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Arzneimittel-Erstattungspreise
EU-Parlament schwächt europäische Nutzenbewertung ab
Das EU-Parlament hat sich dafür ausgesprochen, dass die Arzneimittel-Preisbildung auch künftig in den Kompetenzbereich der Mitgliedstaaten fällt. Die EU-Kommission hatte vor einigen Wochen vorgeschlagen, die Nutzenbewertungssysteme zu vereinheitlichen. Einige Mitgliedstaaten hatten befürchtet, dass die EU auch in die Preisbildung eingreifen will. Das Parlament hat nun Änderungsanträge zu dem Richtlinienentwurf beschlossen, mit denen genau das vermieden werden soll.
Im Januar 2018 hatte die EU-Kommission einen Vorschlag gemacht, der die Nutzenbewertungssysteme aller EU-Länder revolutionieren würde. Konkret geht es um das sogenannte Health Technology Assessment (HTA), bei dem auch der medizinische Nutzen von Arzneimitteln und Medizinprodukten evaluiert wird. Die Kommission hatte in ihrem Richtlinienentwurf vorgeschlagen, dass beim HTA-Verfahren eine engere Zusammenarbeit der Länder eingeführt wird. Die Patienten würden mehr Transparenz über die eingenommenen Arzneimittel erhalten, die nationalen Zulassungsbehörden und die Gesundheitspolitik würden bessere Daten über die Versorgung erhalten und die Hersteller müssten sich nicht länger an verschiedene nationale Zulassungsprozeduren halten, so die Kommission damals in einer Mitteilung.
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Nach den Vorstellungen der Kommission soll sich die Zusammenarbeit über die vier folgenden Gebiete erstrecken: Gemeinsame klinische Nutzenbewertungen, die gemeinsame wissenschaftliche Konsultation von EU-Behörden (beispielsweise durch Hersteller), gemeinsame Analysen über entstehende, neue Therapiefelder sowie die freiwillige Kooperation in weiteren Gebieten. Einige EU-Mitglieder, darunter auch Deutschland, hatten allerdings befürchtet, dass sich die EU auch stärker in die Preisbildung einmischen will und Einfluss auf die Erstattungspreise nehmen will, die hierzulande nach der frühen Nutzenbewertung von Herstellern und dem GKV-Spitzenverband ausgehandelt werden. Konkret hatte die Richtlinie vorgesehen, dass die Ergebnisse der EU-Nutzenbewertung für die Preisfindung in den Mitgliedstaaten genutzt werden müssen. Der Bundestag hatte eine Subsidiaritätsrüge beschlossen und diese an die EU geschickt.
EU-Parlament beschließt mehrere Änderungen
Zumindest im EU-Parlament ist dieser Ruf nach Souveränität bei der Preisgestaltung auch angekommen. Denn das Straßburger Parlament winkte den Entwurf zwar grundsätzlich durch, beschloss aber mehrere Änderungsanträge, die die Kompetenz der Mitgliedstaaten bei der Erstattung und Preisbildung klar betonen. In einer Passage der Richtlinie hatte die EU-Kommission beispielsweise festgehalten, dass die Richtlinie nicht die Souveränität der EU-Mitglieder einschränken soll, wenn es um die Organisation der Gesundheitssysteme und die medizinische Versorgung geht. Das EU-Parlament hat nun mehrheitlich die folgende Ergänzung beschlossen: „Außerdem soll diese Regelung nicht in die exklusive nationale Kompetenz der EU-Mitgliedstaaten eingreifen, nationale Preis- und Erstattungsentscheidungen zu treffen.“
Das Parlament stellte außerdem in weiteren Änderungsanträgen klar, dass auf Ebene der Mitgliedstaaten ergänzende Studien eingebracht werden können, um den Preis beziehungsweise den Erstattungsbetrag zu ermitteln. Dies könnte etwa der Fall sein, wenn der entsprechende medizinische Standard in dem jeweiligen Land durch die Prüfung der Vergleichstherapie auf europäischer Eben nicht ausreichend abgedeckt wurde.
Hersteller fordern Nutzungspflicht weiterhin ein
Trotzdem spricht sich das Europaparlament grundsätzlich dafür aus, die Nutzenbewertungsverfahren stärker zusammenzurücken. Ziel sei es, doppelte Bewertungen eines Arzneimittels oder Medizinproduktes zu vermeiden, heißt es in einer Mitteilung des Parlamentes. Die Parlamentarier stellen sich Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten so vor: „Die neue Richtlinie hat zum Ziel, die Kooperation zwischen den Mitgliedern bei den Nutzenbewertungen (HTA) zu fördern, indem eine Prozedur definiert wird, nach der die Staaten auf freiwilliger Basis gemeinsame Bewertungen vornehmen können. Die Regelung betrifft Aspekte wie etwa das Teilen von Daten, die Einberufung von Koordinationsgruppen, das Vermeiden von Interessenkonflikten bei Experten sowie die Veröffentlichung von Ergebnissen der gemeinsamen Arbeit.“
Laut Parlamentsmitteilung haben 576 Parlamentarier dem Richtlinienentwurf samt Änderungen zugestimmt, bei 56 Gegenstimmen und 41 Enthaltungen. Das Vorhaben muss nun nochmals mit den EU-Ministern (Ministerrat) abgesprochen werden. Diese können dann Stellung beziehen, dann wandert das Vorhaben in einer zweiten Lesung ins EU-Parlament, wo erneut Änderungen beschlossen werden können. Gibt es erneute Änderungen, muss der Ministerrat nochmals zustimmen. Tut er das nicht, wird ein Vermittlungsausschuss einberufen – zwischen Parlamentsvertretern und dem Rat. Gibt es auf EU-Ebene einen Beschluss, müssen die EU-Länder diesen Beschluss innerhalb einer gewissen Frist in nationales Recht umsetzen.
Peter Liese: Doppelarbeit vermeiden
Auch der CDU-Politiker Peter Liese, gesundheitspolitischer Sprecher der größten Fraktion im Europäischen Parlament (EVP-Christdemokraten), begrüßt den Entwurf grundsätzlich, weil „unnötige Doppelarbeit“ so vermieden werden könne. Und weiter: „Es kann aus wissenschaftlicher Sicht nicht sein, dass ein Medikament in Deutschland das Leben im Schnitt um acht Monate verlängert, aber in Frankreich nur um einen Monat. Ich freue mich daher über die breite Unterstützung. Dies ist im Interesse der Patienten, der Mitgliedstaaten und der Hersteller. Die Mitarbeiter, die diese unnötige Doppelarbeit leisten, können nämlich viel besser in der Forschung und Entwicklung eingesetzt werden.“ Liese begrüßte aber auch die klare Abgrenzung in Sachen Preisbildung: „Wir müssen streng darauf achten, dass die Kompetenzen der Mitgliedstaaten beachtet werden. Für die Frage, ob ein Medikament erstattet wird, ist nicht Europa, sondern das nationale Gesundheitswesen zuständig.“
EFPIA: Mitglieder sollten ihrer eigenen Arbeit vertrauen
Auch der europäische Pharmaverband EFPIA begrüßte den Beschluss des EU-Parlamentes. Nathalie Moll, Generalsekretärin des EFPIA, sagte: „Es macht Sinn, die Kräfte zu vereinen und eine qualitativ hochwertige Nutzenbewertung für Europa zu schaffen. Das wird zu besseren Entscheidungsfindungen führen, wovon letztlich Patienten in der ganzen EU profitieren.“ Die Pharma-Branche hatte sich schon nach dem Erscheinen des Richtlinienentwurfes dafür stark gemacht, dass die dort vorgesehene Nutzungspflicht der EU-Nutzenbewertung auch wirklich umgesetzt wird. Dass die EU-Staaten nun weiterhin eigene, souveräne Nutzenbewertungen durchführen können, stört den EFPIA. Moll sagte dazu, dass die Mitgliedstaaten schließlich in den Koordinationsgruppen auf EU-Ebene sitzen würden. „Daraus sollte man schlussfolgern, dass die Mitglieder Vertrauen in ihre eigene Arbeit und die ihrer Kollegen haben.“
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