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Undine-Apotheke in Neukölln schließt
Ein umstrittener Apotheker gibt auf
Neukölln verliert eine Apotheke: Andreas Kersten wird im September die Türen seiner Undine-Apotheke im trendigen Berliner Kiez für immer schließen. Der katholische Pharmazeut erlangte über Neukölln hinaus Bekanntheit, weil er konsequent die Abgabe der „Pille danach“ verweigert. Im 29. Betriebsjahr hat der streitbare Einzelkämpfer genug von seiner 60-Stunden Woche und zunehmender Bürokratie.
Neukölln am Landwehrkanal, an der Grenze zu Kreuzberg: Hier ist es hip, Menschen aus aller Welt zieht es nach „Kreuzkölln“. In der einst ruhigen und eher grauen Wohngegend sprießen seit einigen Jahren immer mehr Cafés, Galerien, Modegeschäfte und verschiedenste andere Läden abseits des Mainstreams. Mittendrin: die Undine-Apotheke. Hier steht Andreas Kersten seit fast drei Jahrzehnten hinter dem HV-Tisch.
Kinder statt Kondome
Ein Apotheker gegen die Verhütung
Seine Apotheke ist auffällig. Es ist ein großes
Eckgeschäft mit reichlich Schaufenster-Platz, der teilweise ungewöhnlich
genutzt wird. Nicht nur jetzt, da in Russland die Weltmeisterschaft läuft, ist
klar: Kersten ist ein echter Fußball- (im speziellen: Hertha-) Fan. In der Schaufensterecke,
in der zurzeit das Bild eines großen Fußballs angeklebt ist, ist die Scheibe allerdings gesprungen.
Und auch der Namensschriftzug der Apotheke blättert bereits seit Jahren. Es wird
zudem schon von außen schnell klar, dass Kersten ein Katholik ist, der es ernst
nimmt. Es gibt Papst-Bilder und im Eingangsbereich weist er auf Zetteln darauf
hin, dass er die „Pille danach“ nicht abgibt. Wer sich durch solche Ankündigungen nicht davon abhalten
lässt, Kondome in der Apotheke kaufen zu wollen, bekommt diese bei Kersten mit einer
Extra-Beilage: Einem Zettel, auf dem er anmerkt, dass Kinder das Leben
bereichern. Diese Haltung eckte im linken Kiez an. In den vergangenen Jahren war die
Undine-Apotheke regelmäßig Ziel von Anschlägen, etwa zum Weltfrauentag. All das
hat Kersten mit viel Gelassenheit ausgehalten. Auch die Berliner
Apothekerkammer, die sein Vorgehen zwar kritisierte und mit ihm diskutierte, konnte
oder wollte ihn letztlich nicht zwingen, die „Pille danach“ abzugeben. Sicherlich dürfte Kersten
dabei zugutegekommen sein, dass in wenigen hundert Metern Entfernung mehrere andere Apotheken zu finden sind.
Zu schlechte Rahmenbedingungen
Doch nun findet sich an seinem Schaufenster ein Zettel, auf dem sich Kersten für die Treue und Unterstützung seiner Kundschaft bedankt. Und dann erklärt er: „Die Rahmenbedingungen für die Undine-Apotheke haben sich so verschlechtert, dass wir Ende September schließen werden“. Bis dahin können noch Rabattkarten eingelöst und Zuzahlungsquittungen ausgedruckt werden.
Auf Nachfrage sagt Kersten, der nur eine Approbierte beschäftigt, die ihn gelegentlich vertritt, dass es ihm reiche, jede Woche 60 Stunden in der Apotheke zu stehen. Größere Apotheken könnten die beständig steigenden Anforderungen sicherlich gut meistern, er allein kapituliert nun. Auch seine Gesundheit ist angegriffen. Bevor es im nächsten Februar dann noch mit Securpharm losgeht, will der 59-Jährige draußen sein. Die Apotheke kann er nicht verkaufen. Es gab wohl durchaus Interesse bei Kollegen – doch das schwand, als sie die Zahlen sahen, so Kersten. Pläne für die Zukunft gibt es wohl, aber über die will er jetzt noch nicht sprechen.
Sich selbst bleibt Kersten treu, auf dem HV-Tisch liegen bereits Flyer für den nächsten „Marsch für das Leben“. Seine Kunden wird er bis Ende September weiterhin gewohnt freundlich bedienen und die Kinder mit Traubenzucker versorgen. Nächstes Halloween werden die Kinder im Kiez allerdings auf einen bislang verlässlichen Süßigkeiten-Geber verzichten müssen. Und im Dezember wird die elektrische Weihnachtseisenbahn im Schaufenster fehlen.
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