Zwar stellt das Verabreichen unterdosierter Zytostatika
durch einen insoweit gutgläubigen Arzt für den angeklagten Apotheker eine
tatbestandliche Körperverletzung „in mittelbarer Täterschaft“ dar, schreiben
die Richter. Denn onkologische Medikamente seien hoch toxisch, ihre Einnahme
stelle aufgrund ihrer Nebenwirkungen eine nicht nur unerhebliche
Beeinträchtigung dar. „Die Einwilligung eines Patienten in die Gabe des
Arzneimittels bezieht sich nur auf die Gabe der ärztlich verordneten Dosis“,
schreiben die Richter. Die Verabreichung der laut dem Urteil von Peter S. hergestellten
Infusionsbeutel mit keinerlei Wirkstoff führten aufgrund der nötigen Infusion
gleichzeitig zu Schmerzen, die ebenfalls nicht von einer wirksamen Einwilligung
des unwissenden Patienten gedeckt waren.
Gab es eine vorsätzliche Körperverletzung?
Doch eine vorsätzliche Körperverletzung wird nach § 223
Strafgesetzbuch nur auf Antrag des Geschädigten oder eines Angehörigen eines
Verstorbenen verfolgt – oder wenn ein besonderes öffentliches Interesse vorliegt.
Doch in Bezug auf die zehntausenden Zytostatika, die Peter S. im angeklagten
Zeitraum von Anfang 2012 bis zum Tag vor der Razzia am 29. November 2016
hergestellt hat, sah die Staatsanwaltschaft Essen kein besonderes öffentliches
Interesse: Sie klagte nur Unterdosierungen an, die bei der Razzia
sichergestellt wurden, und brachte 27 Taten der versuchten Körperverletzung zur
Anklage. Zwar lagen in Bezug auf die vorher hergestellten Zytostatika einige
Strafanträge von Betroffenen vor – doch ließ sich im Nachhinein nicht mehr
feststellen, welche genau minderwertig waren.
Die Richter nahmen Schätzungen vor und ermittelten im Wege
einer „gleichartigen Wahlfeststellung“, dass mindestens 14.498 Zubereitungen unterdosiert
waren – ohne dass festellbar war, um welche es sich handelte. Hierbei nahm die
Kammer zugunsten des angeklagten Apothekers an, dass die Zubereitungen korrekt
hergestellt worden waren, auf die sich die Strafanträge bezogen – sodass die
Basis für eine versuchte Körperverletzung fehlte.
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