Kommentar

Rx-Versandverbot für Tierarzneimittel – Wem soll man das erklären?

Berlin - 28.11.2018, 13:15 Uhr

Das EU-Parlament verlangt, dass Rx-Tierarzneimittel künftig nur noch in Ausnahmefällen über das Internet bestellt und dann versendet werden dürfen. (j/ Foto: Simone van den Berg / stock.adobe.com)

Das EU-Parlament verlangt, dass Rx-Tierarzneimittel künftig nur noch in Ausnahmefällen über das Internet bestellt und dann versendet werden dürfen. (j/ Foto: Simone van den Berg / stock.adobe.com)


Kulturgut Buch schützenswert – und die menschliche Gesundheit?

Die ganze Sache erinnert etwas an die Debatte um die Buchpreisbindung: Vor einigen Monaten schlug die Monopolkommission vor, die Buchpreisbindung aufzuheben. Es verging kein Tag nach dieser Forderung, als Kulturstaatsministerin Monika Grütters erklärte, dass die Preisbindung das hohe Kulturgut Buch schütze, ihr komme eine entscheidende Funktion zu. Und bei Arzneimitteln? Da scheint die Bundesregierung weniger einzusehen, dass die Preisbindung eine schützende Funktion hat – trotz einer nicht nur kulturell-gesellschaftlichen Auswirkung auf die Gesellschaft (wie bei Büchern), sondern einer gesundheitlichen.

Wenn das Rx-Versandverbot bei Tierarzneimitteln nun also explizit europarechtlich gewünscht ist, es für Humanarzneimittel aber juristisch nicht machbar sein soll, ergeben sich einige Fragen: Bedeutet das im Umkehrschluss, dass eine mögliche indirekte und negative Wirkung von Tierarzneimitteln auf den menschlichen Körper besser belegt ist als die Wirkung von Humanarzneimitteln auf den menschlichen Körper? Und: Wie lässt sich Spahns Behauptung, dass das Rx-Versandverbot aus europarechtlichen Bedenken nicht möglich ist, vor dem Hintergrund des Beschlusses des EU-Parlamentes noch halten?

In jedem Fall wirft dieser Gegensatz kein gutes Licht auf die Debattenführung in der Politik der vergangenen zwei Jahre. Es ist wohl müßig, nach tieferen Gründen für diesen Gegensatz zu suchen. Klar ist aber, dass der Vertrieb von Humanarzneimitteln ein Milliarden-Markt ist, im Tierarzneimittel-Vertrieb ist schlichtweg weniger Geld unterwegs. Das wiederum führt dazu, dass eine politische Debatte faktenbasierter und mit weniger Einfluss von Interessenvertretungen geführt werden kann. Bei der heutigen Mitgliederversammlung der Apothekerkammer Westfalen-Lippe wurde der Beschluss des EU-Parlamentes gemeinsam mit ABDA-Präsident Friedemann Schmidt heftig diskutiert. Schmidt sagte passend dazu: „Politik ist keine Wissenschaft, da ist ganz viel Bauch dabei, aber auch Macht und Entscheidungsfindung aus Opportunitäten. Diese Geschichte zeigt einmal mehr, dass die größte Bedrohung für unsere Strukturen aus Europa kommt.“ 



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


Diesen Artikel teilen:


5 Kommentare

tierische Patientensicherheit

von Dr. Hardt am 29.11.2018 um 18:54 Uhr

tierisch verrückt oder?
wer? die EU?
oder doch die deutsche Apothekerschaft??

Wie viel sicherer ist die rx Versorgung durch die Apotheke vor Ort im Vergleich zum Versand durch zertifizierte Versandapotheken? Gar nicht, sagen Insider bei der ABDA in Berlin - im Gegenteil!

Wäre das nicht die eigentlich gesundheitspolitisch wichtige Frage beim rx-Versandhandelsverbot? Und nicht die ökonomische Rettung der Tante Emma Landapotheke - egal ob gut oder schlecht?

Aber nur darum geht es seit Jahren bei der Kammer/Verband/ABDA - Argumentation: um die potentielle ökonomische Gefährdung einer "Flächendeckung".

Angeblich Flächendeckend wird nach Standards der pharmazeutischen Wissenschaft in Apotheken bei der Abgabe von AM beraten. Allerdings wird die Qualität der rx Abgabe bei keinem Test bisher getestet - schon mal gar nicht von der ABDA. Allen gruselt wohl vor dem Ergebnis??

Denn wie man in Berlin weiß, ist es ja möglich, dass jahrelang z.B. Apotheken betrieben werden, die 61 Stunden geöffnet haben und von einer 75 jährigen Kollegin als einziger Approbierten mit ein paar PTAs (Teilzeit) betrieben werden (kein Einzelfall in Nordrhein und sicher auch woanders). Dieser Personalbestand ist der Kammer und der/m Amtsapotheker/in bekannt und wenn mal die Kollegin nicht kann, kommt von einer Personalagentur eine Tages/ Urlaubsvertretung (ins Büro !!). Revision? QMS?

Wie groß ist die Dunkelziffer der Kostenoptimierer?
Doch vielleicht die Mehrheit unter den Leiter-Kolleg/Innen?
Auch diese Apotheken werden mit 8.50 € pro rx Abgabe honoriert - vielleicht tut die ABDA deshalb nichts offensiv und lässt die paar Leuchtturmapotheken im Regen stehen. Die können ja auf eigene Kosten weiter ihre Mitarbeiter in die Fortbildung und für teure Qualitätsdokumentation "verbrennen". Und bei denen schaut der Amtsapotheker immer gerne vorbei weil es da keinen Ärger gibt - gegen 600,00 € Rechnung selbstverständlich. Während die anderen Geld scheffeln.

Seit 1992 steht pharmazeutische Betreuung auf der Leistung unter dem "flächendeckenden roten A". Nur kriegt es keiner mit - warum wohl?

Der Kammer/Verbandspräsident muss wohl erst geboren werden, der seine Wiederwahl dadurch aufs Spiel setzt, dass er durch ein Programm "fördern und fordern" die Beratungsqualität in seinem Kammerbereich messbar und zeitnah flächendeckend sicherzustellen versucht. Nicht mehrheitsfähig - oder?

Und bei Tierarzneimitteln ist ja der Tierarzt vor Ort zuständig und für den die Tierärztekammer und die Kreisveterinäre....
alles sicher - oder?

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Ehrlich?

von Christiane Patzelt am 28.11.2018 um 14:07 Uhr

Das kannste keinem erklären!! Genauso wenig wie den e.K. als Suffix an meinem Namen und den daran hängenden Einkaufs-Rabatt-Verboten..je mehr Leute am Gesundheitswesen rumfrickeln, desto wilder wird es. Jeder junge Politiker wie Rösler,Bahr und Spahn reitet über uns drüber und wir sind hinterher gefleddert, während die "Heißsporne" in der freien Wirtschaft n geilen Posten haben..scheiß doch auf Familienbetriebe, ist nicht mehr "in", bis es in 10 Jahren wieder jemand total "hypt", eine "Apotheke-so-wie-damals" aufzumachen...in Berlin eröffnen wieder die ersten Tante-Emma-Läden--nur so nebenbei...

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

PET-Krankenkasse schließt Liefervertrag mit DocMorris ab ...

von Christian Timme am 28.11.2018 um 14:05 Uhr

Jens Spahn erstmalig mit Hund auf Regionalkonferenz gesichtet ...

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Rx Versand

von Michael Zeimke am 28.11.2018 um 13:27 Uhr

Die ABDA sollte proaktiv reagieren.
Bringt der Minister am 11.12ten ein Rx Versandverbot für
Menschen mit oder bleibt er schweinisch.

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: ABDA und proaktiv reagieren ?

von Alfons Neumann am 28.11.2018 um 22:54 Uhr

Die ABDA war ja nicht mal willens oder in der Lage, die damaligen Steilvorlagen Valsartan- und Lunapharm-Skandal zu nutzen und der Politik mal deutlich die Meinung zu sagen ...

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.