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AVIE-Positionspapier
Rabatte und Versandhandel „nicht wünschenswert“
Am heutigen Tag der ABDA-Mitgliedsversammlung macht ein weiteres Positionspapier die Runde, das durchaus für Furore sorgen könnte. Auf nur zwei Seiten stellen die Apothekenkooperation AVIE und die Kohl Medical AG das aktuelle Honorierungssystem der Apotheken sowie den Versandhandel komplett in Frage. Sie fordern unter anderem die Wiedereinführung einer aufschlagsbezogenen Vergütung im Rx-Bereich und die Preisbindung bei OTC-Arzneimitteln.
„Die 2004 eingeführte packungsbezogene Honorierung (das sogenannte Kombimodell) war ein Irrweg und ist in Gänze gescheitert.“ Gleich zu Beginn stellt das zweiseitige Positionspapier der Apothekenkooperation AVIE und der Kohl Medical AG klar, dass sie die Honorierung der Apotheken in der aktuellen Form für unangemessen halten und sich das Berechnungssystem von vor 2004 zurückwünschen. Konkret sollen für verschreibungspflichtige Arzneimittel wieder aufschlagsbezogene Vergütungen eingeführt werden und bei OTC-Arzneimitteln die Preisbindung. Unterschrieben haben das Dokument Jörg Geller, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Kohl Medical AG, sowie AVIE-Geschäftsführer Dominik Klahn. AVIE ist eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der Kohl Medical AG.
Kooperationen mischen sich ein
Am Tag der ABDA-Mitgliedsversammlung meldet sich damit nach dem Marketing Verein Deutscher Apotheker (MVDA) und dem Bundesverband Deutscher Apothekenkooperationen (BVDAK) ein weiterer Interessenverband zu Wort. Während MVDA und BVDAK den Versand von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln als „sinnvolle Ergänzung“ unter bestimmten Bedingungen und in einem konkreten Umkreis erhalten wollen, sind die Positionen von AVIE deutlich näher an den ABDA-Forderungen, den Rx-Versand zu verbieten. Doch die Apothekenkooperation, die 2004 von Edwin Kohl gegründet wurde und aktuell mehr als 200 Apotheken umfasst, geht in ihrem standespolitischen Beitrag noch deutlich weiter und drückt sich drastischer aus.
AVIE findet es nicht sachgerecht, „die Kosten einer Apotheke abgabebezogen zu berechnen“. Damit würde auch das Honorargutachten des Bundeswirtschaftsministeriums von falschen Tatsachen ausgehen. „Vielmehr spielt der Wert eines Arzneimittels die entscheidende Rolle.“ Lagerhaltung, Verfall und das Retaxrisiko seien stets wertbezogen und würden daher im Kombimodell seit 2004 nicht zur Geltung kommen. Daher fordert AVIE die Wiedereinführung der Arzneimittelpreisverordnung von 2003, nach der Arzneimittel mit geringem Herstellerabgabepreis billiger und solche mit höherem teurer wären. Darin sieht die Apothekenkooperation auch einen weiteren Vorteil für die Vor-Ort-Apotheke: „Gerade der erstgenannte Effekt würde das Geschäftsmodell der ausländischen Versandapotheken bei der Abgabe rezeptpflichtiger Arzneimittel erheblich stören. Eine einfache packungsbezogene Kalkulation und Bonifizierung der Verbraucher würde unmöglich.“
OTC-Preisbindung gefordert
Vor 2004 gab es bekanntlich auch die
Arzneimittelpreisbindung für OTC-Präparate. Auch hier spricht sich AVIE für
eine Wiedereinführung aus, denn: „Das ist sachgerecht und entspräche
vergleichbaren Regelungen im Buchhandel. […]Denn auch OTC-Arzneimittel sind –
im Bilde gesprochen – keine Bonbons, deren Konsum allein vom Preis abhängen
darf.“ Mit den aufschlagsbezogenen Vergütungen im Rx-Bereich und den festen
Preisen bei OTC-Arzneimitteln wären Rabatte und Bonifizierungen der Kunden
unmöglich. „Dies träfe zwar die Versandapotheken, wäre letztendlich aber eine
Maßnahme im Sinne der Verbraucher.“
Den für OTC-Arzneimittel existierenden Beratungsbedarf könnten Versandhändler laut AVIE deshalb nur schwer gewährleisten, da sie einen preisorientierten Wettbewerb betreiben würden. „Bereits aus diesem Grund ist der Versandhandel mit Arzneimitteln keine wünschenswerte Versorgungsform.“ Dagegen müsste die Zukunftsfähigkeit der inhabergeführten Apotheken für die wohnortnahe und bedarfsorientierte Versorgung gestärkt noch weiter gestärkt.
Avie: Rx-Versandverbot ist schwer zu verkaufen
Ob AVIE damit die ABDA-Forderung nach einem Versandverbot für verschreibungspflichtige Arzneimittel sogar noch zu übertreffen versucht und am liebsten auch den Versand von OTC-Präparaten verbieten lassen würde, geht aus dem Positionspapier nicht klar hervor. Weiter heißt es nämlich, dass man beim Rx-Versandverbot in Folge des EuGH-Urteils ein „Abrücken der Entscheidungsträger von den Vereinbarungen aus dem Koalitionsvertrag“ beobachte und den Weg als rechtlich schwierig ansieht. Außerdem sei ein Rx-Versandverbot „dem Endverbraucher im Zeitalter der Digitalisierung politisch kaum noch zu verkaufen“.
Vielmehr weist AVIE auf den Rahmenvertrag zur Arzneimittelversorgung zwischen dem GKV-Spitzenverband (GKV-SV) und dem Deutschen Apothekerverband (DAV) hin: „Ohne den Beitritt zum Rahmenvertrag wären ausländische Versandapotheken gezwungen, mit jeder Krankenkasse Einzelverträge auszuhandeln. Zum Preis von mitunter hohen Preisnachlässen zugunsten der Krankenkassen. Dem Bundesrahmenvertrag beizutreten und dennoch Boni an Kunden zu gewähren, ist ‚Rosinenpickerei‘.“ Aufgrund des Sachleistungsprinzips in der gesetzlichen Krankenversicherung würden Boni-Zahlungen an einzelne Versicherte das Solidarsystem unterminieren. Auch bei der privaten Krankenversicherung ständen die Boni der Versicherung zu.
Warum greifen keine Sanktionen?
Als problematisch sieht AVIE, dass die Partner des Rahmenvertrages die Sanktionsmechanismen nicht gleichberechtigt anwenden können. „Der GKV-SV kann Sanktionen aussprechen, der DAV nicht. Dieser Missstand ist – unabhängig von der Debatte über ein RX-Versandverbot – umgehend zu beheben.“ Daher wird im Positionspapier die Stärkung des Deutschen Apothekerverbands gefordert. Konkret soll der DAV „ausländische Apotheken bei Vertragsbruch zunächst sanktionieren und bei Wiederholungen von dieser Vereinbarung ausschließen können“. Auch im Hinblick auf die Einführung der elektronischen Verschreibungen (E-Rezept) sieht AVIE in einer weiteren Ausgestaltung und Aufwertung des Rahmenvertrages eine Lösung: „Das freie Apothekenwahlrecht bliebe auf diese Weise in einer über das E-Rezept modernisierten Apothekenklandschaft auch weiterhin erhalten.“ Denn nach einem Urteil des Bundesgerichtshofes gilt das Zuweisungsverbot nur zwischen inländischen Leistungserbringern, nicht aber für ausländische Arzneimittelversender. „Fernbehandelnde Ärzte könnten E-Rezepte direkt an eine in den Niederlanden ansässige Apotheke übermitteln.“
Zuletzt gehen AVIE und die Kohl Medical AG in ihrem gemeinsamen Positionspapier auf die Großhandelshonorierung ein. Die Kohl Medical AG besitzt mit kohlpharma immerhin Europas größten Arzneimittelimporteur. „Wenig nachvollziehbar" seien die aktuellen Überlegungen des Gesetzgebers, in Folge des Skonto-Urteils vom Oktober 2017 den Fixzuschlag zukünftig nicht mehr rabattierfähig zu machen. Es sei nicht sachgerecht, dass der Fixzuschlag des Großhandels künftig nicht mehr an Apotheken weitergegeben werden dürfe. „Die pharmazeutischen Großhandlungen sind primär multinationale Konzerne, die es nicht nötig haben sollten, sich ihre Marge vom Gesetzgeber schützen zu lassen. Wenn sie entgegen jeder kaufmännischen Vernunft einen ruinösen Wettbewerb untereinander betreiben, führt das letztlich zu einer aus Versorgungssicht unproblematischen Marktbereinigung.“ Apotheker als Musskaufleute sollten in ihren kaufmännischen Handlungsspielräumen eher gestärkt werden. Deshalb sollte der Großhandel seine Fixvergütung in Höhe von 70 Cent an Apotheken weitergeben dürfen. Skonti seien keine Rabatte.
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