Weihnachtsbäckerei aus pharmazeutischer Sicht (Teil 1)

Von Mikroorganismen, Hirschhornsalz und Backpulver

Stuttgart - 04.12.2018, 10:15 Uhr

Hirschhornsalz wurde früher durch trockenes Erhitzen („trockene Destillation“) von geraspelten Hirschgeweihen gewonnen. (Foto: Nejron Photo/Stock.adobe)

Hirschhornsalz wurde früher durch trockenes Erhitzen („trockene Destillation“) von geraspelten Hirschgeweihen gewonnen. (Foto: Nejron Photo/Stock.adobe)


Adventszeit ist für viele auch die Zeit der Weihnachtsbäckerei. Kekse, Lebkuchen, Stollen und mehr werden je nach Vorliebe auf Hochtouren in den Küchen produziert. Und nicht wenige Zutaten stammen dabei ursprünglich aus der Apotheke. Auch wenn sie heutzutage standardmäßig im Supermarkt zu haben sind, stellen wir in den kommenden Tagen einige davon vor. Den Anfang machen Backtriebmittel.

Nicht nur für guten Kuchen, sondern für das erfolgreiche Gelingen eines jeden Backerzeugnisses braucht es das passende Triebmittel. Man unterscheidet zwischen physikalischer, biologischer und chemischer Lockerung. Allen gemeinsam ist, dass sie den Teig durch Bildung und Einlagerung von Gasen aufgehen lassen und damit essbar machen sollen. Andernfalls würden sich im Inneren des Gebäcks keine Poren bilden, und es wäre nur schwer kau- und verdaubar.

Bei der physikalischen Lockerung, die im Prinzip bei allen Backmethoden auftritt, verdampft das im Teig enthaltene Wasser und lockert ihn auf. Dieser Prozess lässt sich durch das Einarbeiten von Luft, kohlensäurehaltigem Wasser oder Fettschichten wie beim Blätterteig verstärken.

Nützliche Mikroorganismen

Die Zuhilfenahme von Mikroorganismen wie Hefepilzen und Milchsäurebakterien bei der Lebensmittelherstellung wurde bereits im Altertum praktiziert. Wahrscheinlich beherrschten die Sumerer in Mesopotamien als erste die Kunst des Brotbackens und Bierbrauens, gefolgt von den Ägyptern, Phöniziern, Israeliten, Griechen und schließlich den Römern. In einem Sauerteig arbeiten Saccharomyces cerevisiae, der „Zuckerpilz des Bieres“, mit den Milchsäurebakterien Hand in Hand: Langkettige Stärkemoleküle werden durch Amylasen aus der Aleuronschicht des Getreidekorns zum Disaccharid Maltose abgebaut, welches von den Hefezellen zu Ethanol und treibendem Kohlendioxid vergoren wird. Im Backvorgang entstehen dann aus dem Alkohol und den im Teig vorhandenen Säuren verschiedene Ester, die für den Geschmack des Gebäcks verantwortlich sind.

Milchsäurebakterien (Laktobazillen), die auch zur Haltbar­machung von Gemüse eingesetzt wurden („Einsäuerung“), haben im Teig die Aufgabe, durch den Abbau von Kohlen­hydraten Kohlendioxid zu bilden. Außerdem spielt dabei die Bildung von Milch- und Essigsäure eine Rolle: Die Erniedrigung des pH-Wertes ist vor allem beim Roggenmehl notwendig, damit nicht zu viel Stärke durch Amylasen abgebaut wird, sondern verkleistert und das Gebäck aufgehen lässt.

Therapeutische Nutzung

Saccharomyces- und Lactobacillus-Arten verwendet man also schon seit Jahrtausenden zur biotechnologischen Herstellung von Genussmitteln, und seitdem wir den Einfluss des Mikrobioms auf unsere Gesundheit zu verstehen beginnen, nutzen wir sie auch therapeutisch. Gegen Durchfall oder bei Hautbeschwerden wie Akne soll Saccharomyces cerevisiae (oder S. boulardii) als Probiotikum helfen. Innerlich angewendet besiedelt der Hefepilz die Magen-Darm-Schleimhaut und dichtet sie ab, bindet humanpathogene Keime, spaltet Bakterientoxine und induziert die Sekretion von Immunglobulinen .

Bei einer bakteriellen Infektion der Vaginalschleimhaut erhöht sich meistens ihr pH-Wert, und so gibt es seit Kurzem Teststäbchen zur Selbstdiagnose. Die lokale Anwendung von Milchsäure oder Milchsäure-bildenden Bakterien (Döderlein-Bakterien) kann das saure Milieu wiederherstellen und die Scheidenflora unempfindlicher machen. Doch vor der Besiedlung mit einem Pilz kann ein niedriger pH-Wert allein nicht schützen – wie das Beispiel des Sauerteigs zeigt.



Dr. Armin Edalat, Apotheker, Chefredakteur DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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