Das Urteil im Zyto-Prozess (Teil 3)

So begründen die Richter die zwölf Jahre Haftstrafe für Peter S.

Karlsruhe - 16.11.2018, 10:15 Uhr

Die Urteilsbegründung im Zyto-Prozess liegt nun vor. (c / Foto: hfd)

Die Urteilsbegründung im Zyto-Prozess liegt nun vor. (c / Foto: hfd)


Wie begründen die Richter die Gesamtfreiheitsstrafe?

Die Gesamtstrafe hatten die Richter durch Erhöhung der höchsten Strafe – also der achtjährigen Haftstrafe wegen Verstößen gegen das Arzneimittelgesetz – zu bilden. Für eine nur mäßige Erhöhung sprächen der enge zeitliche und sachliche Zusammenhang der einzelnen Taten mit weitgehend identischer Motivlage, erklärten die Richter. Auf der anderen Seite seien unterschiedliche Rechtsgüter betroffen, was für eine stärkere Erhöhung spräche: Das Arzneimittelgesetz schütze die Arzneimittelsicherheit und diene dem Patientenschutz, der Betrugstatbestand schütze das Vermögen der öffentlichen Krankenkassen und anderer öffentlicher Kostenträger.

„Unter abermaliger Berücksichtigung aller maßgeblichen, insbesondere der aufgezeigten Strafzumessungsgesichtspunkte, hat die Kammer aus den genannten Einzelstrafen unter Erhöhung der Einsatzstrafe auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Jahren erkannt“, urteilten die Richter schließlich – und ordneten die Einziehung eines Wertersatzes von 17 Millionen Euro an.

Außerdem verhängten sie ein Berufsverbot für die Tätigkeit als Apotheker „für immer“: Der Angeklagte habe alle der Verurteilung zugrunde liegenden rechtswidrigen Taten unter Missbrauch seiner selbstständigen Tätigkeit als Apotheker und im Rahmen seines Apothekenbetriebes begangen. Dies stelle eine grobe Verletzung der mit der Ausübung des Apothekerberufes verbundenen Pflichten sowie eine Ausnutzung des Vertrauensverhältnisses dar, welches dem Angeklagten von den Patienten beziehungsweise Kunden entgegengebracht wurde.

„Es besteht auch die Gefahr weiterer erheblicher Rechtsverletzungen durch den Angeklagten“, urteilen die Richter. „Im Hinblick auf die Vielzahl der dem Angeklagten vorgeworfenen Straftaten, sein systematisches Vorgehen und den langen Tatzeitraum ist die Kammer von der Gefahr weiterer erheblicher Rechtsverletzungen durch den Angeklagten überzeugt.“ S. habe durch die Taten gezeigt, dass er für die Befriedigung seiner persönlichen Bedürfnisse nicht davor zurückschrecke, die Gesundheit anderer Menschen in Gefahr zu bringen.

„Besonders verwerfliche Gesinnung“

Bei einer weiteren Ausübung des Apothekerberufs – ob im Rahmen einer selbstständigen oder unselbstständigen Tätigkeit – würde die Gefahr erneuter Gesetzesverstöße bestehen, erklären die Richter. Insbesondere da die Einziehung des Wertersatzbetrages von 17 Millionen Euro das derzeitige Vermögen des Apothekers wohl übersteige bedürfe der Angeklagte dringend weiterer Mittel, um seinen gewohnten Lebensstil fortsetzen zu können.

Die Kammer verkenne dabei nicht, dass ein Berufsverbot mit Blick auf Artikel 12 des Grundgesetzes einen schwerwiegenden Eingriff in die Rechte des Angeklagten darstellt, heißt es im Urteil. Schutzzweck des Berufsverbots sei jedoch die Allgemeinheit, die vor weiterer Gefährdung durch den Angeklagten geschützt werden solle. „Die Schwere der Straftaten des Angeklagten, verbunden mit dem jahrelangen Missbrauch seiner Vertrauensstellung als Apotheker, rechtfertigt den Eingriff in seine Berufsfreiheit“, erklärt die Kammer.

Die Straftaten ließen auf eine „besonders verwerfliche Gesinnung“ schließen. „Er hat sich bei seinen Straftaten, motiviert durch Profitgier, nicht von möglichen gesundheitlichen Auswirkungen auf mitunter schwerstkranke Patienten abhalten lassen“, schreiben die Richter. Dies ließe die Begehung weiterer Straftaten nach Ablauf der Inhaftierung erwarten. „Dabei zeigt seine Reaktion (besser Nicht-Reaktion) auf das Strafverfahren im Jahr 2013/2014, dass er auch von der drohenden Entdeckung seiner Straftaten vollkommen unbeeindruckt war und ihn dies insbesondere nicht von einer Fortsetzung seines Tuns abgehalten hat.“



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
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