich gefallen.



Peter Ditzel (diz), Apotheker / Herausgeber DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


Diesen Artikel teilen:


14 Kommentare

„Bequemlichkeit schlägt alles“ ...

von Reinhard Rodiger am 18.06.2018 um 14:39 Uhr

muss wohl erst begriffen werden, wenn die anderen gehandelt haben.Da gibt's eine Einführung einer Plattform - von der Allianz und anderen KK finanziert-und niemand kümmert es.
Da werden Fakten geschaffen,deren Betrachtung unsere Führung sich verwehrt.Patientennahe Gesundheitsakte mit direkter Rückkoppelung zur KK.Erster Schritt zur umfassenden Steuerung.Schnittstelle für Apotheken- nicht gerade Absicht.Der mündige Patient und die abgreifenden kommerziellen Interessenten.Alles aus ministerieller Erfahrung mit dem erklärten Ziel der Systemveränderung.Vivy heisst sie.

Die Bequemlichkeit, alles wesentliche anderen zu überlassen. schlägt wirklich alles.DAS muss geändert werden.....höret die Signale.,...



» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

@Katja

von Gunnar Müller, Detmold am 17.06.2018 um 20:54 Uhr

Kann Sie so gut verstehen. Dennoch können Sie etwas tun – zum Beispiel durch solche Kommentare!
Und, indem sie Ihre Kammer/Ihren Verband unter Druck setzen. Fragen stellen. Ihre Ideen/ Forderungen vorstellen. Am besten und am einfachsten durch E-Mails.
Dazu eine Kopie an ihren Kreis Vertrauens Apotheke/ihren Verbands-Bezirksapotheker. Gerne auch an Ihre nächsten Vertreter in der Kammerversammlung (sind alle zu erfragen bei Kammer/Verband). Dort vor allem an die Mitglieder der kritisch-aufgeschlossenen Fraktionen (das sind in aller Regel nicht die, deren Gesichter man immer in den Kammermitteilungen sieht… :-))
Und natürlich immer eine Kopie auch an die ABDA (damit auch die wissen, was los ist bei Ihnen; die Mail-Adresse finden Sie leicht über die Homepage/Impressum). Oder direkt an die entsprechenden Personen bei der ABDA (Algorithmus: erster Buchstabe des Vornamens, dann ein Punkt, dann der Nachname, dann @abda.de).
Näheres auch gerne einmal persönlich…
Sie sind nicht allein!
Suchen Sie sich Verbündete…

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Heiko Maas

von Christian Redmann am 17.06.2018 um 19:56 Uhr

Ein kurzer Gedanke: wenn der niederländische Außenminister seinen Unmut über die Gefährdung von 1100(!) Arbeitsplätzen äußert, sollte man ihm sagen, dass wir bereits 24.000 Stimmen für ein Versandverbot für Rx-Arzneimittel haben...

... bzw. ihm die 150.000 in Deutschland gefährdeten Arbeitsplätze gegenrechnen.

Da wird einem ja auch sowieso ganz anders, wenn man bedenkt, WER weswegen jetzt den niederländischen Außenminister belästigt...

... und dass die das können.

» Auf diesen Kommentar antworten | 2 Antworten

AW: Leider, lieber Christian,

von gabriela aures am 17.06.2018 um 20:52 Uhr

muß ich hier zur „Gegenrede“ ansetzen:
Es wird landauf landab der Fachkräftemangel in den Apotheken beklagt - also wird das Argument der gefährdeten Arbeitsplätze die Politik nur wenig beeindrucken oder gar überzeugen.

Desweiteren ist es eine unerklärliche Schande, daß gerade mal 24.000 von 150.000 unmittelbar Betroffenen (Familienmitglieder sind da noch gar nicht berücksichtigt) ihren Arsch bewegt haben !
Da brauchen wir uns über unsere ABDA gar nicht aufregen....da regen mich diese bräsigen KollegInnen viel mehr auf !

AW: Nachtrag :

von gabriela aures am 17.06.2018 um 20:55 Uhr

und auch den jetzt hehren Protesten ob des ABDA-Haushaltes werden keine Konsequenzen folgen, sondern die „Krawall-Kammern“ wieder elegant ins Glied zurücktreten oder durch irgendwelche Deals getreten werden.
Hatten wir doch auch schon alles.

Haushalt

von Dr.Diefenbach am 17.06.2018 um 15:47 Uhr

Es steht im Entwurf:Über alle Geschäftsbereiche hinweg sind darüber hinaus wie in 2018 ein angemessener Inflationsausgleich sowie punktuelle,leistungsbezogene Gehaltsanpassungen vorgesehen und entsprechend berücksichtigt.---Das lasse man einmal auf sich einwirken.Das sollte die Menge der KollegInnen vor allem in der Praxis endlich realisieren.Noch Fragen??

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Lex DocMorris?

von Uwe Hüsgen am 17.06.2018 um 15:10 Uhr

CAVE
Wenn das BMG jetzt beabsichtigt, den GH-Festzuschlag gesetzlich bzw. auf dem Verordnungswege z.B. bei 70 Cent festzuschreiben, was bedeutet dies mit Blick auf ausländische Arzneimittel-Versender?

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Abdataucht

von Reinhard Rodiger am 17.06.2018 um 14:33 Uhr

Das Schweigen, Debattenabstinenz , ungenierter Schluck aus der Beitragspulle und Unnutzgebäude signalisieren eine tiefsitzende Verachtung derer, die unter unzumutbaren Bedingungen arbeiten müssen.
Abtauchen während der Krieg tobt und Demontage herrscht ist schwerlich als Klugheit zu interpretieren.Umso mehr sind die gefordert, die nicht damit einverstanden sind.Sonst bekommen sie, was andere ihnen zuweisen.
Schweigen ist die Eintrittskarte in Willkür und Bedeutungslosigkeit.Hier wird ein Beruf vergeigt, der mir mal der Inbegriff von Vielseitigkeit und Sinn war.Schade.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Klare Kante ABDA (2)

von Gunnar Müller, Detmold am 17.06.2018 um 13:18 Uhr

@ Digitalisierung & Honorar
Fragen wir doch einfach die Mitglieder der entsprechenden ABDA-Arbeitsgruppen!
Einziges, langjähriges Mitglied in der AG „IT“ UND der AG „Honorierung“:
Das geborene MV-Mitglied Gabriele Regina Overwiening.
Wie steht es um Ihre Verantwortung, Frau Präsidentin?
(nachzulesen im internen Teil der ABDA – Homepage im aktuellen Geschäftsbericht Seite 94)
@ Haushalt
Gibt es da nicht auch einen „Haushaltsausschuss“?? Und auch hier entsprechende Mitglieder…??
P. S. Erinnert sei im übrigen an einen DAT-Antrag 2016 zur ABDA-Aufgaben(ver)teilung, der von der versammelten Apothekergemeinschaft gnadenlos abgeschmettert wurde.
Bereits damals hätte für die Mitgliedsorganisationen die Möglichkeit bestanden, (noch) mehr Einfluss zu gewinnen. Schade.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Abda

von Conny am 17.06.2018 um 11:41 Uhr

Hallo Frank ebert, bitte melden ! Sie waren der Einzigste der hier den Mut hatte, die Wahrheit zu schreiben.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Schweigen. nix sagen, nix wagen!

von Christian Giese am 17.06.2018 um 9:17 Uhr

Wer jedes Risiko scheut, geht das grösste Risiko ein!

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Wer schweigt , ist mitverantwortlich

von Ulrich Ströh am 17.06.2018 um 8:44 Uhr

Mal norddeutsch knapp formuliert:

-Die ABDA wird noch über den Sommer hinaus schweigen.
Warum auch immer.

-Die ABDA kann sich das Schweigen leisten,weil sich 99,5 Prozent der niedergelassenen Apotheker sich auch so führen lassen und 34 regionale Präsidenten und Vorsitzende nicht nachhaltig Kritik daran üben wollen oder können.

» Auf diesen Kommentar antworten | 2 Antworten

AW: Wer schweigt , ist mitverantwortlich

von Katja Neueree am 17.06.2018 um 19:42 Uhr

Werter Kollege, ich kann Ihre Argumentation nachvollziehen, aber ich sehe nicht ansatzweise, wie ich als kleine Landapothekerin fern von München und Berlin laut werden kann, so dass man mich hört. Denn mangels Vertretung sowohl in meiner Apotheke als auch in meiner Familie, welches jeweils meine Anwesenheitspflicht erfordert (erstere gesetzlich, zweite mindestens moralisch und aus innerer Überzeugung), sehe ich keine Möglichkeit, außer im persönlichen Gespräch mit meinen Kunden unsere Interessen zu vertreten. Was ich auch tue. Nur zu hören ist davon mangels meines Stimmvolumens in Berlin nichts und ich sehe nicht, was ich kleines Licht daran ändern kann. Aber ich bin für Vorschläge immer offen...

AW: Wer schweigt , ist mitverantwortlich

von Ulrich Ströh am 17.06.2018 um 23:26 Uhr

Liebe Frau Kollegin Neueree,
Ich stimme Ihnen zu.

Die Betreffzeile bezog sich auf 34 Präsidenten und Vorsitzende der Landesorganisationen.
Ein Tip: Kontaktieren Sie Ihren LAV-Vorsitzenden...

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.