- DAZ.online
- News
- Pharmazie
- Wirkt Cannabis bei ...
Lancet-Publikation
Wirkt Cannabis bei chronischen Schmerzen?
Einer
aktuellen Lancet-Publikation zufolge soll Cannabiskonsum zusätzlich zu
einer Opioidtherapie bei chronischen Schmerzen keinerlei Nutzen bringen. Allerdings
weist die Methodik der zugrunde liegenden Kohortenstudie zahlreiche
Limitationen auf.
„Keine Evidenz bei Schmerzen“ soll Cannabis einer aktuellen Studie zufolge haben, die im Journal „Lancet Public Health“ veröffentlicht wurde. Auch den Opioidkonsum könne die Hanfpflanze nicht vermindern, heißt es.
Telefonbefragung von rund 1500 Schmerzpatienten
In dieser Studie untersuchten die Forscher, wie sich ein Cannabis-Beikonsum bei 1500 Patienten mit chronischen Schmerzen, die Opioide nahmen, auf die Symptomatik auswirkt. Die Studienteilnehmer wurden zwischen 2012 und 2014 über öffentliche Apotheken rekrutiert und erhielten verschiedene Opioide, die in Morphinäquivalente umgerechnet wurden. Die Schmerzdiagnosen umfassten unter anderem Arthritis, Nackenschmerzen und neuropathische Beschwerden. Tumorschmerzen waren ausgeschlossen. Der Schweregrad der Schmerzen wurde anhand des Brief Pain Inventory Scales (BPI) erfasst.
Medizinalhanf
Cannabis auf Rezept
Als Datenbasis dienten die Selbstauskünfte aus Telefoninterviews, die über vier Jahre lang einmal jährlich stattfanden. Dabei wurden die Patienten nach dem Schweregrad ihrer Schmerzen befragt und ob es Änderungen bei ihrer Opioidmedikation gab.
Mehrzahl konsumierte nicht
Bei den Telefoninterviews wollten die Forscher auch wissen, ob und wieviel Cannabis konsumiert wurde. Dabei reichten die Antworten von totaler Abstinenz bis zum täglichen Gebrauch. Die Teilnehmer wurden jeweils in eine der drei Gruppen „kein Konsum“, „moderater Konsum“ (seltener als an 20 Tagen pro Monat) und „täglicher oder fast täglicher Konsum“ (öfter als an 20 Tagen pro Monat) eingeteilt.
Die meisten Teilnehmer waren in der Gruppe der Abstinenzler, deren Anteil zu Studienbeginn bei 91 Prozent lag und zum Ende des Follow-ups auf 86 Prozent sank. Die Kategorie „mittlerer Konsum“ bewegte sich während des Beobachtungszeitraums zwischen 5 und 6 Prozent. Der Anteil der Gruppe „täglicher oder fast täglicher Konsum“ steigerte sich innerhalb der vier Jahre von 3 auf 6 Prozent.
Kein schmerzlindernder Effekt gefunden
Es zeigte sich, dass die Schmerzstärke in allen drei Gruppen vergleichbar war. Auch vermochte der Cannabiskonsum nicht, die Morphinäquivalente zu vermindern.
Diese Ergebnisse wirken auf den ersten Blick für Schmerztherapeuten und -patienten ernüchternd. Skeptiker mögen sich bestätigt fühlen. Zudem scheinen die Daten im Widerspruch zu früheren Studien zu sein. Auf den ersten Blick wirken die relativ hohe Teilnehmerzahl und der lange Beobachtungszeitraum sehr aussagekräftig.
Studie weist methodische Verzerrungen auf
Doch bei näherer Betrachtung weist die Kohortenstudie einige
Limitationen auf. So dienten die Antworten auf eine Telefonbefragung, die pro
Patient maximal viermal stattfand, als Datenbasis. Eine medizinische Beurteilung beziehungsweise
Verifizierung der genannten Diagnosen erfolgte nicht.
Cannabis wurde in der Studie nicht als Arzneimittel eingesetzt. Die Publikation beinhaltet keine Informationen über die konsumierte Menge oder die verwendeten Blütensorten, zwischen denen bekanntlich erhebliche Unterschiede bestehen, was das Wirkspektrum betrifft. Außerdem hatten die Teilnehmer, die Cannabis konsumierten, von Studienbeginn an stärkere Schmerzen und nahmen signifikant höhere Opioidmengen ein. Das bedeutet, die Cannabiskonsumenten waren die kränkeren Patienten.
Datenbasis: Selbstauskunft über illegalen Konsum
Die Patientengruppen sind unterschiedlich groß, so konsumierten weniger als 10 Prozent nach eigenen Angaben während der Studie Marihuana. Ob alle Patienten jederzeit ehrlich antworteten, bezweifeln selbst die Autoren. Zwar drohten den Teilnehmern für wahrheitsgemäße Antworten keine Sanktionen. Dennoch ist anzumerken, dass die Marihuana-Freizeitanwendung während des gesamten Studienzeitraumes illegal war. Die Studie wurde unter anderem von der australischen Regierung finanziert.
Bei der australischen Kohortenstudie wurden folglich nicht dieselben Qualitätskriterien an den Tag gelegt, die Forscher für die Wirksamkeitsbeurteilung eines Arzneimittels zur Rate ziehen würden. Daher ist die Untersuchung auch aus Sicht der Autoren, die größere Studien fordern, lediglich als Hinweis zu betrachten. Größere klinische Studien mit definierten Patientengruppen, Indikationen und kontrollierter Cannabis-Medikation könnten die Diskussionen in Medizin, Pharmazie und Politik versachlichen. Fraglich ist dabei, von welcher Seite die notwendigen finanziellen Mittel kommen könnten.
2 Kommentare
Zahnschmerzen?
von Tobias Keller am 24.07.2018 um 18:16 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Cannabis
von Manfred Remagen am 23.07.2018 um 16:50 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.