Knochenmetastasiertes Prostatakarzinom

PRAC sagt „nein“ zu Xofigo als First-line-Therapie

Stuttgart - 16.07.2018, 09:00 Uhr

Der PRAC hat seine Risikobewertung zu Xofigo® abgeschlossen. (Foto: dpa)

Der PRAC hat seine Risikobewertung zu Xofigo® abgeschlossen. (Foto: dpa)


Bereits im März dieses Jahres hatte der PRAC vorläufige Maßnahmen zum Bayer-Arzneimittel Xofigo® verhängt: Das Radium-223-haltige Arzneimittel ist seither kontraindiziert bei Prostatakarzinom-Patienten, die bereits eine Therapie mit Abirateronacetat (Zytiga®) und Glucocorticoiden wie Prednison oder Prednisolon erhalten. Hintergrund waren Berichte über vermehrte Knochenfrakturen und Todesfälle. Nun hat der PRAC seine Risikobewertung zu Xofigo® abgeschlossen.

Bereits im Dezember 2017 hat der Pharmakovigilanzausschuss der EMA, PRAC, ein Risikobewertungsverfahren zum Radium-223-haltigen Arzneimittel Xofigo® eingeleitet. Er zweifelte an der Sicherheit einer Tripeltherapie mit Xofigo®, Abirateronacetat (Zytiga®) und Prednison oder Prednisolon. Im März dieses Jahres veröffentlichten die Sicherheitsexperten sodann eine erste Einschätzung zu ihren Bedenken und verhängten vorläufige Maßnahmen: Xofigo® ist seither kontraindiziert bei Patienten mit Prostatakrebs, die bereits Abirateronacetat (Zytiga®) und Glucocorticoide wie Prednison oder Prednisolon zur Behandlung ihres knochenmetastasierten Tumors erhalten. Eine gleichzeitige Behandlung mit den drei Arzneimitteln dürfen Ärzte seither nicht mehr einsetzen. In seiner letzten Sitzung vom Juli 2018 konnte der PRAC nun die Bewertung abschließen. Wie geht es weiter mit Xofigo®?

Studie an Patienten ohne Knochensymptome

Angestoßen wurde die EU-weite Sicherheitsdebatte zu Xofigo® aufgrund von Ergebnissen einer vom Hersteller Bayer durchgeführten Studie: Diese verglich bei Patienten mit knochenmetastasiertem Prostatakrebs – ohne oder mit lediglich milden Symptomen – die Therapie mit dem Radium-223-haltigen Arzneimittel Xofigo® plus Abirateronacetat (Zytiga®) und Prednisolon/Prednison mit Placebo plus Abirateronacetat und Prednisolon/Prednison.

Für dieses Patientenkollektiv ist Xofigo® bislang nicht zugelassen: Aktuell hat Bayer die Zulassung für Xofigo® zur Behandlung von Prostatakarzinom-Patienten mit Knochenmetastasen, bei denen die Metastasen bereits symptomatisch sind. 

Mehr Frakturen und Todesfälle unter Xofigo®-Zytiga®-Kombi

Die Studienergebnisse dürfte Bayer so wohl nicht erwartet haben: Die Patienten unter der Xofigo®-Zytiga®-Glucocorticoid-Kombination starben im Verlauf der Therapie im Schnitt 2,6 Monate früher als Prostatakarzinom-Patienten in der Placebo-Zytiga®-Glucocorticoidgruppe. Ebenso erhöhte die Radium-223-Behandlung die Rate an Knochenbrüchen. 29 Prozent der Xofigo®-Patienten erlitten Knochenbrüche, während in der Placebo-Kombination nur bei 11 Prozent der Patienten Frakturen auftraten. Dies sind die abschließenden Studienergebnisse. Vorläufige Auswertungen in früheren Berichten wichen von den jetzigen und endgültigen Werten leicht ab (Xofigo®-Zytiga®-Glucocorticoid-Kombination: 34,7 Prozent der Patienten starben und 26 Prozent erlitten Knochenbrüche; Placebo-Zytiga®-Glucocorticoidgruppe: 28,2 Prozent starben und 8,1 Prozent erlitten Frakturen auftraten).

Wann darf Xofigo® noch eingesetzt werden?

Nach den im März verhängten Maßnahmen – Xofigo® ist kontraindiziert bei Patienten mit Prostatakrebs, die bereits Abirateronacetat und Prednison/Prednisolon zur Behandlung ihres knochenmetastasierten Tumors erhalten – hat der PRAC nun endgültig zu Xofigo® entschieden.

Abschließend empfiehlt der PRAC, Xofigo® künftig nur bei Patienten einzusetzen, bei denen zuvor zwei Therapien bei knochenmetastasiertem Prostatakarzinom bereits versagt haben oder die keine anderen Therapieoptionen haben.
An der Empfehlung von März – keine Kombination von Xofigo®, Abirateronacetat und Prednison/Prednisolon – hält der PRAC fest.
Patienten, die nicht symptomatisch sind oder nur wenige Knochenmetastasen haben, sollten nach Einschätzung des PRAC ebenfalls kein Xofigo® erhalten.
Auch sollte Xofigo® nicht gemeinsam mit anderen systemisch wirkenden Krebstherapien gegeben werden. Eine Ausnahme bilden hier Arzneimittel, die den Testosteron-Spiegel bei den Patienten niedrig halten.

Wie wirkt Xofigo®?

Die aktive Substanz in Xofigo® ist Radium-223. Das radioaktive Element aus der Gruppe der Erdalkalimetalle imitiert Calcium und wird anstelle von diesem in die Hydroxylapatit-haltige Knochenmatrix eingebaut. Dies geschieht vorwiegend im Bereich der Knochenmetastasen. Als α-Strahler verursacht Radium-223 in den Tumorzellen verstärkte DNA-Doppelstrangbrüche und erzielt so seinen zytotoxischen Effekt. Die Reichweite der α-Strahlen ist kurz, sie beträgt weniger als zehn Zelldurchmesser. Dies bedingt eine gewisse Selektivität und reduziert die Schädigung auf umliegendes Gewebe.

Indikation von Xofigo®

Bayer hat für Xofigo® die Zulassung zur Therapie des kastrationsrestriktiven Prostatakarzinoms mit symptomatischen Knochenmetastasen und ohne bekannte viszerale Metastasen.

Präventive Maßnahmen zur Erhöhung der Knochendichte

Der PRAC empfiehlt vor, während und nach einer Therapie mit Xofigo® das Frakturrisiko der Patienten sorgfältig zu überwachen. Auch sollten präventive Maßnahmen zur Erhöhung der Knochendichte, wie die Gabe von Bisphophonaten oder Denosumab, vor einer Xofigo®-Therapie in Betracht gezogen werden.

Warum erhöht Xofigo® das Frakturrisiko?

Die erhöhte Frakturrate erklären sich die Sicherheits-Experten der EMA dadurch, dass sich Radium vorzugsweise an den Stellen des Knochen einlagert, die bereits vorgeschädigt sind, durch Mikrofrakturen oder Osteoporose, was das Risiko für weitere Frakturen erhöhe. Die erhöhte Todesrate unter Xofigo® kann sich der PRAC anhand der aktuell vorliegenden Studie nicht vollständig erklären.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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