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Tag der Patientensicherheit
DAV und Ärzteverein: Globuli gehören in die Apotheke
Die Apothekenpflicht für homöopathische Arzneimittel muss bleiben, fordert der Deutsche Zentralverein homöopathischer Ärzte zum heutigen Tag der Patientensicherheit. Denn nur in der Apotheke sei eine qualifizierte Beratung sichergestellt. Diese Ansicht vertritt auch DAV-Chef Fritz Becker. Beim strittigen Thema Evidenz bringen der Apotheker und die Naturheilkunde-Ärzte die Bedeutung der Patienten- und Arztperspektive ins Spiel.
Am heutigen Montag ist Tag der Patientensicherheit. Ein willkommener Anlass für verschiedene Organisationen im Gesundheitsbereich, auf ihre Anliegen aufmerksam zu machen. So erklärt etwa der Deutsche Zentralverein homöopathischer Ärzte (DZVhÄ) in einer Pressemitteilung, dass nur mit der qualifizierten Apothekenberatung die Patientensicherheit in der Homöopathie gewährleistet sei. „Die geforderte Abschaffung der Apothekenpflicht für homöopathische Arzneimittel wäre ein deutlicher Rückschritt“, sagt Cornelia Bajic, erste Vorsitzende des DZVhÄ.
Becker verteidigt Apothekenpflicht
Die Apothekenpflicht für Homöopathika wird kontrovers diskutiert. So erklärten in der vergangenen Woche Josef Hecken, Vorsitzender des Gemeinsamen Bundesausschusses, und SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach gegenüber der Stuttgarter Zeitung, dass es keinen Grund für die Apothekenpflicht oder Erstattungsfähigkeit von Homöopathie gebe. Auch bei den Pharmazeuten gibt es klare Homöopathie-Gegner. Im vergangenen Monat entfernte Apothekerin Iris Hundertmark sämtliche Homöopathie-Arzneimittel aus der Sichtwahl.
Fritz Becker, Vorsitzender
der Deutschen Apothekerverbandes (DAV), ist dagegen anderer Meinung und erklärte vor
wenigen Tagen, ebenfalls gegenüber der Stuttgarter Zeitung, dass die Beratung
über homöopathische Produkte notwendig sei, um auch über die Nebenwirkungen
oder Grenzen aufzuklären. „Wir müssen die Kunden
darauf hinweisen, dass es zum Beispiel nicht ratsam ist, hohes Fieber
ausschließlich mit Kamille zu behandeln. Wenn es den freien Zugriff im
Drogerie-Regal gibt, dann kann durchaus etwas schiefgehen“, so der Apotheker
weiter.
Auch der Augsburger Mediziner Dr. Jörg Haberstock, plädiert dafür, dass Globuli in der Apotheke bleiben. „Das ist für die Anwendungssicherheit erfahrungsgemäß gut, wenn da eine beratende Instanz zwischengeschaltet ist. Zudem sehe ich noch eine weitere Gefahr, wenn sich der Markt für Globuli Richtung Drogerie und Supermarkt öffnet. Denn das kurbelt die Massenproduktion und damit den Preiskampf an. Und den werden nicht diejenigen Firmen gewinnen, die derzeit Homöopathika in hoher Qualität und nahe am Therapieprinzip herstellen“, erklärt der Spezialist für klassische Homöopathie gegenüber DAZ.online. Auch sollten Homöopathika seiner Meinung nach unbedingt den Arzneimittelstatus behalten. Denn die hohen Qualitätsanforderungen, die an die Arzneimittelherstellung gestellt werden, trügen zur Patientensicherheit bei.
Weiter gefasste Definition von Evidenz
Homöopathie-Kritiker bemängeln, dass die Evidenz in der Komplementärmedizin unzureichend sei. In der Naturheilkunde-Debatte werden die Begriffe Evidenz beziehungsweise evidenzbasierte Medizin (EbM) anders betrachtet. So erklärte Becker, Evidenz bestehe „nicht nur im wissenschaftlichen Nachweis, sondern auch in der persönlichen Erfahrung“.
Diese Sichtweise ist nicht frei erfunden. So stützt sich EbM nach der Definition des kanadischen Mediziners David Sackett, einem der Pioniere der modernen Evidenzbasierten Medizin, auf drei Säulen: Die klinische Erfahrung der Ärzte, die Werte und Wünsche des Patienten und den aktuellen Stand der klinischen Forschung. Wenn man sich bei der Bewertung von Therapeutika nur auf die klinische Datenlage fokussiert, würden nicht nur Homöopathika, sondern auch einige ältere bewährte Arzneimittel durchs Raster fallen. Dazu zog Haberstock vor einigen Tagen gegenüber der Augsburger Allgemeinen einen plastischen Vergleich:„…dann hätte man vor 70 Jahren auch Aspirin aus dem Handel nehmen müssen. Denn es war nicht nachgewiesen, wie das Medikament überhaupt funktionieren kann“.
Apotheker können abwägen
Die Zulassungsanforderungen haben sich gewandelt.
Ebenso die technischen Möglichkeiten, Wirkmechanismen nachzuweisen. Wird man
eines Tages mit neuen Technologien sichtbar machen können, wie Homöopathie auf
den menschlichen Körper wirkt – oder eben
nicht? Selbst ein Placeboeffekt, dessen Anteil an der Wirksamkeit von Schmerzmitteln
immerhin auf 30 Prozent geschätzt wird, wäre nicht zu unterschätzen und in
den Händen der Heilberufe vermutlich besser aufgehoben als in Drogerien oder bei Amazon. Bis dahin liegt bei den Apothekern
eine große Verantwortung, die Balance zwischen Kundenwunsch, Hoffnungen aber auch Risiken und Grenzen bei der
Homöopathie zu finden. Und bei der Apothekenpflicht gehe es nicht ums Geld, erklärte Becker gegenüber der Stuttgarter Zeitung. „Im Gesamtumsatz einer Apotheke macht die Homöopathie weniger als ein Prozent aus“, so der DAV-Chef.
Diese naturheilkundliche Disziplin gehört auf jeden Fall (noch) zum therapeutischen Spektrum. Doch diesen Stellenwert sieht Haberstock derzeit in Gefahr. Denn aus seiner Sicht geht es bei der Debatte um die Apothekenpflicht um mehr als um die Verkaufsabgrenzung: „Überhaupt glaube ich, dass man die Forderung nach Aufhebung der
Apothekenpflicht als das sehen sollte, was sie in Wirklichkeit darstellt: Als
ersten Schritt zur vollständigen Beseitigung der Homöopathie aus dem
Gesundheitswesen. Denn sind wir mal ehrlich, das ist ja das eigentliche Ziel
der momentanen Homöopathiekritik: Am Ende sollen oder gar müssen Ärzte,
Apotheker und Arzneimittelhersteller die Finger vom hochgekochten heißen Eisen
Homöopathie lassen, die größten Verluste liegen dann bei den Patienten und
unserem pluralistischen Gesundheitssystem.“
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