DAZ.online-Wahlcheck (Teil 1)

Was sagen die Parteien in Hessen zum Fremdbesitz und zur Apothekenpflicht?

Berlin - 23.10.2018, 07:00 Uhr

(Bild: RRF / stock.adobe.com | Foto Drogeriemarkt: Imago)

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Nach den Ergebnissen der Landtagswahl in Bayern geht es bei der Hessen-Wahl insbesondere für CDU und SPD darum, eine erneute Wahlschlappe zu vermeiden. Die Umfragen deuten aber auch in Hessen darauf hin, dass es Veränderungen in den Machtverhältnissen geben könnte. Aber wie stehen die Parteien in Hessen zum Apothekenmarkt? Im ersten Teil des DAZ.online Wahlchecks haben wir CDU, SPD, Grüne, Linke, FDP und AfD nach Stellungnahmen zum Mehr- und Fremdbesitzverbot und zur Apothekenpflicht gefragt.

Am kommenden Sonntag sind Hessens Wahlberechtigte dazu aufgerufen, einen neuen Landtag zu wählen. Die Ergebnisse der Landtagswahl könnten bis nach Berlin ausstrahlen, denn nach den herben Verlusten von CSU und SPD in Bayern steht die Große Koalition unter großem Druck. Derzeit regiert in Hessen eine schwarz-grüne Landesregierung unter Leitung von Ministerpräsident Volker Bouffier, der die CDU auch in diesem Wahlkampf angeführt hat. Hessen ist eine der letzten Bastionen für die beiden großen Volksparteien: 2013 lag die CDU bei 38, die SPD bei knapp 31 Prozent. Die Grünen sind drittstärkste Kraft, Linke und FDP knackten vor fünf Jahren knapp die 5-Prozent-Hürde.

Doch an diesen Machtverhältnissen dürfte sich – wenn man den derzeitigen Umfragen glaubt – einiges ändern. Demnach käme die CDU nur noch auf etwa 26 Prozent, SPD und Grüne lägen bei rund 20 Prozent gleichauf. Linke und FDP könnten sich leicht verbessern, die AfD zieht laut Umfragen klar in den Landtag ein.

Was aber bedeutet die Wahl und das daraus folgende Ergebnis für Apotheker? DAZ.online hat die großen Parteien, die derzeit eine realistische Aussicht auf Erfüllung der 5-Prozent-Hürde haben, nach Meinungen zu bestimmten Themen im Apothekenmarkt befragt. Im ersten Teil des DAZ.online-Wahlchecks geht es um die Themen Fremd- und Mehrbesitzverbot, sowie die Apothekenpflicht, beispielsweise für Homöopathika.

Was sagt die CDU zum Themenbereich Apotheke vor Ort und Fremd- und Mehrbesitzverbot?

CDU: Die CDU Hessen  ist der Überzeugung,  dass die Arzneimittelversorgung weiterhin den inhabergeführten Apotheken obliegen sollte. Daher sind sie auch Partner  im hessischen Gesundheitspakt, in dem alle Beteiligten der medizinischen und Arzneimittelversorgung zusammenarbeiten (Apotheker, Ärzte, Pflegeverbände, Krankenkassen). Eine Aufweichung des Fremd- und Mehrbesitzverbots lehnen wir als CDU ab.

Was sagt die CDU zum Themenbereich Apothekenpflicht, beispielsweise für Homöopathika?

CDU: Die CDU Hessen erachtet eine prinzipielle Änderung des Gesetzes über den Verkehr mit Arzneimitteln (Arzneimittelgesetz - AMG) nicht für notwendig.  Die Trennung von freiverkäuflichen, apothekenpflichtigen und verschreibungspflichtigen Arzneimitteln ist sinnvoll, um den unterschiedlichen Risiken für die Gesundheit bei der Anwendung von Arzneimitteln gerecht zu werden.

Bei der  Anwendung  von  Homöopathika   ist  eine  Beratung  durch  die  Apotheke erforderlich. Daher befürworten wir weiterhin eine Apothekenpflicht.


SPD und Grüne

Was sagt die SPD zum Themenbereich Apotheke vor Ort und Fremd- und Mehrbesitzverbot?

SPD: Wir setzen auch in Zukunft auf die inhabergeführte Apotheke vor Ort. Wir sind der Auffassung, dass die Kompetenz der ApothekerInnen und der bei ihnen angestellten Fachkräfte in der Versorgung mit Arzneimitteln unersetzlich ist. Im ländlichen Raum müssen Hol- und Bringdienste zur Verfügung stehen, damit auch dort die Bevölkerung versorgt werden kann. Ein Verbot von Versandapotheken ist u.E. unter den europarechtlichen Vorgaben nicht möglich. Positiv ist es für uns zu registrieren, dass die Mehrheit der Patientinnen und Patienten nach wie vor auf die Apotheke vor Ort setzt. Daher wollen wir diese auch weiterhin stärken, gerade um die Versorgung in Notfällen zu garantieren. Hier sehen wir Nachholbedarf, die Notfallversorgung muss den Apotheken besonders vergütet werden, denn die Versandapotheken können diese Aufgabe nicht übernehmen.

Seit 2004 ist es ApothekerInnen gestattet, bis zu drei Filialapotheken zu führen. Dies halten wir für eine gute Lösung. Zum Fremdbesitzverbot stehen wir, wir wollen nach wie vor die inhabergeführte Apotheke, die die persönliche Verantwortung des Apothekers/der Apothekerin beinhaltet.

Was sagt die SPD zum Themenbereich Apothekenpflicht, beispielsweise für Homöopathika?

SPD: Bereits jetzt werden eine Reihe nicht verschreibungspflichtiger Präparate außerhalb von Apotheken verkauft, z.B. Nahrungsergänzungsmittel in Drogeriemärkten etc. Das halten wir für hinnehmbar. Nicht aufgeweicht werden sollte die Apothekenpflicht für Präparate wie Schmerzmittel etc. und auch nicht für Homöopathika. Auch letztere haben Auswirkungen auf den menschlichen Körper, die der Laie nicht umfassend beurteilen kann. Insbesondere Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten sind möglich, so dass wir auch hier die Kompetenz des Apothekers/der Apothekerin brauchen.


Was sagen die Grünen zum Themenbereich Apotheke vor Ort und Fremd- und Mehrbesitzverbot?

Grüne: Unser Ziel ist eine bedarfsgerechte und qualitativ hochwertige Arzneimittelversorgung der Patientinnen und Patienten. Dabei setzen wir vor allem auf die pharmazeutischen Kompetenzen der Apothekerinnen und Apotheker vor Ort. Durch eine grundlegende Reform der Apothekenvergütung wollen wir erreichen, dass deren pharmazeutische Beratungsleistung gestärkt wird. Wir wollen hierzu eine eigene, einfache und transparente Gebührenordnung für die pharmazeutische Leistung der Apotheken schaffen. Hierbei könnte auch die zu Fehlanreizen führende strikte Verknüpfung mit der Arzneimittelabgabe aufgehoben werden. Zugleich wollen wir einen mit dem Notdienstzuschlag vergleichbaren, umlagefinanzierten Sicherstellungszuschlag für Apotheken in dünn besiedelten Regionen. Darüber hinaus sollen Digitalisierung und Gesundheitsversorgung noch enger verzahnt werden. Es geht darum, die sich ergebenden Möglichkeiten zum Wohle der Patientinnen und Patienten zu nutzen.

Wir können uns insbesondere für den ländlichen Raum vorstellen, dass die bisherige Beschränkung auf eine Haupt- und drei weitere Apotheken, je nach Bedarf, gelockert wird. Dadurch können flexiblere Versorgungslösungen ermöglicht werden für Gebiete, die sonst eventuell unterversorgt wären.


Was sagen die Grünen zum Themenbereich Apothekenpflicht, beispielsweise für Homöopathika?

Grüne: Wir Grüne halten es für wichtig, dass Patienten über die unterschiedlichen Behandlungsmethoden aufgeklärt werden und die Möglichkeit haben, sich ihren Wünschen und Bedürfnissen entsprechend für eine bestimmte Behandlungsmethode zu entscheiden. Hierbei tragen Ärzt*innen und Apotheker*innen eine große Verantwortung, da sie abwägen müssen, ob die Nutzung von homöopathischen Mitteln sinnvoll erscheint oder ob die Verabreichung pharmakologischer Mittel notwendig ist. Zwar kann durch die Homöopathie eine Linderung bestimmter Alltagsbeschwerden erreicht werden, bei schwerwiegenden Krankheiten kann die Anwendung homöopathischer Mittel als Heilmittel aber nicht nur unangebracht sein, sondern bei Unterlassung anderer Behandlungsmethoden Gesundheit und Leben von Patient*innen gefährden. Daher halten wir es für richtig, Homöopathika weiterhin nur in Apotheken zu verkaufen. Auch verschreibungspflichtige Medikamente müssen weiterhin der Apothekenpflicht unterliegen, da sie in der Regel nur mit fachkundiger Beratung eingenommen werden sollen und in falscher Dosierung auch gefährlich sein können.

Anmerkung der Redaktion: Die Antworten der Grünen lagen uns bei Veröffentlichung noch nicht vor, sie wurden nachträglich ergänzt. 

Linke, FDP und AfD

Was sagen die Linken zum Themenbereich Apotheke vor Ort und Fremd- und Mehrbesitzverbot?

Linke: Die Linke hat die Präsenzapotheke immer verteidigt. Apotheken sind wichtiger Bestandteil einer funktionierenden Infrastruktur. Auch die Attraktivität des ländlichen Raums zu steigern, muss auf eine wohnortnahe Apothekenpräsenz geachtet werden.

Die Aufhebung des Mehr- und Fremdbesitzverbots würde rein renditeorientierten Kapitalgesellschaften den Zugang zur Arzneimittelversorgung eröffnen. Absehbar würden lukrative Standorte aufgewertet und weniger interessante,  aber oft nicht weniger versorgungswichtige Apotheken das Nachsehen haben. Zudem würden Apothekenmitarbeiter von der Geschäftsführung wohl unter starken ökonomischen Druck gesetzt werden. Eine patientenorientierte Versorgung erfordert aber auch oft, von einer Medikation abzuraten und auch für geringen Umsatz umfangreiche Beratungsleistungen zu erbringen. Das ist von Unternehmen, die primär auf ihre Quartalszahlen schauen, nicht zu erwarten. Eine weitere Lockerung des Mehr- und Fremdbesitze wird daher von der Linken abgelehnt.

Was sagen die Linken zum Themenbereich Apothekenpflicht, beispielsweise für Homöopathika?

Linke: Arzneimittel, die das Risiko von Nebenwirkungen aufweisen und/oder zur Behandlung von Erkrankungen eingesetzt werden, sollten nur in der Apotheke abgegeben werden dürfen. Das betrifft nicht nur Allopathika, sondern auch Homöopathika, die selbst bei schweren Erkrankungen eingesetzt werden. Die Gefahr, dass anerkannt wirksame Behandlungen deswegen unterlassen werden, kann nur in der Apotheke mit einer wissenschaftlich fundierten Beratung wirksam eingedämmt werden.


Was sagt die FDP zum Themenbereich Apotheke vor Ort und Fremd- und Mehrbesitzverbot?

FDP: Für uns Freie Demokraten in Hessen hat die flächendeckende, zeitunabhängige Arzneimittelversorgung sowie die qualifizierte Beratung der Patientinnen und Patienten oberste Priorität. Wir bekennen uns zu der Schlüsselstellung, die inhabergeführte öffentliche Apotheken nach ihrem gesetzlichen Auftrag einnehmen.

Bereits heute darf jeder Apotheker bis zu drei weitere Filialapotheken betreiben. Sofern die Freiberuflichkeit des Apothekers nicht durch ökonomische Eingriffe eingeschränkt wird, ist auch eine Lockerung des Fremdbesitzverbotes denkbar. Voraussetzung hierfür ist wiederum, dass jede Apotheke von einem freiberuflich tätigen Apotheker geführt wird, der seine heilberufliche Tätigkeit frei von rein wirtschaftlichen Interessen Dritter zum Wohle der Menschen ausüben kann.

Was sagt die FDP zum Themenbereich Apothekenpflicht, beispielsweise für Homöopathika?

FDP: Die Apothekenpflicht von Arzneimitteln ist insofern als positiv zu bewerten, als dass mit ihr eine qualifizierte pharmazeutische Beratung zum Einsatz der Arzneimittel einhergeht. Würden homöopathische Arzneimittel apothekenpflichtig werden, könnte dies in der Öffentlichkeit zum Irrglauben führen, homöopathische Arzneimittel hätten eine pharmakologische Wirkung. Deshalb werden wir prüfen, ob homöopathische Arzneimittel aus der Apothekenpflicht zu entlassen sind. Der Patientenschutz hat für uns oberste Priorität.


Was sagt die AfD zum Themenbereich Apotheke vor Ort und Fremd- und Mehrbesitzverbot?

AfD: Gar nichts. Die AfD teilte mit, dass man sich mit dieser „spezifischen Materie“ bislang nicht befasst habe.

Was sagt die AfD zum Themenbereich Apothekenpflicht, beispielsweise für Homöopathika?

siehe oben



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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1 Kommentar

Qaudatur des Kreises

von G. Wagner am 23.10.2018 um 18:16 Uhr

Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen:

"Sofern die Freiberuflichkeit des Apothekers nicht durch ökonomische Eingriffe eingeschränkt wird, ist auch eine Lockerung des Fremdbesitzverbotes denkbar. Voraussetzung hierfür ist wiederum, dass jede Apotheke von einem freiberuflich tätigen Apotheker geführt wird, der seine heilberufliche Tätigkeit frei von rein wirtschaftlichen Interessen Dritter zum Wohle der Menschen ausüben kann."

Ist die FDP Hessen so naiv oder meint sie die Quadratur des Kreises gefunden zu haben? Auf jeden Fall: Für Apotheker*innen nicht wählbar!

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