Kommentar

Dispensierrecht für Ärzte führt AMTS-Bemühungen ad absurdum

Stuttgart - 19.10.2018, 17:00 Uhr

Das Vier-Augen-Prinzip hat sich bei ärztlichen Verordnungen bewährt. (s/Foto: imago)

Das Vier-Augen-Prinzip hat sich bei ärztlichen Verordnungen bewährt. (s/Foto: imago)


Reflexartig auf den Vorschlag von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, er könne sich Impfungen in der Apotheke vorstellen, folgte die Forderung der Hausärzte nach einem ärztlichen Dispensierrecht. Bei ärztlichen Verordnungen das Vier-Augen-Prinzip aufzubrechen, würde allerdings alle Bemühungen um mehr Arzneimitteltherapiesicherheit ad absurdum führen, findet DAZ.online Chefredakteurin Julia Borsch.

Arzneimitteltherapiesicherheit, kurz AMTS, ist in aller Munde. Zahlreiche Initiativen und Projekte sollen dazu dienen, diese zu verbessern: Apotheker auf Station, Medikationsanalysen und nicht zuletzt der bundeseinheitliche Medikationsplan, der aber offenbar von den ärztlichen Kollegen nicht besonders aktiv vorangetrieben wird. Ein ärztliches Dispensierrecht, wie es gestern reflexartig auf den Vorschlag von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), Apotheker könnten doch impfen, gefordert wurde, würde allerdings all diese Bemühungen ad absurdum führen.

Das etablierte Vier-Augen-Prinzip – Arzt verordnet, Apotheker schaut noch einmal drauf – würde damit über den Haufen geworfen. Eine AMTS-Maßnahme, die so selbstverständlich ist, dass sie überhaupt nicht als solche wahrgenommen wird, würde damit wegfallen. Gleichzeitig steckt man aber bergeweise Geld in Projekte zur Verbesserung der AMTS. Geht’s noch?

Jeder Apotheker kann mehr als eine Geschichte erzählen, in denen in der Apotheke Fehler aufgedeckt wurden – von einem falschen Einnahmehinweis über Fehldosierungen bis zu ganz verkehrten Arzneimitteln. Im manchen Fällen wurden sogar Leben gerettet. Und dabei geht es keinesfalls um Kontrolle, sondern um Zusammenarbeit im Sinne der Patientensicherheit. Wer da aus Standesdünkel und Angst um eigene Pfründe das Dispensierrecht für Ärzte fordert, hat das offensichtlich nicht verstanden. Darüber hinaus gibt es weitere gute Gründe dafür, dass Arzneimittelabgabe und ärztliche Tätigkeit getrennt sind. Auf die verweist auch ABDA-Präsident Schmidt in seinem Statement: Die Trennung schütze den Arzt davor, in seiner Therapieentscheidung durch wirtschaftliche Erwägungen kompromittiert zu werden, heißt es dort.

Wenn man über die Impfung in der Apotheke diskutiert beziehungsweise warum man das für keine gute Idee hält, sollte man das sachlich tun, aber nicht mit abgedroschenen Totschlagargumenten, die am allerwenigsten dem Patienten nützen. 


Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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3 Kommentare

Nebelkerzen

von Karl Friedrich Müller am 20.10.2018 um 8:50 Uhr

mal abgesehen davon, dass hier nur eine gekünstelte Erregungsmaschinerie abläuft,
geht es doch in bestimmten Kreisen überhaupt nicht (mehr) um Qualität im Gesundheitswesen.
Absahnen, Gewinne; Aktienkurse, Dividenden, Pfründe
Zerstörung der Strukturen, um noch mehr Gewinn zu erzielen
Da sind Politiker wie Spahn in vorderer Reihe mit dabei, nicht zu vergessen: Lauterbach.
Die Beiträge der Versicherten werden veruntreut, weil man erkannt hat, dass es im Gesundheitswesen noch hohe Renditen zu erwirtschaften gelingt. Spahn erhöht den Beitrag der Pflegeversicherung, der 1:1 in den Taschen der "Investoren" verschwinden wird.
dann kommt ein kleiner Arzt daher und fühlt sich in seinen Ego gekränkt ob eines Vorschlags, der haltlos ist und nicht mal von uns stammt. Und klar. hier ginge "schnelles Geld" verloren.
Grabenkämpfe der letzten Mohikaner im Gesundheitswesen, absurd. Statt dass man mal erkennt, was hier abläuft: Ein perfides Spiel, die Akteure an der Front gegeneinander auszuspielen, um zu vertuschen, was wirklich beabsichtigt ist.

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Glashaus hoch drei

von Wolfgang Müller am 19.10.2018 um 22:20 Uhr

Es ist doch noch nicht einmal zu erkennen, ob "Die Hausärzte" gerade ernsthaft "Das Dispensierrecht" fordern oder uns einfach nur ein bisschen verarschen. Wg. "Impfen" und "Neuen Paramedizinischen Dienstleistungen" statt "stabiles Fixhonorar". Was wir leider verdient hätten .....

Und schon wird hochnotpeinlich die Entrüstungsmaschinerie gestartet: Böse, böse, Hausärzte, wie können sie bloß die unbedingt notwendige Trennung zwischen Arzneitherapie-Entacheidung und Verdienst am Arzneimittelverkauf auflösen wollen! Welch eine Gefahr für "AMTS"!

Zum Piepen, wenn man nicht geflissentlich ignoriert, dass das aus derselben Richtung kommt, aus der auch gerne vorgeschlagen wird, dass am besten Hausapotheker von eingeschriebenen, hochprofitablen Selektivvertrags-Chronikern die ärztliche Arzneitherapie maßgeblich mitbestimmen sollten! Am besten mit Freigabe- bzw. Sperr-Befugnis. Gerade WEGEN "AMTS".

"Hier noch ein Statin dazu, wie konnten Sie das nur vergessen, Herr Doktor, die Leitlinie, Ihnen etwa nicht bekannt, Big Pharma war grad bei mir in der Apotheke und hat mich da nochmal drauf hingewiesen. das auszuschöpfen" (genau so Realität in "AMTS"-USA)?

Ich weiß, so rum will das keiner sehen. Muss man auch nicht, solange man unter Seinesgleichen bleibt, beim kommunizieren und publizieren.

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Aber warum so ...

von gabriela aures am 19.10.2018 um 20:39 Uhr

...hochgestochen argumentieren ?

Liebe Leute, laßt die Ärzte mal mit großem Getöse dispensieren.
1. Woher kommt die Ware ? Wegen Antikorruption sicher nicht mehr aus dem Kofferraum des AD'lers. Also Rezept (Sprechstundenbedarf) ausstellen und in der Apotheke einlösen.
2. Was macht HEUTE der Arzt ab 22.00 Uhr : er ruft evtl. in der Apotheke an, daß Herr/Frau Müller kommen, um sich gegen Barzahlung ein Cefuroxim zu holen.

3. Was macht der Arzt mit Dispensierrecht: er muß in seinem Koffer wühlen, weil Patient/in Müller bei ihm in der Praxis/im Wohnzimmer stehen und irgendein noch vorhandenes ein Antibiotikum brauchen.

4.Abrechnungschaos am Quartalsende

5.Juni 2019 : von den Ärzteorganisationen wird massiv ENDLICH das längst überfällige Ende der Verpflichtung zum Dispensieren gefordert.

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