„Blutschwämme“

Hämangiome: Ein Betablocker fürs Baby?

Stuttgart - 14.09.2018, 11:15 Uhr

Muss der Blutschwamm am Kopf eines Babys behandelt werden? ( r / Foto: Franziska Krause / stock.adobe.com)

Muss der Blutschwamm am Kopf eines Babys behandelt werden? ( r / Foto: Franziska Krause / stock.adobe.com)


Komplikationen – Wann ein Blutschwamm behandelt werden soll 

Wächst ein Hämangiom schnell, kann es unabhängig von der Lokalisation zu Ulzerationen führen – besonders wenn es in Körperregionen liegt, an denen Reibung entsteht. Ulzerationen bringen das Risiko einer Infektion mit sich und belasten das Kind durch Blutung und Schmerzen. Zudem gibt es weitere Komplikationen und Risikogebiete, die die Behandlung eines Hämangioms notwendig machen.

Auge

Hämangiome im Bereich der Augen sollten frühzeitig einem erfahrenen Augenarzt vorgestellt werden. Denn nicht nur die Augenöffnung kann durch solche Blutschwämme behindert werden. Es kann zu irreversibler Amblyopie (Schwachsichtigkeit) und durch Druck auf den Augapfel zu Anisometropie (Ungleichsichtigkeit) und Astigmatismus (Hornhautverkrümmung) kommen.

Gesicht

Im Gesicht können Spuren der Hämangiome bleiben, die sowohl ästhetisch als auch funktionell belastend sein können. So kann eine Lokalisation im Bereich des Mundes bei der Nahrungsaufnahme behindern und zu dauerhaften Deformierungen der Lippen führen. Auch an Nase und Ohren können Verformungen auftreten. Eine frühzeitige Intervention empfiehlt sich deshalb, wenn das Hämangiom im Bereich von Lippe, Nase oder Ohr angesiedelt ist.

Propranolol bei infantilem Hämangiom

Dass Propranolol gegen infantile Hämangiome wirksam ist, war eigentlich ein Zufallsbefund. In Frankreich behandelten Pädiater ein Kind mit einem ausgedehnten Hämangiom im Nasenbereich. Zur Anwendung kam das damals gebräuchliche Prednisolon. Dieses Kind entwickelte jedoch zusätzlich eine hypertrophe Kardiomyopathie, gegen welche es den Betablocker Propranolol erhielt. Bereits einen Tag später fiel auf, dass das Hämangiom blasser und kleiner wurde. 

Der β-Rezeptoren-Blocker Propranolol hemmt die Wirkung von Adrenalin und Noradrenalin durch kompetitiven Antagonismus an den β-Adrenozeptoren, wodurch der stimulierende Effekt des Sympathikus auf das Herz gedämpft wird. Die Substanz wirkt vor allem antihypertensiv und negativ inotrop, chronotrop und dromotrop. Propranolol zählt zu den nichtselektiven β-Blockern.

Als Wirkungsmechanismus beim infantilen Hämangiom werden Vasokonstriktion, Apoptose und verringerte Angiogenese diskutiert.

Segmentale Hämagniome sollten im Gesicht besonders kritisch betrachtet werden, weil sie mit Fehlbildungen des ZNS, der intra- und extrakraniellen Arterien, des Herzens, der Augen und mit ausgeprägten Sternumspalten (Brustbein) einhergehen können. Liegen segmentale Hämangiome im Bartbereich und ist die Mund-/Rachenschleimhaut betroffen, muss an eine Beteiligung der Luftröhre gedacht werden – auch ohne entsprechende Symptomatik.

Anogenitalbereich

Im Anogenitalbereich besitzen auch vor allem die segmentalen Hämangiome ein hohes Risiko, zu ulzerieren und zu bluten. Infektionen, Schmerzen und Dermatitiden können die Folge sein. (Eine Assoziation mit urogenitalen und analen Fehlbildungen sowie Spina bifida occulat wurde beschrieben.) 

Sehr große und ausgedehnte infantile Hämangiome können zu kardialer Belastung, Kreislauf-, Blutungs- und Infektionskomplikationen und Hypothyreose führen. Vor der Frage, ob ein Hämangiom behandelt werden sollte, muss also der Arzt die Frage klären, ob überhaupt ein infantiles Hämangiom oder ein anderer vaskulärer Tumor oder eine andere vaskuläre Malformation vorliegt. Liegt ein Hämangiom vor, sollte festgestellt werden, in welcher Phase es sich befindet.

Ist die Diagnose Hämangiom gestellt und erscheint der Verlauf (zunächst) unkompliziert, genügt die Beobachtung (Lokalisation am Stamm, Extremitäten). Liegt es jedoch in komplikationsträchtigen Bereichen wie dem Gesicht oder anogenital und wächst, ist eine Therapie erforderlich. Der Zeitschrift Kinder- und Jugendmedizin zufolge sind etwa 10 bis 15 Prozent alle infantilen Hämangiome aufgrund ihrer Lokalisation und damit verbundener Komplikationen therapiebedürftig (Lancet 2017). In der Ausgabe 3/2018 widmete sich die Zeitschrift insbesondere den infantilen Hämangiomen im Lid- und Orbitalbereich.



Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


Das könnte Sie auch interessieren

Alternative zu systemischer Propranolol-Therapie im Test

Topisches Timolol gegen Hämangiome?

Kinderarzneimittel gegen Blutschwämme

Frühzeitiger Erstattungsbetrag für Hemangiol

Frühe Preis-Einigung bei Kinderarzneimittel

Bei Hemangiol geht’s schnell

Ein neues Anwendungsgebiet für einen „alten“ Betablocker?

Weniger Melanom-­Rezidive unter Propranolol

Zweite PUMA-Empfehlung

Hemangiol gegen Blutschwämmchen

BPI: Situation für Kinderarzneimittel muss verbessert werden

Erleichterungen für PUMAs

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.