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Spahn will Neustart und hat Zeit für lustiges Video – aber er meint’s ernst, den Neustart und das Video. Und wann nimmt er sich Zeit für die Apothekerprobleme? Mittlerweile ist es bei uns Apothekers angekommen: Unsere Gesellschaft mag keine Versandverbote. Aber ein unfairer Wettbewerb mit ausländischen Versendern bleibt ungerecht. Außerdem: Kleiner Sturm um Münchens Klinische Pharmazie – was dürfen Bayerns Delegierte darüber wissen?
29. Oktober 2018
Hast du nicht auch das Gefühl, mein liebes Tagebuch, dass derzeit zwar viel über Digitalisierung im Apothekenbereich geredet wird, aber letztlich wenig passiert? Mir ist schon klar, dass im IT-Bereich nicht alles so schnell geht, wie man es gerne hätte. Aber so ein paar greifbare Fortschritte könnte es schon mal geben. Peter Froese, Chef des Apothekerverbands Schleswig-Holstein, ist bekanntlich unser Experte und Vordenker in Sachen Digitalisierung. Auf der letzten Mitgliederversammlung seines Verbands schaute er wieder mit realistischem Blick in die Zukunft. Beim Thema Rx-Versandverbot machte er deutlich: Unsere Gesellschaft, die gewohnt ist, alles per Klick im internet zu bestellen, empfindet ein Rx-Versandverbot als „Tabubruch“. Wie wahr, mein liebes Tagebuch, auch wenn wir Apothekers das Arzneimittel als besondere Ware sehen und tausend gute Gründe für ein Versandverbot haben – es ist der Gesellschaft kaum zu vermitteln. Wir müssen uns wohl davon verabschieden. Wir sollten wirklich rasch neu denken und ein Gesamtkonzept überlegen vor dem Hintergrund der Digitalisierung. Statt Rx-Versandverbot sieht Froese da zu Recht ein Bündel an Maßnahmen. Dazu gehören beispielsweise auch der Umgang mit dem Botendienst, den rechtlichen Grenzen zwischen Versand und Botendienst, der Umgang mit dem E-Rezept. Weitere Stichpunkte: App statt elektronischer Gesundheitskarte und eine neutrale Plattform zur sicheren Kommunikation der Patienten mit der Apotheke. Und vor allem: Wann wird endlich die Möglichkeit geschaffen, dass Ärzte und Apotheker sicher digital kommunizieren können? Das ist doch längst überfällig. In Schleswig-Holstein soll das demnächst möglich sein, dass Ärzte über diesen Weg Informationen zur Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) austauschen. Mein liebes Tagebuch, es sollte mit Hochdruck daran gearbeitet werden, dies fürs gesamte Bundesgebiet einzurichten. Wir schreiben das Jahr 2018!
Auf dem Apothekertag machte sich Apothekerverbandschef Becker für die Abschaffung der Importquote stark. Ob das bei unserem Bundesgesundheitsminister angekommen ist? Mein liebes Tagebuch, wir wissen es nicht. Eine verbale oder gar tatkräftige Initiative folgte noch nicht. Und bevor das Anliegen versandet – immerhin ist die weit überwiegende Mehrheit der Apothekenleiter, so eine Apokix-Umfrage, für eine Abschaffung der Importquote – sollten wir dieses Thema am Kochen halten. Selbst Patienten sollen importierten Arzneimitteln kritisch gegenüber stehen. Mein liebes Tagebuch, unser Apothekerverband könnte da ruhig mal nachlegen und dieses Thema in die Öffentlichkeit tragen: Sicherheitsbedenken und mangelndes Vertrauen in die Qualität – das lässt sich doch gut kommunizieren.
30. Oktober 2018
In Apotheken fehlen Fachkräfte. Wie soll dies weitergehen? Was tun unsere Kammern, was tut die ABDA, um die Attraktivität des Arbeitsplatzes öffentliche Apotheke zu steigern? Um Nachwuchs für die öffentliche Apotheke zu begeistern? Einer Umfrage der Apothekengewerkschaft Adexa zufolge arbeiten Apothekenmitarbeiter heute durchschnittlich 7,8 Stunden mehr in der Woche im Vergleich zu 2010. Bilden wir zu wenige Pharmazeuten aus? Eigentlich nicht, der Zulauf zum Pharmaziestudium ist ungebrochen, die Semester sind voll. Ja, wir ahnen es mein liebes Tagebuch: Rund 80 Prozent der Pharmaziestudierenden sind weiblich. Viele der jungen Apothekerinnen stehen nach dem Studium dem Arbeitsmarkt nur wenige Jahre zur Verfügung, sie verabschieden sich in die Familienzeit. Und nur ein Bruchteil davon findet in späteren Jahren den Wiedereinstieg in den Beruf. Das dürfte ein Grund für den Fachkräftemangel bei Approbierten sein. Ein anderes Problem, das die Adexa-Umfrage zeigte: Die Gehälter, die Apotheken zahlen (können), sind nicht allzu üppig, die übertariflichen Gehälter sind in vielen Bundesländern sogar gesunken. Unter dem Tarif liegen die Gehälter in Sachsen-Anhalt, Thüringen und vor allem in Sachsen. Hinzu kommt: Die Industrie lockt mit weit auskömmlicheren Gehältern als die Apotheken. Da fällt es nicht leicht, den Arbeitsplatz Apotheke attraktiv darzustellen
31. Oktober 2018
Ist und bleibt die Klinische Pharmazie als fünfte pharmazeutische Disziplin auch das fünfte Rad am Wagen? Rund 20 Jahre nach der Aufnahme in die Approbationsordnung gibt es noch lange nicht an allen pharmazeutischen Instituten einen Lehrstuhl für Klinische Pharmazie, d. h., die Forschung bleibt da weitgehend auf der Strecke. Immerhin wird die Lehre für das Fach Klinische Pharmazie – immerhin ein Staatsexamensfach – von den anderen Disziplinen irgendwie mitbetreut und übernommen. Dennoch, mein liebes Tagebuch, so richtig stark wie unsere geliebte Pharmazeutische Chemie oder Pharmazeutische Technologie kommt die Klinische Pharmazie nicht um die Ecke. Schade, schade, dass hier die Lobby oder das Geld oder beides für dieses Fach fehlt. Dabei ist die Klinische Pharmazie – sorry, liebe PharmChemiker – in meinen Augen ein essentielles Fach für uns Apothekers, das den Weg in die Zukunft weist. Und bevor der pharmazeutisch-chemische Platzhirsch aufheult: Natürlich ist die Chemie eine so wichtige Grundlage, auch die medizinische Chemie, die Technologie, die Biologie. Und die Pharmakologie sowieso. Aber das heißt doch nicht, dass die Klinische Pharmazie auf keinen grünen Zweig kommen darf. Im Ernst: Es wird Zeit, dass wir diesem Fach endlich mehr Aufmerksamkeit widmen – es ist ein unerlässlicher Baustein, der unseren Beruf in die Zukunft führt, der uns Pharmazeuten für die Herausforderungen der Zukunft stärkt. Vor diesem Hintergrund ist nicht zu verstehen, was da in München passierte: Da hat man im Frühjahr dieses Jahren einen W3-Lehrstuhl für Klinische Pharmazie geschaffen und ausgeschrieben, aber bis heute noch nicht besetzt. Und eine Besetzung soll auch nicht mehr geplant sein. Angeblich soll „mangelnde Qualifikation sämtlicher Bewerber“ der Grund dafür gewesen sein. Was man auch weiß: Der Berufungsausschuss hat auf Antrag des Vorsitzenden, Prof. Dr. Thomas Carrell, seines Zeichens organischer Chemiker, beschlossen, den Lehrstuhl dem Department Pharmazie wegzunehmen und dem Department Organische Chemie zuzuschlagen. Mein liebes Tagebuch, da ist es doch kein Wunder, wenn man da vermutet, dass das ein G’schmäckle hat? Die Bayerischen Kammerdelegierten wollen nun wissen, was da schief gelaufen ist. Auf der Kammerversammlung am 20. November soll der Vorstand beauftragt werden, Informationen einzuholen.
1. November 2018
Jetzt aber: Die Ankündigung von Angela Merkel, ihren Platz als Parteivorsitzende zu räumen, hat auch unseren Bundesgesundheitsminister dazu bewegt, ganz offiziell seinen Hut in den Ring zu werfen und sich als neuen Parteivorsitzenden zu empfehlen. Und da Merkel schon ankündigte, 2021 mit Ablauf der Wahlperiode nicht mehr als Kanzlerin anzutreten, heißt das dann wohl auch, dass sich Jens Spahn als Kanzlerkandidat warm laufen wird. In einem Gastkommentar in der FAZ hat er bereits angekündigt, was und wie er alles anders und vor allem besser machen will. Und unbedingt anschauen: Spahns Bewerbungsvideo „Neustart“ auf Facebook, mit dem er sich wohl für den Parteivorsitz bewirbt. Mein liebes Tagebuch, so viele floskelhafte Schlagworte in einem nur einminütigen Videospot hat man selten gesehen, irgendwie wirkt alles abgeguckt von Christian Lindner. Zum Schmunzeln: faz.net hat das Video köstlich analysiert. Mein liebes Tagebuch, aber was heißt das ganze Spektakel nun für uns Apothekers? Hat der Bundesgesundheitsminister da noch wirklich Zeit, sich um seine Aufgaben zu kümmern? Um die Apothekenthemen? Es gehe ihm um „neue Ehrlichkeit“, heißt es in seinem FAZ-Kommentar. Und wie er schon auf dem Apothekertag sagte: Gute Lösungen gebe es nur mit einer offenen Debatte. Tja, mein liebes Tagebuch, für Debatten braucht man Zeit – hat die der CDU-Kandidat? Für den unfairen Wettbewerb im Apothekenbereich hatte er keine Lösung dabei. Ob man mit Worthülsen, getragen von heißer Luft, die Lösungen findet? Irgendwie ist mir das alles sehr suspekt.
2. November 2018
Nochmal Klinische Pharmazie: Der Antrag von Delegierten der Bayerischen Landesapothekerkammer an ihren Vorstand, die Gründe für die Nichtbesetzung der W3-Professur Klinische Pharmazie an der Uni München zu eruieren, stößt bei Frankfurter Hochschullehrern auf Unverständnis. In einem Gastkommentar nehmen sie zu diesem Ansinnen Stellung. Und packen gleich noch ihre Ansicht zum Thema Klinische Pharmazie dazu. Mein liebes Tagebuch, schön, wie sie die Klinische Pharmazie als gleichrangig mit den anderen „älteren“ Fächern der Pharmazie (Chemie, Biologie, Technologie, Pharmakologie) einstufen. Und sie haben natürlich Recht: Kein Fach kann ohne das andere, erst das Zusammenspiel aller Fächer bringt’s. Und sie machen auch deutlich: Es gibt kein Entschuldigung dafür, dass die Klinische Pharmazie an zu wenigen Standorten durch eine W3-Professur oder einen Lehrstuhl vertreten ist. Selbst die Pharmakologie ist beileibe noch nicht an allen Standorten mit einem eigenen Lehrstuhl innerhalb der Pharmazie vertreten. Danke für diese klaren Worte! Bei der Causa Uni München und der nichtbesetzten W3-Professur in Klinischer Pharmazie springen die Frankfurter Hochschullehrer allerdings ihren Münchner Hochschulkolleginnen und -kollegen zur Seite. So haben auch die Frankfurter Hochschullehrer wenig Verständnis für das Ansinnen der Bayerischen Delegierten, die wissen wollen, wer die Mitglieder des Berufungsausschusses waren, wie viele Kandidaten sich für den Lehrstuhl beworben haben und ob es richtig sei, dass alle Bewerber für ungenügend qualifiziert erachtet wurden. Sind das wirklich unanständige Fragen, die da gestellt werden? Darf man da nicht ein bisschen mehr Transparenz erhoffen? Und unbeantwortet bleibt die Frage, warum der Lehrstuhl nun der Pharmazie weggenommen wird. Da muss man doch stutzig werden…
8 Kommentare
Schnee von gestern!
von Christian Giese am 04.11.2018 um 15:30 Uhr
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Seitenblicke ...
von Reinhard Herzog am 04.11.2018 um 14:05 Uhr
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Personelle und Inhaltliche Erneuerung
von Karl Friedrich Müller am 04.11.2018 um 12:06 Uhr
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Unsere Gesellschaft mag keine Versandverbote.
von Karl Friedrich Müller am 04.11.2018 um 10:53 Uhr
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AW: Unsere Gesellschaft mag keine
von Anita Peter am 04.11.2018 um 12:42 Uhr
Ein „Video“ ist noch kein Fahrschein ins ...
von Christian Timme am 04.11.2018 um 10:37 Uhr
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Führung?
von Christian Giese am 04.11.2018 um 10:12 Uhr
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Spahn
von Conny am 04.11.2018 um 9:18 Uhr
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