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Datenschutz in den USA
Warum Amazon im US-Apothekenmarkt scheitern könnte
Mit der Übernahme der US-Versandapotheke PillPack setzt der Onlineriese Amazon einen Fuß in das Geschäft mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln. Doch es ist keinesfalls ausgemacht, dass der Konzern damit erfolgreich sein wird. Denn insbesondere beim Umgang mit den sensiblen Gesundheitsdaten setzt die US-Gesetzgebung enge Grenzen.
Die Ankündigung, dass der Onlinehändler Amazon die US-Versandapotheke PillPack für rund eine Milliarde Dollar übernehmen wird, hat die Branche elektrisiert und die Aktien namhafter US-Apothekenketten und Arzneimittelversender mächtig unter Druck gesetzt. Wenngleich PillPack ein vergleichsweise kleines Unternehmen mit nicht einmal 1000 Mitarbeitern ist, bietet es einen speziellen, aber gefragten Service: Das Unternehmen beliefert vor allem chronisch kranke Patienten mit Arzneimitteln, die exakt für deren individuelle Bedürfnisse in Blistern verpackt und beschriftet sind. Amazon würde damit nicht nur der - je nach Sichtweise - lange erwartete beziehungsweise befürchtete Einstieg in das Geschäft mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln gelingen, sondern außerdem Zugriff auf unzählige Patientendaten erhalten.
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Was steckt hinter dem Amazon-PillPack-Deal?
Einige Tage nach dieser Nachricht versuchen nun Analysten und Branchenkenner herauszufinden, wo die Chancen und die Risiken des Deals liegen. Dabei kommen sie zu dem Schluss, dass ein Erfolg für Amazon keinesfalls sicher ist. Insbesondere der Umgang mit den sensiblen Patientendaten, zu denen Amazon künftig Zugang haben wird, dürfte für den Konzern weitaus komplexer sein, als man es dort bislang gewohnt ist. So weist das renommierte Wall Street Journal (WSJ) darauf hin, dass laut den Vorschriften des US-Bundesgesetzes Health Insurance Portability and Accountability Act (HIPAA) private medizinische Daten, wie die Verschreibungshistorie eines Patienten, nicht für Marketingzwecke verwendet werden dürfen. Dabei liegt genau in solch einer Datenverwendung ein Teil des Kerngeschäfts von Amazon: Das Unternehmen nutzt das sogenannte Behavioral Tracking, also die Nachverfolgung und Analyse des Kundenverhaltens, um diesen auch andere Produkte anzubieten.
Erst Blutdruckmittel, dann Karotten
„Arzneimittelverordnungen sind in hohem Grade persönliche Informationen - sie können Auskunft darüber geben, ob jemand Krebs hat oder eine sexuell übertragbare Krankheit“, zitiert das WSJ Julie Roth, Rechtsanwältin bei der US-Kanzlei Spencer Fane LLP. Das könnte Bedenken hinsichtlich der Privatsphäre aufwerfen. Demnach wäre es für Amazon schwierig, einem Kunden, der Blutdruckmedikamente bestellt, zu empfehlen, mehr Karotten über Amazon Fresh zu ordern - zumindest nicht, ohne dass sich der Kunde bewusst dafür entscheidet, so die Anwältin.
Nach Einschätzung der Zeitung hätte Amazon nur wenige Möglichkeiten, diese Hürde zu meistern und die Patientendaten zu nutzen: So könnte der Konzern das PillPack-Geschäft in eine eigene Einheit ausgliedern, die nur im begrenzten Maße Daten mit dem Rest von Amazon austauscht. Oder der Handelsriese müsste sein gesamtes Geschäft umorganisieren, um mit dem HIPAA konform zu sein. Das, so die WSJ-Autoren, dürfte aber deutlich mehr Aufwand erfordern als es Vorteile bringt.
Für welche Daten interessiert sich Amazon?
Eine andere Möglichkeit, wenigstens einen Teil der Patientendaten zu nutzen, bestehe darin, die Patienten um deren ausdrückliche schriftliche Einwilligung zu bitten. Die könnte erteilt werden, indem die Kunden ein entsprechendes Kästchen ankreuzen. Dabei wäre allerdings fraglich, ob die Kunden wirklich realisieren, welche Auswirkungen ihr Häkchen hat. „Niemand liest die Hinweise zum Datenschutz“, zitiert das WSJ Ryan Stark, Senior Privacy Attorney bei der Kanzlei Page, Wolfberg & Wirth.
Unabhängig von den Daten der PillPack-Kunden verfügt Amazon bereits heute über große Mengen an Gesundheitsinformationen seiner Kunden, da der Konzern deren Käufe von Artikeln wie medizinische Hilfsgüter, Bücher oder rezeptfreie Medikamente verfolgt. Anfang des Jahres bezeichnete die Washington Post dies als eine „ziemlich große Lücke im HIPAA“. Dieser Datenstrom dürfte nochmals anwachsen, wenn Amazon-Chef Jeff Bezos seine Ankündigung in die Tat umsetzt und zusammen mit der Finanzholding Berkshire Hathaway und der Großbank JP Morgan Chase eine Krankenversicherung gründet. „Letztendlich würde es niemanden überraschen, wenn er als gemeinnütziger Gesundheitsversorger für 1,2 Millionen Angestellte anfangen würde, und diesen Personen in ein paar Jahren auch Amazon-Prime-Vorteile bei allgemeinen Konsumgütern anbietet", sagt Stephen Beck von der in New York ansässigen Beratungsfirma cg42 der Washington Post. „Wenn wir ein paar Jahre in die Zukunft blicken, ist die Sorge um Daten und Privatsphäre offensichtlich.“
Sprungbrett in den Apothekenmarkt
Andererseits öffnen sich Amazon mit dem PillPack-Deal auch große Chancen. Wenngleich der Arzneimittelversender ein Nischenanbieter ist, so ist das Unternehmen mit seinen Apothekenlizenzen in 50 US-Bundesstaaten für Amazon ein ideales Sprungbrett, um in diesen Regionen selbst eines Tages als Apothekenbetreiber aufzutreten. Zudem hat PillPack nach Angaben der New York Times (NYT) auch Beziehungen zu den großen Pharmacy-Benefit-Manager-Unternehmen (PBM) wie Express Scripts und CVS Health, die wiederum Zugang zur Mehrheit der Amerikaner haben, die eine Krankenversicherung besitzen. Zur Erklärung: Die PBM-Konzerne handeln die Konditionen zwischen Herstellern, Apothekern und den Krankenversicherungen aus. „Wenn sie ein wichtiger Faktor bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln sein wollen, müssen sie eine Beziehung zu einem PBM haben“, gibt die NYT John Sculley wider, Chief Marketing Officer bei RxAdvance, einem Unternehmen, dass sich zum Ziel gesetzt hat, die traditionellen PBM-Strukturen in den USA aufzubrechen.
Arbeiten die PBM mit Amazon zusammen oder nicht?
Dem Bericht nach könnten sich zudem führende PBM entschließen, anlässlich des PillPack-Deals künftig mit Amazon zusammenzuarbeiten. „Sie müssen entscheiden, ob Amazon eine Bedrohung oder eine Chance ist“, sagt Ana Gupte, Senior Health Care Analyst bei Leerink Partners. Tatsächlich hätten mehrere Führungskräfte der Branche, darunter Tim Wentworth, Geschäftsführer von Express Scripts, Interesse an einer Zusammenarbeit mit Amazon bekundet.
Erstaunlicherweise weist selbst die Süddeutsche Zeitung, die dem Umgang mit Nutzerdaten meist kritisch gegenübersteht, in einem Kommentar auf mögliche Vorteile des Amazon-PillPack-Deals hin. Damit könnten Kunden bequem ihre Medikamente bestellen. Das Sprach-Assistenzsystem Alexa könnte sie zudem daran erinnern, regelmäßig und gemäß der ärztlichen Verordnung ihre Arzneien einzunehmen. Immerhin würden jährlich 125.000 Amerikaner sterben, weil sie versäumten, ihre Pillen zu nehmen. Die SZ-Autorin geht sogar soweit, dass Amazon seine gigantische Computerkraft dazu nutzen könnte, die Patientendaten auszuwerten und so Neben- und Wechselwirkungen zu entdecken. „Das dürfte mehr bringen als wissenschaftliche Studien“, so das Blatt. Im Übrigen seien Arzneimittel in den USA ausgesprochen teuer. In den vergangenen 24 Jahren habe kaum jemand mehr dafür getan, Preise zu senken, als Amazon.
1 Kommentar
Amazons Willkür
von Heiko Barz am 04.07.2018 um 11:06 Uhr
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