BMG-Antwort auf FDP-Anfrage

Regierung fördert 83 digitale Gesundheitsprojekte

Berlin - 14.11.2018, 11:35 Uhr

App statt Arztbesuch - können digitale Medizinprodukte zur Gesundheitsförderung beitragen? Einer neuen EU-Richtlinie zufolge sollen sich die Anforderungen an Softwareanbieter erhöhen. (Foto: Imago)

App statt Arztbesuch - können digitale Medizinprodukte zur Gesundheitsförderung beitragen? Einer neuen EU-Richtlinie zufolge sollen sich die Anforderungen an Softwareanbieter erhöhen. (Foto: Imago)


Digitale Gesundheitsanwendungen sollten mehr genutzt und gefördert werden, findet die FDP-Bundestagsfraktion. Vor einigen Tagen fragten die Freien Demokraten, wie digitale Innovationen von der Regierung gefördert werden und ob geplant sei, deren Marktzugang zu erleichtern. Der Antwort des Bundesgesundheitsministeriums zufolge werden derzeit 83 Forschungsvorhaben gefördert. Die Anforderungen an die Softwarehersteller werden sich allerdings künftig erhöhen.

Liegt Deutschland bei der digitalen Transformation des Gesundheitswesens zurück? Nach Ansicht des FDP-Bundestagsageordneten Dr. Wieland Schinnenburg könnte man hierzulande weiter sein. Auf einer Delegationsreise des Ausschusses für Gesundheit im September nach Estland und Finnland lernte der Zahnarzt den Einsatz verschiedener digitale Gesundheitsanwendungen kennen und besuchte auch ein Start-Up-Zentrum. Inspiriert von diesen Erkenntnissen stellte Schinnenburg federführend für die FDP-Bundestagsfraktion eine Kleine Anfrage zum Status Quo von digitalen Gesundheitsanwendungen als Medizinprodukte in Deutschland.  

622 digitale Medizinprodukte aus Deutschland

Dabei wollten die Liberalen unter anderem wissen, wie viele Apps und Softwareprodukte in Deutschland als Medizinprodukte überhaupt registriert sind und auf welchen Wegen diese von den Krankenkassen erstattet werden können. In seiner Antwort weist das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) darauf hin, dass der Regierung keine vollständigen Zahlen vorliegen. Denn im Informationssystem über Medizinprodukte des Deutschen Instituts für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) sind nur diejenigen Anzeigen von Herstellern mit Sitz in Deutschland hinterlegt.  „Danach liegen zum Zeitpunkt Ende Oktober 2018 im deutschen Medizinprodukte­Informationssystem 622 Anzeigen für Apps und Softwareprodukte vor“, schreibt die parlamentarische Staatssekretärin Sabine Weiss. Davon gehören etwa die Hälfte in die Risikoklasse I und die anderen in die Klasse II. 

Vier Wege zur Kostenerstattung

Für die Kostenerstattung über die Krankenkassen gebe es mehrere Wege, die von der Zweckbestimmung des Medizinprodukts abhängen. Handele es sich etwa um eine Anwendung aus dem Bereich der Primärprävention, so richte sich das Zugangsverfahren nach§ 20 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Die Aufnahme  neuer Heil­ und Hilfsmittel folge demgegenüber den §§ 32, 33, 138, 139 SGB V, die Aufnahme  von neuen Untersuchungs­ und Behandlungsmethoden in die vertragsärztliche Versorgung erfolge gemäߧ 135 SGB V. Weitere Zugangsmöglichkeiten biete beispielsweise der Abschluss von Selektivverträgen nach§ 140a SGBV.

Forschungsförderung durch drei Ministerien 

Außerdem fragten die Liberalen, ob und in welchem Umfang die Bundesregierung die Entwicklung weiterer digitaler Gesundheitsanwendungen fördere. Darauf antwortete Weiss, dass das BMG nicht direkt für die Entwicklung von Apps und Softwareprodukten zuständig sei. Jedoch gebe es sechs vom BMG geförderte Projekte, bei denen digitale Anwendungen indirekt zum Tragen kämen. Als Beispiel sei hier ein Projekt zur Verbesserung der Versorgung von Hämophilie-Patienten zu nennen. Zusätzlich werden in der Antwort auf fünf Forschungsvorhaben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie sowie auf 72 laufende Projekte des Bundesministeriums für Bildung und Forschung verwiesen. In der Summe unterstütze die Bundesregierung immerhin 83 Forschungsvorhaben, bei denen es um die Entwicklung und den Einsatz von Gesundheitssoftware und -Apps geht.  

Doch nach Meinung von Schinnenburg könnte die Regierung noch mehr tun. „Die Bundesregierung ist bei dem Thema viel zu passiv: Die Antworten lassen nur wenig Engagement für solche modernen Gesundheitsangebote erkennen.“ Schinnenburg bemängelt, dass das BMG Forschung und Entwicklung spezifischer Produktinnovationen überhaupt nicht systematisch fördere. „Ich fordere die Bundesregierung auf, insbesondere Start-Up-Unternehmen eine einheitliche Anlaufstelle anzubieten, damit diese ihre innovativen Produkte auf den Markt bringen können.“

MDR: erhöhte Anforderungen an Medizin-Software 

Neben der Digitalisierung ist auch Deregulierung ein wichtiges Stichwort für Freien Demokraten. Die Liberalen fragen, ob die Bundesregierung plane, den Marktzugang von digitalen Medizinprodukten zu erleichtern. Doch das Gegenteil scheint der Fall zu sein. So verweist das Ministerium auf die neue europäische Richtlinie zu Medizinprodukten (MDR), die am 25. Mai 2017 in Kraft getreten ist und die nach einer dreijährigen Übergangsphase ab dem 26. Mai 2020 in den Mitgliedstaaten gilt. „Dies betrifft auch neue Klassifizierungsregeln für Software, wodurch die Vorgaben für das Konformitätsbewertungsverfahren für die Hersteller von Software mit Blick auf die Patientensicherheit verschärft werden“, schreibt Weiss.  

Neu hinzugekommen sind Klassifizierungs-Kriterien für digitale Medizinprodukte in Regel 11 der MDR: Diese besagt, dass Softwareprodukte, die Informationen liefern, die zu einer therapeutischen oder diagnostischen Entscheidung herangezogen werden können, als Klasse IIa oder höher einzustufen sind. Unter diese Definition dürften einige Softwarelösungen fallen, wie beispielsweise Datenbanken oder auch Anwendungen, die zu diagnostischen Geräten gehören. Für Inverkehrbringer bedeutet dies einen höheren Arbeits- und Dokumentationsaufwand. Denn je höher die Klasse ist, desto höher sind die Qualitäts- und Sicherheitsanforderungen an das Medizinprodukt.   



Dr. Bettina Jung, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online
redaktion@daz.online


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