Politischer Domino-Effekt

Streit ums Arzneimittel-Dispensierrecht köchelt weiter

Berlin - 22.10.2018, 14:15 Uhr

SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach kann sich gut vorstellen, dass Hausärzte Arzneimittel abgeben. Ein Apothekensterben möchte er dabei allerdings nicht riskieren. (m / Foto: Imago)

SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach kann sich gut vorstellen, dass Hausärzte Arzneimittel abgeben. Ein Apothekensterben möchte er dabei allerdings nicht riskieren. (m / Foto: Imago)


Dass Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) auf dem Deutschen Apothekertag impfende Apotheker erwähnte, löste eine Kettenreaktion aus: Wenige Tage später forderten die Hausärzte im Gegenzug das ärztliche Dispensierecht für Arzneimittel. SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach ist offen für diesen Vorschlag. Apotheker, Verbraucherschützer sowie NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) wollen die Arzneimittelabgabe weiterhin in Apothekerhand belassen.

Eigentlich wurden auf dem Deutschen Apothekertag von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) klare Worte zum Versandhandelskonflikt erwartet. Dazu äußerte sich der Minister in München zwar nur vage. Stattdessen entfachte Spahn aber ein pharmazeutisch-medizinisches Kompetenzgerangel: Denn in seiner Rede erwähnte der CDU-Politiker, dass er sich Impfungen in der Apotheke vorstellen könne.

Dies rief wenig überraschend die Ärzte auf den Plan. Wenige Tage nach Spahns Rede forderte Ulrich Weigeldt, der Vorsitzende des Deutschen Hausärzteverbands, im Gegenzug das Dispensierrecht für Arzneimittel. Die Bundesvereinigung  Deutscher Apothekerverbände (ABDA) lehnt diesen Vorstoß erwartungsgemäß ab.  

Lauterbach: Arzneimittel vom Hausarzt denkbar

Inzwischen stimmen mehr und mehr Gesundheitspolitiker in die Kompetenz-Debatte ein. Darunter der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach, der am vergangenen Donnerstagabend twitterte: „Grundsätzlich wäre es nicht falsch, wenn unter besonderen Bedingungen Ärzte auch Arzneimittel abgeben dürften. Z. B. bei Schmerzen oder im Rahmen von Hausbesuchen bei wenig mobilen Patienten. Wir müssen ein flexibleres unbürokratisches System entwickeln.” 

Auch gegenüber der Neuen Osnabrücker Zeitung (NOZ) erklärte Lauterbach, offen für den Vorschlag Weigeldts zu sein: „Eine Möglichkeit für Hausärzte, selbst Medikamente an Patienten abzugeben, ist grundsätzlich zu begrüßen." Es gebe viele Situationen, in denen die Versorgung der Patienten durch eine entsprechende Reform verbessert werden könnte.  

In seinen Ausführungen bemühte sich der SPD-Fraktionsvize um Ausgewogenheit. So dürfen aus seiner Sicht Hausarztpraxen nicht die Apotheken ersetzen. Ein Apothekensterben wäre fatal für die Versorgungssicherheit der Menschen gerade auf dem Land. Mehr Flexibilisierung für Ärzte müsse daher einhergehen mit der Stärkung der Apotheken, etwa durch eine höhere Vergütung von Beratungsleistungen. „Es geht um ein Gesamtpaket", sagte Lauterbach zur NOZ. Konkrete Vorschläge zur Ausgestaltung, etwa wie die Vergütung welcher Beratungsleistungen erfolgen könne, nannte der SPD-Bundestagsabgeordnete nicht.

Laumann: Arzneimittel gehören in Apothekerhand

NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) erklärte dagegen am vergangenen Samstag gegenüber der Nachrichtenagentur dpa, dass Hausärzte keine Arzneimittel ausgeben sollten. „Wir brauchen die Apotheke vor Ort, genauso wie wir den Hausarzt vor Ort benötigen“, sagte er. Beide Professionen sollten nicht gegen-, sondern miteinander arbeiten. „Für mich steht aber fest: Arzneimittel sind Waren besonderer Art und gehören in die Hand des Apothekers!“, betonte Laumann.

Verbraucherschützer: Rechtliche Vorgaben würden Arztpraxen überfordern

Auch Verbraucherschützer lehnen den Vorschlag der Hausärzte ab. „Der Vorschlag mag zwar praktisch klingen, ist aber in der Praxis kaum zu verwirklichen", sagte der Gesundheitsexperte der Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. (vzbv), Kai Vogel zur NOZ. Die sehr hohen rechtlichen Vorgaben für Apotheken aus Gründen der Arzneimittelsicherheit würden Arztpraxen überfordern. Wie auch Laumann warnte Vogel vor einem Konkurrenzkampf zwischen den Disziplinen: „Es wäre viel mehr im Sinne der Patienten, wenn Ärzte und Apotheker ihre Zusammenarbeit stärken würden, statt gegeneinander zu arbeiten."

Wie geht es im Versandhandelskonflikt weiter?

Auch die ABDA wünscht sich klar ein Mit- statt ein Gegeneinander, bei klarer Abtrennung der Kompetenzen. So erklärte  ABDA-Präsident Friedemann Schmidt in seiner Stellungnahme am vergangenen Freitag: „Ärzte können Apotheker so wenig ersetzen, wie Apotheker Ärzte ersetzen können. Kompetenzgerangel und der Rückfall in alte Revierkonflikte behindern uns bei dieser Aufgabe nur.“  

Die ABDA war bisher beim Thema Impfen in der Apotheke zurückhaltend gewesen. Gerade weil die Standesvertretung – wie man sieht nicht zu Unrecht – befürchtete, die Ärzte würden im Gegenzug das Dispensierrecht fordern. Um das Rx-Versandverbot ist es dagegen in den vergangenen Tagen ruhiger geworden. Spahn, der eigentlich zum Apothekertag eine klare Aussage zum Versandhandelskonflikt versprochen hatte, kündigte in München an, sich in den kommenden sechs Monaten um den Arzneimittelsektor kümmern zu wollen.



Dr. Bettina Jung, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online
redaktion@daz.online


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4 Kommentare

Vermeintliche Berufserweiterung

von Reinhard Rodiger am 22.10.2018 um 22:23 Uhr

Vorweg: in keinem Land ist Impfen ein Standbein geworden,das über subventioniertes Marketingtool hinausgewachsen ist. Es wird als Surrogat für Achtung verwendet.Etwa in der Schweiz praktiziert das nur die Hälfte, ähnlich in USA.Also für viele ist das nicht lebenswichtig.Warum wird das nicht aufgearbeitet?

Das wird politisch geschickt genutzt.Fällt niemand auf, dass nicht der Gedanke treibend ist, Achtung zu vermehren, sondern Zwietracht zu säen ? Der eigentliche Kampf ginge um Integration in das Gesundheitswesen.Da kommen Apotheker praktisch nicht vor.Weder im Organigramm des deutschen Gesundheitswesens noch in Berichten zur Verbesserung der Regionalstruktur oder in Berichten zur Berufen des Gesundheitswesens.Statistisch sind Apotheker nur Händler. Deshalb ist es so einfach, alles andere zu vergessen und ab und zu ein Zückerchen in den Ring zu werfen.Das ist pure Ablenkung.Auf Basis besseren Wissens oder als Deal.

Von der Kernfunktion als erster Filter vor dem Arzt oder als Endkontrolle zur Vermeidung von immer auftretenden Fehlern,
Spricht niemand.Denn es würde bedeuten, die heutigen Leistungen anzuerkennen.Das soll ja um jeden Preis vermieden werden.Denn Probleme richten sich nicht nach dem Standort.Deshalb am besten nur über Zentren sprechen.Als Surrogat für die "erforderliche " Größe.

Ich frage mich, warum die Frage Gleichpreisigkeit und Herstellung gleichen Zugriffs der Gerichte bzw Eintreibung von Sanktionen bei allen so schnell aus dem Fokus geraten?

Etwa, weil subtil Handlungsdruck erzeugt werden soll? Erst den Gegensatz hervorheben, schafft die Bedingungen für noch unbekannte Ziele.Wäre Kooperation oder Integration das Ziel, würde anders anzufangen sein.

Daraus folgt, dass schwer verständlich ist, warum dieses Spiel
So unkritisch angenommen wird.

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Erstmal Schluss jetzt mit dem paramedizinischen Gedöns!

von Wolfgang Müller am 22.10.2018 um 16:28 Uhr

"Das Impfen" ist doch im Kompetenzgerangel Arzt/Apotheker nur Killefitz. Wer von uns - außer den großen Kooperationen - will denn wirklich noch impfen, wenn er das mal organisatorisch und kaufmännisch zu Ende gedacht hat? Was für eine zweilfelhafte "Ehre" wäre das denn?

Die großen Kooperationen wollen "Impfen" und den ganzen großen Strauß aus "Neuen Paramedizinischen Dienstleistungen" doch auch nur so vehement, weil sie glauben, dass die kleineren Apotheken das gar nicht hinkriegen und umso schneller auf der Strecke bleiben. Und dass der Unterschied zwischen den ganzen großen, tollen, nur vermeintlich: heilberuflich leistungsfähigeren, in Wirklichkeit vor Allem: viel strategisch-kommerzielleren Apotheken-Konstruktionen und uns normal großen Vor-Ort-Apotheken noch viel stärker zu Tage triitt.

Die Ärzte werden doch erst ERNSTHAFT - und dann zu Recht - rabiat werden, wenn mal wieder jemand "Kein ärztlicher Medikationsplan ohne apothekerliche Medikations-Analyse" schreit, also nach einer gestrengen apothekerlichen "Freigabe" der ärztlichen Arzneitherapie. Auch "wegen der Ehre" und der "Augenhöhe", primär.

Was bei über 10 Mio. betroffener Patienten witzigerweise uns normale Apotheken ja von jetzt auf gleich noch viel mehr überfordern würde als "Impfen" - ebenfalls ganz im Sinne der großen Apotheken-Unternehmen und -Kooperationen. Und garantiert wg. unterfinanzierter, hoch bürokratischer GKV-Selektivverträge in ein noch prekäreres Defizit führen würde als "Labor und Rezeptur".

Wird genau das aber trotzdem gerade wieder hoch geheim zwischen ABDA und BMG ausgekümmelt?
Statt Rx-Gleichpreisigkeit? Diesmal nicht wie bei Minister Gröhe aussichtslos, weil der sein schützend Händlein über Ärzte UND Apotheker hielt, sondern bei Jens Spahn zwecks kompletter Apotheker-(Selbst-)Verarsche mit Aussicht auf Erfolg?

Kapieren wirklich nur ein paar hundert von uns diese hoch brisanten Zusammenhänge, und in "Der ABDA" prozentual noch weniger? Wie wir uns mit diesem ganzen Kram nur das Leben besonders schwer machen? Und das auch auch im aktuell wirklich existentiellen Kampf um stabile Rx-Preise?

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Lauterbach

von Conny am 22.10.2018 um 14:45 Uhr

Man sollte lieber ein unbürokratisches System ab Freitags 1200 Uhr entwickeln, nachdem meine geliebten Ärzte die Praxis bis Montag zum Golfspielen abgeschlossen haben. Spahn ist sowas von geschickt—-jetzt Ärzte gegen Apotheker- und die Schlafnasen der Abda merken nichts.

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AW: ABDA

von Dr Schweikert-Wehner am 22.10.2018 um 18:47 Uhr

Recht haben Sie, liebe Frau Conny

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