Zytokontrollen in NRW

Apothekentests: Wirkstoffgehalt gut, Mängel bei der Dokumentation

Stuttgart - 10.08.2018, 12:30 Uhr

Stimmte der Gehalt? In allen Zyto-Apotheken in NRW wurden Proben gezogen. (c / Foto: imago)

Stimmte der Gehalt? In allen Zyto-Apotheken in NRW wurden Proben gezogen. (c / Foto: imago)


Die unangekündigte Kontrolle aller Zyto-Apotheken in Nordrhein-Westfalen bis zum 30. Juni dieses Jahres war eine der Maßnahmen, die zur Aufarbeitung des Bottroper-Zytoskandals angekündigt worden waren. Am heutigen Freitag hat das Ministerium die Ergebnisse veröffentlicht. Demnach gab es hinsichtlich Wirkstoffidentität und -gehalt fast nichts zu beanstanden, bei der Dokumentation stellten die Inspektoren jedoch in vielen Fällen Mängel fest.

123 Zytostatika-Proben mit unterschiedlichsten Wirkstoffen hat die nordrhein-westfälische Arzneimitteluntersuchungsstelle im Landeszentrum Gesundheit untersucht. Sie stammen aus den 116 Zytostatika-herstellenden Apotheken im Land und wurden im Zuge der Neuordnung der Apothekenüberwachung unangemeldet gezogen. Seit August 2017 hat sich Nordrhein-Westfalens Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) die Kontrolle der Herstellerbetriebe im Land durch mehrere Erlasse als Konsequenz aus dem Bottroper Zytoskandal, bei dem ein Apotheker jahrelang Wirkstoffe unterdosiert hatte, vorgenommen. Unter anderem sollten bis 30. Juni alle Apotheken, die Zytostatika herstellen, sowohl durch unangemeldete Inspektionen als auch durch unangemeldete Probenentnahmen kontrolliert werden. Die Ergebnisse dieser Inspektionen liegen nun vor.

Demnach sei bei 122 der 123 (99,2 Prozent) gezogenen Proben, die aus der laufenden Produktion (68 Prozent) sowie aus Rückläufern stammten, analytisch nichts zu beanstanden gewesen, heißt es in einer Presseinformation, die das Ministerium am heutigen Freitag herausgegeben hat. Die Zubereitungen entsprachen, was Wirkstoffidentität und -gehalt angeht, den patientenindividuellen ärztlichen Verordnungen. Eine Probe enthielt jedoch offenbar zu wenig Wirkstoff: Die beanstandete Probe habe einen Mindergehalt knapp außerhalb des nach dem allgemein anerkannten Stand der pharmazeutischen Wissenschaft zulässigen unteren Grenzwert aufgewiesen, so das Ministerium. Man habe in der betroffenen Apotheke dann zusätzliche Proben gezogen – ohne weitere Beanstandung. Auch die vor Ort durchgeführte Inspektion habe keine Hinweise auf einen systematischen Fehler ergeben. Von einer Patientengefährdung ist nach Ansicht des Ministeriums nicht auszugehen.

85 Prozent der festgestellten Mängel waren Dokumentationsmängel

Einiges auszusetzen hatten die Kontrolleure jedoch bei der Dokumentation. So seien 85 Prozent der festgestellten Mängel Dokumentationsmängel gewesen, heißt es weiter. Zudem gab es offenbar auch – „in geringem Umfang“ – organisatorische Mängel, sie machten 15 Prozent der Beanstandungen aus. In einem Fall wurde der Apotheke dann tatsächlich die weitere Zytoherstellung bis zur Beseitigung der Mängel untersagt. Die in dieser Apotheke entnommenen und untersuchten Proben haben allerdings laut Ministerium der ärztlichen Verschreibung entsprochen.

Laumann: Eine beanstandete Probe ist immer noch eine zu viel

Gesundheitsminister Laumann zufolge zeigen die Ergebnisse der Überwachung, dass die Herstellung von patientenindividuellen Zytostatika-Zubereitungen im Land qualitativ hochwertig und entsprechend den ärztlichen Verordnungen erfolgt. Hinweise auf systematische Unterdosierungen, wie im Fall des „Bottroper Apothekerskandals“, habe man nicht festgestellt, so der Minister weiter. Dennoch zeigen die festgestellten Mängel, dass Kontrollen zur Sensibilisierung der Apotheken notwendig sind. „Denn eine beanstandete Probe ist immer noch eine Probe zu viel.“

Die zuständigen Behörden werden sich weiterhin durch unangekündigte Inspektionen und unangekündigte Probenuntersuchungen davon überzeugen, dass die Vorschriften des Arzneimittel- und Apothekenrechts beachtet werden, kündigte Laumann an. 

Richter hatte Aufsicht kritisiert

Außer dieser intensiveren Überwachung der Herstellung patientenindividueller Zytostatikazubereitungen, die per Erlass geregelt worden war, sieht das Land NRW anscheinend keinen Handlungsbedarf. Der Vorsitzende Richter Johannes Hidding, der den sogenannten Zytoapotheker vor kurzem zu zwölf Jahren Haft verurteilt hatte, hatte die Aufsichtsbehörden scharf kritisiert. Der Apotheker hätte nicht so lange so handeln können, wenn es eine wirksame Apothekenkontrolle gegeben hätte, sagte er. „Die Geschichte dieses Kriminalfalls ist auch eine Geschichte des Behördenversagens. Die Verantwortung ist so aufgeteilt, dass sie am Ende niemand trägt.“ sagte er.

Vorschläge, was man grundsätzlich anders machen könnte, gibt es durchaus. So hält es die ÖDP-Bottrop für zweckmäßig, dass die Zyto-Herstellung nur noch Universitätskliniken erlaubt sein soll, „um die Möglichkeit einer persönlichen Bereicherung von vornherein auszuschließen“. Auch SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach hatte sich schon im vergangenen Jahr für eine exklusive Herstellung in der Klinik ausgesprochen. „Dort herrscht ein Mehr-Augen-Prinzip, dort sind die Beschäftigten keine Selbstständigen, die Millionen-Gewinne damit machen, sondern Angestellte“, sagte er zur Herstellung in Kliniken. „Im Falle einer Übertretung wären sie auch anklagbar wegen Korruption.“ Dafür sprächen auch wichtige Qualitätsargumente. Nach der Sommerpause wolle er im Gesundheitsausschuss des Bundestags dieses Thema diskutieren. Um verlorenes Vertrauen wiederherzustellen, sei das Wichtigste, dass sich die Apotheker überlegen, wie viel Selbstkontrolle möglich ist, sagte Lauterbach. „Ich würde mir wünschen, dass wir vonseiten der Apothekerkammer entsprechende Vorschläge präsentiert bekommen.“



Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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