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Schlimm, das Valsartan-Desaster. Aber es gibt noch mehr in dieser Woche, was wir erleben durften! ABDA in Action! Und wenig Reaction. Zum Beispiel: Schwupps, mal eben die Hilfstaxe gekündigt. Endlich! Oder Turbogang beim E-Rezept: Die ABDA will führen! Bleibt aber ruhig beim Honorargutachten, obwohl unser Chef-Mathematiker sogar Rechenfehler im Gutachten nachweist. Nur die Bayern machen es sich gemütlich und hören keine Alarmglocken. Motto: Keep calm and trust the top. Really?
9. Juli 2018
Die Monopolkommission fordert eine weitreichende Deregulierung im Arzneimittelmarkt und einen Preiswettbewerb im verschreibungspflichtigen Sortiment. Sie schlägt beispielsweise vor, alle Arzneimittelpreise freizugeben und Rabatte oder Aufschläge durch die Apotheker individuell festlegen zu lassen. Solche oder ähnliche Vorschläge hat sie zwar schon öfter in die Welt gesetzt und passiert ist danach –nichts. Aber dennoch, man sollte solche Vorstellungen und Gutachten einer Monopolkommission weder über- noch unterschätzen. Allerdings, sie tragen zu einem gewissen Meinungsklima bei, das bei manchen Politikern und Meinungsbildnern halluzinogene Träume von einem deregulierten Apothekenmarkt auslösen könnte. Freilich, die Monopolkommission kann einfach nicht anders, als wettbewerbsökonomisch zu argumentieren. Und der hoch regulierte Apothekenmarkt und seine Arzneimittelpreise sind für so eine Kommission natürlich ein gefundenes Fressen. Wie also sollte man auf ein solches Gutachten reagieren? So wie die ABDA, die das Gutachten nach Meinung des Apothekenökonoms Kaapke relativ oberflächlich kritisiert? Eine solche Reaktion ist eindeutig zu wenig. Nach Ansicht von Kaapke sollte so ein Gutachten die Standesvertretung „sorgenvoll aufhorchen lassen“ – allein schon deswegen, weil die Wettbewerbshüter das Honorargutachten des Bundeswirtschaftsministeriums in den Fußnoten rund 30 mal zitieren. Bei der Monopolkommission wird da nichts totgeschwiegen. Mein liebes Tagebuch, ob die Totschweige-Strategie der ABDA vor diesem Hintergrund die richtige Strategie ist, muss da wohl stark bezweifelt werden. Kaapke fügt seinen kritischen Anmerkungen außerdem hinzu: „Bis heute ist es nicht gelungen, in den einschlägigen Gremien die Hauptargumente der Apotheker für das bestehende System so zu platzieren, dass diese sitzen.“ Nach seiner Ansicht könnten zwei Ursachen dafür infrage kommen: Entweder ließe die Lobbyarbeit zu wünschen übrig oder die Argumente würden nicht taugen. Kaapke: „Letzteres wäre dramatisch, Ersteres beschämend!“ Mein liebes Tagebuch, wir können dem Apothekenökonomen nicht widersprechen.
10. Juli 2018
Dass wir das noch erleben dürfen, mein liebes Tagebuch! Der Deutsche Apothekerverband (DAV) hat eingesehen, dass die vereinbarten Preise für Rezepturinhaltsstoffe schon seit Jahren nicht mehr marktgerecht sind. Er hat seinen Beschluss wahr gemacht und die Anlagen1 und 2 der Hilfstaxe gekündigt. Wow, der traut sich was, der DAV, oder? Mal unter uns, mein liebes Tagebuch: Warum der DAV so lange mit einer Kündigung der Hilfstaxe gewartet und damit toleriert hat, dass die Apotheken bei der Taxierung von Rezepturen drauflegen, kann man irgendwie nicht verstehen. Einen vernünftigen Grund habe ich dafür jedenfalls noch nie gehört. Dazu muss man wissen: Die Kündigung greift zum 30. September 2018. Sind bis dahin mit den Krankenkassen keine neuen Stoff- und Gefäßpreise vereinbart, können die tatsächlichen Einkaufspreise marktgängiger Abpackungen der eingesetzten Stoffe taxiert werden. Das heißt: Es können Aufschläge von 90 Prozent für Zubereitungen und 100 Prozent für Stoffe auf diese Einkaufspreise angewendet werden. Rezepturen würden deutlich teurer als bisher. Na, das werden sich die Krankenkassen überlegen, ob sie einer zügigen Einigung über neue Preise im Wege stehen. Und es bleibt die Frage: Warum die Kündigung erst jetzt?
11. Juli 2018
Gut, dass wir Uwe Hüsgen in unseren Reihen haben, von Beruf Mathematiker und einst langjähriger Geschäftsführer des Apothekerverbands Nordrhein. Er hat das Gutachten zum Apothekenhonorar, das die 2hm-Agentur für rund 450.000 Euro im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums erstellte, mal richtig auseinander genommen. In seiner Analyse attestiert er der Agentur falsche Bezugsgrößen, Rechenfehler und widersprüchliche Aussagen. Stark! Eigentlich wäre das die Aufgabe der ABDA gewesen, aber im Berliner Lindencorso äußert man sich bekanntlich nicht zum 2hm-Gutachten. Man schweigt es tot, während Krankenkassen, Monopolkommission und Politik immer wieder Bezug auf dieses Gutachten nehmen. Ob der ABDA diese Rechenfehler bisher aufgefallen sind? Man wird es nie erfahren. Die 2hm-Agentur übrigens räumt in einer Stellungnahme auf die Hüsgen-Analyse Fehler ein, sieht sie allerdings nicht als eklatant an. „Fehler in Details stellen das Gutachten nicht in Frage“, wiegelt 2hm ab. Mein liebes Tagebuch, klar, so eine Reaktion war zu erwarten. Aber Hüsgen akzeptiert das nicht. Angesichts der vielen notwendigen Korrekturen bezweifelt er sogar den Anspruch eines wissenschaftlichen Gutachtens. Mein liebes Tagebuch, nochmal: Gut, dass wir Uwe Hüsgen haben.
Ein neuer Gehaltstarifvertrag steht an, die Apothekengewerkschaft Adexa und der Arbeitgeberverband Deutscher Apotheken (ADA) haben sich zu einer ersten Runde ihrer Tarifverhandlungen getroffen. Wie üblich, keine Einigung. Adexa fordert 5,6 Prozent mehr für die Apothekenmitarbeiter und Extravergütungen für diejenigen, die sich regelmäßig fort- und weiterbilden. Auch für Filialleiter fordert Adexa ein eigenes Gehaltskonzept und eine bessere Vergütung. Mein liebes Tagebuch, verstehen kann man beide Seiten, vor allem, wenn man die immer schwieriger werdende Ausgangslage vor Augen hat: Die Schere zwischen kleinen Apotheken, die sich gerade noch über Wasser halten können, und großen starken Apotheken, den Platzhirschen, geht weiter auseinander. Während für die kleinen Apotheken die Personalkosten kaum noch zu stemmen sind, zahlen größere mitunter durchaus ordentliche Gehälter und können sich ausreichend Personal leisten. Ob sich der ADA auf Dauer mit seiner ablehnenden Haltung zur Extraeingruppierung von Filialleitern wird durchsetzen können, ist mehr als fraglich. Adexa dürfte hier die besseren Argumente haben.
12. Juli 2018
Schwierig, ganz schwierig: Soll es Pflichtfortbildung geben? Etwa sogar einen Zwang zum Sammeln von Fortbildungspunkten und Abmahnungen und Bestrafungen, wenn man sein Soll nicht erfüllt? Oder sollte es einem akademisch ausgebildeten Heilberufler selbst überlassen bleiben, wann und wie er sich fortbildet? Die Frage ist dann nur, ob er es tut. Mein liebes Tagebuch, die Bandbreite der Menschen ist immens: Es gibt Typen, die bilden sich von sich aus ständig fort, besuchen Kongresse, Seminare, lesen Fachliteratur und tauschen sich aus. Und es gibt die anderen, die seit ihrer Approbation keine einzige Fortbildung mehr besucht haben, geschweige denn Fachzeitungen oder andere Literatur lesen. Und es gibt jede erdenkliche Variante dazwischen. Und es gibt diejenigen, die trotz intensiver Fortbildung ihr Wissen nicht rüberbringen oder bei Kunden einsetzen können. Und diejenigen, die bei minimaler Fortbildung einfach bestens beraten. Streiten kann man auch über den Sinn und Unsinn des Sammelns von Fortbildungspunkten – was bringen sie unterm Strich? Viele Punkte auf dem Konto zu haben, heißt eben leider noch lange nicht, dass das Wissen zum Nutzen der Patienten umgesetzt werden kann. Von den Auslandskongressen wie Schladming oder Meran weiß man, dass es einige Kollegen geben soll, die mit ihrer Testatkarte nur am Ende eines Vortrags eben ihren Stempel holen. Mal nüchtern betrachtet: Vielleicht liegt die Lösung in der Mitte. Wie wär’s mit einer verpflichtenden Basisfortbildung ein- oder zweimal pro Jahr (z.B. an einem Wochenende), bei der das wichtigste Wissen kompakt vermittelt wird, um alle auf dem Laufenden zu halten? Könnte das ein Kompromiss sein?
Die Bayern haben die Ruhe weg. Es genügt ihnen, wenn ihr Verbandsvorsitzender das Stillschweigeabkommen mit dem Bundesgesundheitsminister mit den Worten kommentiert: „Wäre die Entwicklung für die Apotheker bedrohlich, würden wir sicher nicht ruhig bleiben.“ Und er appelliert an seine Verbandsmitglieder, mehr Vertrauen in die Verbandsspitze zu haben, denn „es besteht keine alarmistische Stimmung“. Mein liebes Tagebuch, das nennt man bayerische Gemütlichkeit –oben brennt das Dach und nach unten meldet man: Schön, dass es so kuschelig warm ist. Also, mal Hand aufs Herz, ob das der richtige Weg ist, wegzuschauen und die Baustellen und Bedrohungen um uns herum zu ignorieren und sich nur auf unsere Verbandsspitze zu verlassen? Ein bisschen Druck von unten hat noch nie geschadet. Außerdem, wie kann man diese Alarmglocken überhören: Immer noch nicht und vielleicht nie ein Rx-Versandverbot, Amazon ante portas, Gutachten zum Apothekenhonorar, Gutachten der Monopolkommission, GKV-Papier, Rückstand bei der Digitalisierung samt E-Rezept. Mal ehrlich, kann man da ruhig bleiben? So urgemütlich schaut mir das nicht aus.
13. Juli 2018
Es war die Woche des Valsartan-Desasters. Eine noch nicht dagewesene Rückrufwelle valsartanhaltiger Arzneimittel verunsichert Fachkreise und Patienten. Der Vorgang offenbart, wie schlecht es heutzutage noch um Transparenz und Nutzung der digitalen Datenverarbeitung steht. Fragen über Fragen tauchen auf und keine Antworten! Zum Beispiel: Seit wann genau besteht die Verunreinigung der Valsartan-Substanz des chinesischen Herstellers? Wie stark ist die Substanz mit N-Nitrosodimethylamin verunreinigt? Warum wurde die Verunreinigung erst jetzt und nicht schon 2012 entdeckt? Wie gefährlich ist die Verunreinigung tatsächlich? Warum konnten die betroffenen Präparate nicht viel schneller identifiziert werden? Was sollen eigentlich die Ärzte ihren Patienten jetzt raten? Selbst wenn die Verunreinigung sehr gering sein sollte: Welcher Patient nimmt weiter ein Arzneimittel ein, das krebserregende Substanzen enthalten soll? Mein liebes Tagebuch, und was sagen eigentlich die Krankenkassen dazu? Und unsere Gesundheitspolitiker? Thema Rabattverträge und Abhängigkeit von ausländischen Herstellern?
Viele Monate, ja Jahre gingen ins Land, ohne dass sich Entscheidendes bewegte beim Thema E-Rezept. BAK-Präsident Kiefer meinte im Mai noch, dass die Entscheidung des Ärztetages, Fernbehandlungen zuzulassen, keine Auswirkungen auf die Apotheker habe – dabei stehen Online-Rezepte in den Startlöchern. Und die Berliner Apothekerkammer scheut sich sogar vor einer Telepharmazie-Debatte auf dem nächsten Apothekertag. Ui, ui, ui, mein liebes Tagebuch, common consent ist das zum Glück nicht. Denn jetzt geht’s los. Jetzt legt unsere ABDA den Turbogang ein. Oder tut zumindest so. Der ABDA-Präsident überrascht mit einem Übergangsprojekt, mit dem man dem offiziellen E-Rezept zuvor kommen möchte („wir wollen schnell sein damit… wir streben die inhaltliche Führerschaft an“). Und jetzt ist schon der nächste „Letter of Intent“ raus: Die ABDA will gemeinsam mit den Softwarehäusern und den Rechenzentren an der Entwicklung und Umsetzung einer elektronischen Verordnung arbeiten. Ein Modellprojekt soll’s werden, das dann in die Telematikinfrastruktur überführt werden kann. Und als der Verband der Apothekenkooperationen davon hörte, meldete er sich natürlich auch zu Wort und will mitmachen. Es heißt, er arbeite bereits an apothekenübergreifenden Lösungen. Na, mein liebes Tagebuch, das geht ja nun Schlag auf Schlag. Hoffentlich gibt’s bei soviel Aktionismus keine Streitereien, wer was darf. Wie heißt es doch: Viele Köche verderben den Brei. Nur mal so nebenbei: Wir erinnern uns an die E-Card, die vor fast zwanzig Jahren angedacht war und bis heute nicht läuft.
9 Kommentare
Stimmt
von Peter Lahr am 16.07.2018 um 11:25 Uhr
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Honorardiskussion
von Dr. Thomas Müller-Bohn am 15.07.2018 um 15:28 Uhr
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Inhaltliche Führerschaft
von Reinhard Rodiger am 15.07.2018 um 12:22 Uhr
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Diverses von heute
von Dr.Diefenbach am 15.07.2018 um 10:03 Uhr
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AW: Diverses von heute
von Heiko Barz am 15.07.2018 um 13:37 Uhr
AW: Aber so wird es nicht funktionieren
von Wolfgang Müller am 15.07.2018 um 14:05 Uhr
AW: Diverses von heute - 2HM-Gutachten
von Uwe Hüsgen am 15.07.2018 um 21:08 Uhr
AW: Ein Gutachten "FÜR die Mitarbeiter von 2HM" erstellen?
von Wolfgang Müller am 16.07.2018 um 9:54 Uhr
Weiter so geht nicht beim Tarifvertrag!
von Ulrich Ströh am 15.07.2018 um 8:55 Uhr
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