Anfrage zu Valsartan

Linke für Valsartan-Entschädigungsfonds

Berlin - 11.10.2018, 14:50 Uhr

Sylvia Gabelmann will nicht, dass der Valsartan-Skandal finanziell auf Patienten und Apothekern lastet.  (Foto: Linke)

Sylvia Gabelmann will nicht, dass der Valsartan-Skandal finanziell auf Patienten und Apothekern lastet.  (Foto: Linke)


Apotheker sollen für verunreinigte Valsartan-Präparate gegenüber den Patienten einstehen – und zwar egal ob diese privatversicherte Selbstzahler sind oder Mitglieder einer gesetzlichen Krankenkasse. Das macht das Bundesgesundheitsministerium in einer Antwort auf eine schriftliche Anfrage der Abgeordneten Sylvia Gabelmann (Linke) deutlich. Sie verweist allerdings auch auf die Rückgriffsrechte, die Apotheken dann wiederum gegenüber ihren Verkäufern zustehen – wenn sie diese rechtzeitig geltend machen.

Kürzlich hatte das Bundesgesundheitsministerium eine recht umfangreiche Kleine Anfrage der AfD-Fraktion rund um die Causa Valsartan beantwortet. Bei der Frage, ob Privatpatienten, die selbst für ihre verunreinigtes Valsartan-Präparat gezahlt haben, den Schaden vom pharmazeutischen Unternehmer ersetzt bekommen, verwies Gesundheits-Staatssekretärin Sabine Weiss auf die Apotheken, in denen das Arzneimittel gekauft wurde. Diesen gegenüber könnten die Patienten als Vertragspartner eines Kaufvertrags Gewährleistungsansprüche geltend machen. Das heißt, sie könnten in erster Linie verlangen, ein neues mangelfreies, also „sauberes“ Medikament zu erhalten.

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Diese Aussage hatte bei Apothekern für Unverständnis gesorgt. Rechtlich lässt sich daran aber kaum rütteln: Selbstzahlende Privatpatienten können sich tatsächlich auf das im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) geregelte Kaufrecht stützen. Dieses sieht gewisse Ansprüche vor, wenn eine Kaufsache mit einem Mangel verkauft wurde. Und Valsartan-Präparate, die eine möglicherweise krebserregende Verunreinigung aufweisen, dürften durchaus als mangelbehaftet anzusehen sein. Und zwar in dem Sinne, als dass sie nicht eine Beschaffenheit aufweisen, „die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann“ (§ 434 Abs. 1 Nr. 2 BGB).

Keine Aussage traf Weiss allerdings dazu, welche Ansprüche dann wiederum die Apotheken haben. Diese haben die Arzneimittel schließlich ebenfalls gekauft, in der Regel beim Großhandel. Sie können daher auf ihre Verkäufer Rückgriff nehmen. Nicht gestellt war zudem die Frage, wie es mit den Ansprüchen gesetzlich Versicherter aussieht.

Sylvia Gabelmann, Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag für Arzneimittelpolitik, hat dies nun nachgeholt. Sie wandte sich mit einer einzigen schriftlichen Frage an das Bundesgesundheitsministerium:


Welche Rechte haben nach Kenntnis der Bundesregierung die Beteiligten in der Lieferkette vom Hersteller bis zur Apotheke, wenn (wie im Fall Valsartan) mangelhafte Arzneimittel verkauft wurden, und wie können diese Rechte geltend gemacht  werden, wenn gesetzlich oder privat versicherte Patientinnen und Patienten ihr mangelhaftes Valsartan-Präparat in der Apotheke zurückgeben?“

Sylvia Gabelmann (Linke)


Diesmal führe die Staatssekretärin in ihrer Antwort zahlreiche Paragrafen aus dem Schuldrecht an. Konkret schrieb sie:


Da den Arzneimittellieferungen zwischen Apothekern, Arzneimittelgroßhändlern und pharmazeutischen Unternehmern schuldrechtliche Kaufverträge zu Grunde liegen, richten sich die Rechtsansprüche bei Mängeln der gekauften Ware, sofern zwischen den Beteiligten nichts anderes vereinbart worden ist, grundsätzlich nach den §§ 437 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Einer Apotheke, die wie im Fall von Valsartan Mängelansprüchen von Kunden – etwa auf Lieferung neuer mangelfreier Arzneimittel – ausgesetzt ist, stehen ihrerseits Mängelansprüche gegen ihren Lieferanten zu (§§ 439, 445a Absatz 1 und 2 BGB). Entsprechende Ansprüche haben auch die übrigen Käufer in der Lieferkette gegen ihren jeweiligen Verkäufer (§ 445a Absatz 3 BGB). Für die oben genannten Personen handelt es sich um Handelsgeschäfte im Sinne des § 343 des Handelsgesetzbuchs (HGB), sodass zusätzlich § 377 HGB zu beachten ist. Jeweilige Rechtsansprüche sind auf dem Zivilrechtsweg geltend zu machen.“

Staatssekretärin Sabine Weiss


Gabelmann: Schlampereien bei der Kontrolle nicht auf dem Rücken von Patienten und Apotheken austragen

Das heißt nichts anderes, als dass die Kunden sich an die Apotheken halten können und diese sich wiederum an diejenigen, die ihnen die verunreinigten Arzneimittel verkauft haben. Dabei sind allerdings auch die handelsrechtlichen Vorschriften zu beachten. Danach hat bei einem Handelsgeschäft (wie zwischen Apotheke und Großhandel), der Käufer „die Ware unverzüglich nach der Ablieferung durch den Verkäufer, soweit dies nach ordnungsmäßigem Geschäftsgange tunlich ist, zu untersuchen und, wenn sich ein Mangel zeigt, dem Verkäufer unverzüglich Anzeige zu machen“. Zeigt sich später ein solcher Mangel, so muss „die Anzeige unverzüglich nach der Entdeckung gemacht werden; anderenfalls gilt die Ware auch in Ansehung dieses Mangels als genehmigt“ (§ 377 HGB).

Gilt für privat und gesetzlich-Versicherte wirklich das Gleiche?

Erstaunlich ist allerdings, dass Weiss bei ihrer kurzen Antwort nicht zwischen privat- und gesetzlich Versicherten unterscheidet. Denn der Erwerb eines Arzneimittels in der Apotheke für einen gesetzlich Versicherten ist gerade kein klassischer Kaufvertrag. Hier spielt bekanntlich auch das Sozialrecht eine entscheidende Rolle. Und weil das so ist, können Krankenkassen beispielsweise auch auf Null retaxieren, obwohl die Apotheke eine mangelfreie Sache an den Versicherten abgegeben hat (aber z.B. einen Rabattvertrag nicht beachtet hat). Im normalen Kaufrecht wäre das undenkbar. Sicherlich sind diese Fragen juristisch diskutabel – aber sicher auch nicht so leicht zu beantworten, wie es die Staatssekretärin getan hat.

Und welche Verantwortung trifft Hersteller und Behörden?

Auch die Arzneimittelexpertin der Linken Sylvie Gabelmann ist nicht wirklich zufrieden mit der Antwort – nicht zuletzt aus rein praktischen Gründen: Denn auf mögliche Probleme bei der Durchsetzung dieser Rechtsansprüche gehe die Bundesregierung genauso wenig ein wie auf eine Teil-Verantwortung durch die Zulassungsbehörden. „Schließlich sind die verunreinigten Produkte, die dann über die Apotheken zu den Patient*innen gelangt sind, zuvor von Behörden zugelassen und mit einem Eignungszertifikat versehen worden.“ Doch Hersteller, Aufsichts- und Zulassungsbehörden haben jahrelang nichts von der Verunreinigung bemerkt.

Gabelmann verweist darauf, dass die zurückgerufenen Blutdruckmittel in Deutschland von rund 900.000 Patienten eingenommen wurden. Neben den möglichen schweren gesundheitlichen Gefährdungen gehe es auch um einen enormen finanziellen Schaden. „Hier darf sich die Bundesregierung nicht einfach aus der Mitverantwortung stehlen“, so Gabelmann. Sie schlägt vor, Wege zu prüfen, wie einen Entschädigungsfonds, in den die öffentliche Hand gemeinsam mit dem Wirkstoffhersteller aus China einzahlen. So könnte für eine schnelle und unbürokratische Entschädigungsregelung gesorgt werden. Schlampereien bei Herstellung und Kontrolle dürften jedenfalls nicht auf dem Rücken von Patienten und Apothekern ausgetragen werden.



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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