Reaktionen auf ARD-Sendung

Mutmaßlicher Arzneimitteldiebstahl - Überwachungsbehörde gibt Entwarnung

Berlin - 17.07.2018, 07:00 Uhr

Eine Apotheke in Griechenland soll den Recherchen von ARD-Kontraste zufolge das Zentrum der dunklen Machenschaften einer Arzneimittelschmuggelbande gewesen sein. (s / Foto: Imago)

Eine Apotheke in Griechenland soll den Recherchen von ARD-Kontraste zufolge das Zentrum der dunklen Machenschaften einer Arzneimittelschmuggelbande gewesen sein. (s / Foto: Imago)


Eine ARD-Sendung zeigte vergangene Woche schockierende Bilder: Eine kriminelle Bande soll hochpreisige Medikamente aus griechischen Krankenhäusern gestohlen und in Deutschland verkauft haben. Nach Informationen der zuständigen Überwachungsbehörde bestand aber keine Gefahr für Patienten. Der Verteidiger des mutmaßlichen Drahtziehers kritisiert das Vorgehen der griechischen Justiz.

Die Sendung „ARD-Magazin-Kontraste“ vom vergangenen Donnerstag könnte auf Patienten verstörend gewirkt haben: Eine kriminelle Bande soll teure Krebs- und MS-Medikamente in Griechenland aus Kliniken gestohlen und unter anderem nach Deutschland verkauft haben. Die Medikamente sollen dabei ungekühlt transportiert und hierdurch Patienten gefährdet worden sein. DAZ.online berichtete vergangenen Freitag über die Sendung. Doch wie dramatisch ist der Vorfall wirklich?

Gesundheitsministerium kommentiert ARD-Sendung

Von deutscher Seite scheint der Pharmagroßhändler Lunapharm in die Medikamentenklau-Affäre verwickelt. Er ist im brandenburgischen Mahlow ansässig. Die zuständige Aufsicht für Lunapharm liegt beim brandenburgischen Gesundheitsministerium, dem in der Sendung Nachlässigkeit in der Überwachung vorgeworfen wurde. Das Gesundheitsministerium kommentierte den ARD-Beitrag in einer Pressemeldung: „Die brandenburgischen Behörden überwachen den Umgang mit Arzneimitteln und die Einhaltung der Gesetze streng und gewissenhaft – bei Herstellern, im Großhandel und in den Apotheken.“

Arzneimittelstichproben einwandfrei

So befasse sich die Behörde seit Dezember 2016 mit Lunapharm – seit sie ein Schreiben der polnischen Arzneimittelbehörde erhielt, der Großhändler vertreibe Arzneimittel aus einer Apotheke in Griechenland. Diesen Hinweisen sei die Aufsicht im Landesamt für Arbeitsschutz, Verbraucherschutz und Gesundheit (LAVG) unverzüglich nachgegangen. Denn Apotheken dürfen nach griechischem Recht keine Arzneimittel an Großhändler liefern. Parallel dazu habe die LAVG beim Großhändler Stichproben im Landeslabor Berlin-Brandenburg überprüfen lassen. Die Qualität sei einwandfrei und die Sicherheit der Menschen wäre zu keiner Zeit gefährdet gewesen, erklärte sie. Kontraste hält dem entgegen, dass die Stichproben eigenen Recherchen zufolge nicht unangemeldet durchgeführt wurden und zudem nur sogenannte Rückstellmuster umfassten.

Das Ministerium erklärt weiter, die brandenburgische Behörde habe von dem Vorwurf des Diebstahls erst durch die Presseanfrage der ARD vergangene Woche erfahren. Die Aufsicht hatte Lunapharm lediglich wegen unzulässiger Vertriebswege im Visier. Das Gesundheitsministerium wolle sich diese Anschuldigungen nun von den griechischen Behörden bestätigen lassen.

Kontraste verweist dagegen auf einen der Redaktion vorliegenden E-Mail-Verkehr zwischen der griechischen Arzneimittelbehörde EOF und dem LAVG. Daraus ergebe sich, dass die griechische Behörde bereits am 27. März 2017 darauf hingewiesen hatte, dass die fraglichen Medikamente nur für den Krankenhausgebrauch vorgesehen waren und nicht in Umlauf hätten gebracht werden dürfen. „Es ist ein Indikator, dass diese Produkte illegal aus dem Krankenhaus entnommen worden sind“, schrieb die griechische Behörde laut Kontraste an das LAVG.

Ermittlungen begannen mit anonymem Brief

Die Ermittlungen kamen im Oktober 2016 in Griechenland ins Rollen, weil die griechische Justiz einen anonymen Brief erhielt, in dem das brandenburgische Unternehmen Lunapharm, das niederländische Unternehmen Dr. Fischer-Farma und griechische Firmen der Hehlerei bezichtigt wurden. Im Dezember 2016 erhielt die Staatsanwaltschaft Potsdam ein Rechtshilfeersuchen von der Staatsanwaltschaft Athen, das DAZ.online vorliegt. Seit Januar 2017 ermittelt die Staatsanwaltschaft Potsdam nach eigenen Angaben wegen Hehlerei und Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz gegen den Pharmagroßhändler Lunapharm und eine weitere Person. Ob auch gegen das niederländische Unternehmen ermittelt werde, dazu wollte sich die Staatsanwaltschaft nicht äußern, um die Ermittlungen nicht zu gefährden.

Verteidiger: „Ablenkung vom griechischen Novartis-Skandal“

Die Verbindung zu der griechischen Apotheke ergab sich im weiteren Verlauf der Ermittlungen. Für die griechischen Behörden ist der in Deutschland lebende Mohammed H., der in die griechische Apotheke investiert hatte, der mutmaßliche Drahtzieher. H. sitzt seit Mai 2018 in Griechenland in Untersuchungshaft. Zu Unrecht, findet sein Verteidiger Gunter Kowalski. „Es gibt keine Belege, dass Medikamente gestohlen wurden. Die Anschuldigungen gegen meinen Mandanten beruhen einzig und allein auf einem anonymen Brief, den die griechische Justiz vor knapp zwei Jahren erhielt“, erklärte Kowalski gegenüber DAZ.online.

So werde in dem anonymen Brief behauptet, alle teuren Medikamente in Griechenland seien vom Handel ausgeschlossen und daher seien alle Packungen, die im Ausland auftauchten, gestohlen. Doch laut der griechischen Überwachungsbehörde EOF seien diese Medikamente nach wie vor auf dem freien Markt. Weder seitens der griechischen Behörden noch von der europäischen Arzneimittelagentur gebe es Meldungen zu gestohlenen Arzneimitteln. „Ich vermute, die griechischen Behörden möchten von dem Korruptionsskandal um Novartis ablenken, der dieses Frühjahr publik wurde“, erklärte der Verteidiger. In Griechenland stehen aktuell tausend Ärzte und zehn hochrangige Politiker unter Verdacht, sich von Novartis bestechen haben zu lassen.



Dr. Bettina Jung, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online
redaktion@daz.online


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