„Blutschwämme“

Hämangiome: Ein Betablocker fürs Baby?

Stuttgart - 14.09.2018, 11:15 Uhr

Muss der Blutschwamm am Kopf eines Babys behandelt werden? ( r / Foto: Franziska Krause / stock.adobe.com)

Muss der Blutschwamm am Kopf eines Babys behandelt werden? ( r / Foto: Franziska Krause / stock.adobe.com)


Orales Propranolol ist die erste Wahl in der Hämangiom-Therapie

Befindet sich das Hämangiom bei der Diagnose bereits in der Stillstands- oder Regressionsphase, kann eine abwartende Haltung empfohlen werden. Denn bei 80 bis 90 Prozent der Kinder bilden sich Hämangiome spontan zurück. Sind jedoch Komplikationen durch Ulzerationen zu befürchten, ist auch dann eine Therapie sinnvoll.

Entscheiden sich die Eltern gemeinsam mit dem Arzt für die Therapie, sollen mit der Behandlung bestimmte Ziele erreicht werden: Zum einen sollte es zum Wachstumsstopp des Hämangioms kommen. Bei großen Hämangiomen möchte man eine beschleunigte Rückbildung erzielen und/oder funktionelle und ästhetische Probleme verhindern oder beseitigen. Besteht eine Ulzeration, soll diese beschleunigt abheilen.

Lokale Therapie im Schatten der Propranolol-Therapie

Die Therapie des infantilen Hämangioms kann grundsätzlich lokal oder systemisch erfolgen. Lokal stehen die Lasertherapie, die Kryotherapie und die operative Therapie zur Verfügung. „Aufgrund der hervorragenden Wirksamkeit der oralen Propranolol-Therapie bei überschaubaren und beherrschbaren Nebenwirkungen ist die Bedeutung der Lasertherapie in den Hintergrund getreten“, heißt es aber in der Leitlinie.

Die orale Behandlung mit Propranolol stellt bei gegebener Indikation somit das Mittel der ersten Wahl für die Therapie komplizierter infantiler Hämangiome dar – und das laut der deutschen Leitlinie weltweit, seit Entdeckung der Wirksamkeit von Propranolol in dieser Indikation im Jahr 2008. In großen Metaanalysen und zwei großen randomisierten, kontrollierten Studien soll sich eine Ansprechrate von 98 Prozent gezeigt haben. 

Unerwünschte Wirkungen der Propranolol-Therapie

Nebenwirkungen werden zwar in rund 30 Prozent der behandelten Fälle beobachtet, jedoch sind sie temporär und dosisabhängig – und werden in der Leitlinie als „harmlos“ beschrieben: Mehr als 10 Prozent bekommen Schlafstörungen oder Diarrhö, 1 bis 10 Prozent leiden an nächtlicher Unruhe oder bronchialer Obstruktion. Weniger als 1 Prozent entwickeln eine Bradykardie, Hypoglykämie oder Hypotension.

Laut der Zeitschrift Kinder- und Jugendmedizin bestehen theoretische Überlegungen, dass potenziell relevante neurologische und kognitive Nebenwirkungen durch Propranolol möglich sind. Psychologische Nebenwirkungen konnten bislang nicht nachgewiesen werden.

Dauer der Behandlung

Üblicherweise dauert eine Propranolol-Therapie sechs Monate. In ungefähr 17 Prozent der Fälle soll es nach Beendigung der Betablocker-Therapie zwar zu einem erneuten Wachstum des Hämangioms kommen. Jedoch ist das Wachstum begrenzt, sodass es nur selten zu einer erneuten Behandlung veranlasst. Es gilt als möglich, dass eine längere Behandlung – über zwölf Monate – mit einem geringeren Rückfallrisiko verbunden ist.

Vor Therapie-Beginn mit Propranolol sollte als Basisuntersuchung ein EKG durchgeführt werden. Während der Dosissteigerung sollten dann Herzfrequenz, Blutdruck und Blutzucker überwacht werden. Als übliche Dosis gelten 2 bis 3 mg/kg KG/Tag, verteilt auf zwei Gaben. Am Ende ist laut Leitlinie kein Ausschleichen der Therapie notwendig. Laut der Zeitschrift Kinder- und Jugendmedizin erfolgt jedoch am Ende des Behandlungszyklus eine Dosisreduktion über zwei oder vier Wochen.

G-BA vergab erstmals höchste Zusatznutzen-Kategorie an Hemangiol®

Offiziell zugelassen für die Behandlung komplizierter Hämangiome in der Altersgruppe fünf Wochen bis fünf Monate wurde Propranolol im Frühjahr 2014 sowohl durch die US-amerikanische FDA, als auch durch die europäische Arzneimittelbehörde (EMA). Die Markteinführung erfolgte in Deutschland dann zum September 2014. Seitdem ist Propranolol unter dem Markennamen Hemangiol® als Saft mit einer Konzentration von 3,75 mg/ml Propranolol verfügbar. Alternativ kann laut Leitlinie weiterhin eine standardisierte Magistralrezeptur (Propranolol-Hydrochloridsaft 5 mg/ml, NRF 11.142) verordnet werden. 

Im Rahmen der frühen Nutzenbewertung von Arzneimitteln konnte der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) in Berlin im Februar 2015 dann erstmals einen erheblichen Zusatznutzen einem Arzneimittel attestieren – es war Hemangiol®. Bei seinen Bewertungen zum Ausmaß des Zusatznutzens von Arzneimitteln unterscheidet der G-BA unter anderem die Kategorien „gering“, „beträchtlich“ und „erheblich“.



Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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