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So heiß wie es jetzt ist, so heiß wird es auf dem diesjährigen Apothekertag in München im Oktober. Zumindest gefühlt. Denn: Spahn kommt und bringt sein Maßnahmenbündel mit, wie’s mit den Apotheken weitergehen soll. Da blüht uns was. Derweil versucht der Großhandel mit einem Whitepaper sein Fixum zu erhöhen und festzuzurren, die FDP will einen Strukturfonds für Landapos, und der Apothekerverband und die Krankenkassen ringen um marktgerechte Preise für Rezeptursubstanzen. Also eine ganz normale, heiße Woche. Abkühlung bringt ein Gläschen Sekt für fünf Jahre Notdienstfonds – reibungslos.
30. Juli 2018
Das war ja zu erwarten: Die Kritik nehmen die Macher des Honorargutachtens, das sie im Auftrag des Wirtschaftsministeriums ausarbeiteten, nicht einfach so hin. Sie legen nach. Die Honorargutachterin Iris an der Heiden von der Agentur 2hm nimmt die Gelegenheit wahr, in der Zeitschrift G+G Wissenschaft des Wissenschaftlichen Instituts der AOK – wo sonst – ihren Standpunkt zu unterstreichen. Sie meint: Das Rx-Versandverbot ist nicht die Problemlösung für Apotheken. Sie fordert vielmehr einen Strukturfonds für wirtschaftlich gefährdete Apotheken. Sie geht davon aus, dass viele Apotheken – sie geht von 7600 aus – wirtschaftlich nicht mehr zu retten seien. Mit 100 Mio. Euro jährlich könnten alle Landapotheken mit Umsätzen bis 2 Mio. Euro einen Überschuss von jeweils 100.000 Euro erzielen. Mein liebes Tagebuch, Zuschüsse für Landapos? Das muss man sich mal ausmalen: Allein die Abgrenzung und die Frage, wer noch Landapotheke ist und wer nicht und ab wann man eine hilfsbedürftige Apotheke ist, lässt sich nur mit Hauen und Stechen durchführen. Und wie lange soll subventioniert werden? Und dann wird das den Kassen und der Politik zu teuer und man beschließt, dass man die Hälfte der Apotheken über die Wupper lässt und so weiter und so fort – nein, man kann sich das nicht Ausmalen. Eine solche Denke, die zudem darauf hinausläuft, den Rx-Versand zu rechtfertigen, und die damit voll auf Kassenlinie liegt, ist schon mega-schräg. Vielleicht machen wir es mal wie die Bauern-Lobby: Wir fordern mal 1 Milliarde Euro als Ausgleich für die gefährdete Apothekenstruktur – die Arzneimittelversorgung ist mindestens so wichtig wie die Lebensmittelversorgung. Nein, im Ernst: Solche Ansichten kommen heraus, wenn man Fachfremde mit Gutachten zum Arzneimittel- und Apothekenmarkt beauftragt. Sie werden in die Welt gesetzt, werden von den Kassen verbreitet – und die ABDA sagt immer noch nichts dazu. Dabei gibt es einen Stab an Externen, die sicher bereit wären, ihr hervorragendes Argumentationsmaterial zur Verfügung zu stellen…
Nach dem Skonto-Urteil will das Bundesgesundheitsministerium für Klarheit sorgen: Mit dem geplanten Terminservice- und Versorgungsgesetz von Minister Spahn soll der Großhandel seinen Festzuschlag von 70 Cent erheben müssen und darf ihn nicht für Rabatt oder Skonto einsetzen. Für den Wettbewerb stünde dem Großhandel nur der Zuschlag von 3,15 Prozent und höchstens 37,80 Euro zur Verfügung. DAZ-Wirtschaftsexperte Müller-Bohn hat sich den Wortlaut des Gesetzentwurfes angesehen und findet, dass auch mit diesem Gesetz noch Auslegungsfragen offen wären, zumal das Entscheidende, was mit dem Gesetz erreicht werden soll, nur in der Begründung und nicht im Wortlaut der Verordnung steht. Mein liebes Tagebuch, da fragt sich doch der interessierte Laie: Hat das Ministerium keine Juristen, die einen Gesetzestext eindeutiger formulieren können? Und wenn es dann tatsächlich so kommt: Was bedeutet es für Apotheken, wenn alle Nachlässe des Großhandels an Apotheken bei 3,15 Prozent auf den Abgabepreise des pharmazeutischen Unternehmers gedeckelt würden? Für manche könnte es schmerzlich werden. Geht das dann in Richtung natürliche Auslese…
31. Juli 2018
Die FDP hat es uns mehrfach wissen lassen: Sie ist gegen ein Rx-Versandverbot. Sie will stattdessen einen Strukturfonds für Landapotheken. Und klar, das Fremd- und Mehrbesitzverbot soll auch gleich mit abgeschafft werden. So weit, so schlecht und alles typisch FDP. In einer kleinen Anfrage an die Bundesregierung wird diese Denke nun ausgebaut: Die FDP will die Bundesregierung mit Fragen zu den Handelsbeziehungen mit den Niederlanden darauf aufmerksam machen, ob ein Rx-Versandverbot nicht im Widerspruch zum freien Warenverkehr und dem europäischen Richtlinien für den Internethandel stehe. Mein liebes Tagebuch, da zieht die FDP alle Register und macht sich sogar Sorgen um den Handel mit den Niederlanden. Ach, du meine Güte! Wie wär’s denn mal mit ein bisschen mehr Respekt vor den deutschen Apotheken und ihrer Leistung? Zählt für die FDP das Wohl der pseudoniederländischen Versender mehr als das von 19500 Vor-Ort-Apotheken? Übrigens, die Antwort der Bundesregierung auf diese Anfrage war, wie zu erwarten, nebulös und vage: Man wolle sich für ein Rx-Versandverbot einsetzen, aber der Meinungsbildungsprozess sei noch nicht abgeschlossen. Bla bla bla, ist langsam unerträglich.
Eine einfache Geburt war’s seinerzeit nicht. Aber die Mühen und Wehen haben sich gelohnt: Der mittlerweile fünf Jahre alte Nacht- und Notdienstfonds hat allen Grund zu feiern. Die damalige Bundesregierung mit Daniel Bahr als Gesundheitsminister (ja, damals hatte die FDP noch Sachverstand und Verständnis für Apotheken), hat mit dem Apothekennotdienstsicherstellungsgesetz (ANSG) eine zielgerichtete Fördermaßnahme für den von manchen Apothekers nicht sonderlich geliebten Nachtdienst geschaffen, bisher einmalig in der Struktur. Über den Nachtdienst mag zwar immer noch der eine oder andere jammern, immerhin wird er jetzt ein wenig versüßt. 565 Mio. Euro wurden in den fünf Jahren über den Festzuschlag von 16 Cent pro Arzneipackung eingenommen und 554 Mio. Euro an die Apotheken ausgeschüttet, nach Abzug von 11 Mio. Euro Verwaltungskosten. 269 Euro durchschnittlich werden pro Nachtdienst an eine Apotheke ausgeschüttet. Der Geschäftsführer des Nacht- und Notdienstfonds (NNF), Rainer Gurski, spricht von viel „Leidenschaft und Herzblut“, mit denen der NNF sein Team und er die Apotheken unterstützt habe. Mein liebes Tagebuch, in der Tat, die Apotheken konnten sich immer auf den NNF verlassen, auf die sachgerechte Verarbeitung der Daten und die Auszahlungen. Da darf man schon mal dran erinnern. Und nicht zu vergessen, was Gurski am Ende seiner Mitteilung sagt: „Eine Überprüfung des Festzuschlags zur Finanzierung der Notdienstpauschalen wäre nach nunmehr fünf Jahren an der Zeit.“ Wie wahr, mein liebes Tagebuch!
1. August 2018
Den Großhandels-Festzuschlag von 70 auf 96 Cent anheben und rechtssicher fixieren, so dass keine Rabatte darauf gegeben werden dürfen. Außerdem soll eine jährliche dynamische Anpassung des Festzuschlags eingeführt werden. Das sind die Kernforderungen des Großhändlers Gehe. Seinen Forderungskatalog hat er in einem politischen Whitepaper niedergeschrieben, mit ausführlicher Begründung, und es an die Abgeordneten des Bundestages gesandt. So geht Lobbyarbeit. Der Großhändler wehrt sich zudem – zurecht – gegen Vorschläge für verminderte Lieferfrequenzen des Pharmagroßhandels. Mein liebes Tagebuch, das passt nicht zum freien Handel, sondern eher in eine Planwirtschaft. Wie oft eine Apotheke beliefert werden soll oder will, ist Verhandlungssache zwischen Großhändler und Apotheke. Warum der Festzuschlag gerade auf 96 und nicht auf 95 oder 97 oder sonstwas steigen soll, geht aus dem Papier nicht hervor. Grund für Gehes Aktivitäten: Die Gesamtvergütung des Großhandels sei derzeit „nicht auskömmlich“. Nett formuliert, mein liebes Tagebuch. Da fällt mir ein anderer Marktbeteiligter ein, dessen Gsamtvergütung schon seit Jahren nicht auskömmlich ist: die von uns Apothekern. Nur, ich vermisse ein „Whitepaper“. Wäre das nicht mal eine schöne Sommeraufgabe für unsere ABDA: Ein Whitepaper, in dem alle unsere Forderungen und Überlegungen mit Begründungen niedergeschrieben sind? Dann hätten wir endlich mal eine Diskussionsbasis.
2. August 2018
Valsartan und kein Ende. So langsam klären sich die Hintergründe des Desasters. Und die Politik versucht sich an Konsequenzen. Sabine Dittmar, Gesundheitspolitikerin der SPD, sieht keinen Anlass für eine größere Reform, wie sie ABDA-Präsident Schmidt eingefordert hatte, und nimmt die Aufsichtsbehörden in die Pflicht. Die Gesundheitsexpertin der Linken, Sylvia Gabelmann, selbst Apothekerin, meint dagegen, die Linke würde sich vor einer größeren Umstellung des Systems nicht scheuen. Sie sieht die Rabattverträge äußerst kritisch, macht sie für großen Preisdruck und für Lieferengpässe verantwortlich. Sie fordert, Rabattverträge abzuschaffen und stattdessen das Festbetragssystem zu schärfen. Mein liebes Tagebuch, das hätte was, in der Tat, fordern kann man das. Mehrheiten dürfte es dafür allerdings kaum geben. Das Wichtigste sei allerdings, so Gabelmann, europäische Regelungen für hochwertig hergestellte Arzneimittel weltweit konsequent durchzusetzen. Schön wär’s. Und wie geht alles weiter? Vermutlich wie immer, wenn Valsartan langsam aus den Schlagzeilen verschwindet.
Unser Bundesgesundheitsminister will die PTA-Ausbildung modernisieren, noch in dieser Legislaturperiode. Da hat er sich was vorgenommen! Die letzte Anpassung der Berufsausbildung erfolgte vor mehr als 20 Jahren – da gibt’s wirklich Reformbedarf. Die Anforderungen an dieses Berufsbild haben sich geändert - davon sind alle überzeugt, die das Berufsbild kennen, auch die Apothekengewerkschaft und der PTA-Bundesverband (BVpta). Und sie wollen bei der Reform mitreden. Spahn will, wie im Koalitionsvertrag vereinbart, das Schulgeld für Gesundheitsberufe streichen. Gut so. Ein Knackpunkt dürfte die Ausbildungsdauer werden: Adexa und BVpta wollen sie von 24 auf 30 Monate verlängern. Das aber will die ABDA nicht, die ebenfalls mitreden will. Mein liebes Tagebuch, mit gesundem Menschenverstand lässt sich das nicht nachvollziehen. Und richtig schlüssige Argumente, warum sie sich dagegen stemmt, kennen wir nicht. Warum sollte man einer pharmazeutischen Fachkraft, wie sie die PTA ist, eine fundierte, 30-monatige Ausbildung verweigern? Ausbildungsstoff gibt es doch wahrlich genug. Die Anforderungen sind gestiegen! ABDA, überleg mal!
3. August 2018
Bekommen wir schon bald realistische Preise für unsere Rezepturausgangsstoffe und den Gefäßen? Gemach, mein liebes Tagebuch, so rasch wird’s wohl nicht gehen. Der Deutsche Apothekerverband (DAV) und der GKV-Spitzenverband stehen derzeit in Verhandlungen darüber, nachdem der DAV Ende Juni die Anlagen 1 und 2 sowie einzelne Wirkstoffe der Anlage 3 der Hilfstaxe gekündigt hat. Eine einvernehmliche Lösung ist nicht in Sicht, auch wenn die Kassenseite Verhandlungsbereitschaft signalisiert hat. Es zieht sich. Sollten sich die Vertragspartner nicht einigen, dann gilt die Arzneimittelpreisverordnung weiter, ohne ergänzende Regeln der Hilfstaxe. Sagt die Apothekerseite. Das würde bedeuten: Die Apotheke nimmt die tatsächlichen Einkaufspreise marktgängiger Abpackungen der Rezeptursubstanzen und schlägt mal ganz cool 90 Prozent bei Zubereitungen und 100 Prozent bei Stoffen drauf. Da käme endlich mal ein ordentlicher Rezepturpreis zustande. Klar, dass das die Kassen anders sehen – sie gehen davon aus, dass die jetzige Hilfstaxe gültig bleibt, bis sie von einer neuen abgelöst würde. Und schon tut sich wieder Konfliktpotenzial auf. Allerdings, war von der Kassenseite zu hören, dass sie eine Verhandlungslösung besser findet als vor die Schiedsstelle zu gehen. Also, mein liebes Tagebuch, dann sollten sie mal richtig offen für Gespräche sein und für angemessene Preise. So einfach ist das. Ende August wird weiter verhandelt.
Er kommt! Unser neuer Gesundheitsminister Jens Spahn hält eine Begrüßungsrede beim diesjährigen Deutschen Apothekertag in München, auf Einladung der ABDA. Das wird heiß! Denn die Erwartungen sind groß, nein riesig! Hat er doch in der Vergangenheit immer wieder durchblicken lassen, beispielsweise in seinen Facebook-Live-Diskussionen, dass er zum Apothekertag ein ganzes „Maßnahmenpaket“ für den Apothekenmarkt vorstellen wird. Da geht es zum Beispiel um die Reform der PTA-Ausbildung, um des Apothekers Honoarar und, ja, ganz klar, um den Versandhandelskonflikt. Spahn steht dem Rx-Versandhandelsverbot bekanntlich skeptisch gegenüber. Man darf gespannt sein, wie er hier eine konfliktfreie Lösung hinbekommen will. Vermutlich wird für die ABDA nicht viel Neues dabei sein: Man hatte sich unter vier Augen getroffen. Man hörte verschiedentlich, dass beide Seiten bereits über die Richtung gesprochen haben sollen, wie man auch ohne Rx-Versandverbot weitermacht, die Preisbindung beibehält und nicht in Rabattschlachten gerät. Wäre ein bisschen die Quadratur des Kreises. Aber offiziell gibt’s dazu noch nichts, man hat vorerst Stillschweigen über das damalige Gespräch vereinbart. Mein liebes Tagebuch, das wird ein heißer Apothekertag werden. Mindestens so heiß, wie es jetzt gerade ist!
7 Kommentare
NN-Fonds
von Heiko Barz am 06.08.2018 um 12:05 Uhr
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PTA ausbildung
von Dr.Diefenbach am 05.08.2018 um 17:55 Uhr
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AW: PTA ausbildung
von Thomas Kerlag am 07.08.2018 um 8:28 Uhr
was nicht erwähnt wird
von Karl Friedrich Müller am 05.08.2018 um 9:54 Uhr
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Heute morgen!
von Ulrich Ströh am 05.08.2018 um 8:52 Uhr
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AW: Heute morgen und die letzten Tage
von gabriela aures am 05.08.2018 um 10:23 Uhr
AW: Temperaturführung/DocMo
von Dr. Christian Meisen am 05.08.2018 um 18:11 Uhr
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