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Das Digitale kommt in Fahrt. Und wie! Schon wieder ein neuer Digitalpakt, nach Noweda und Burda nun ein weiterer mit gleich zwei Großhändlern, zwei Technikfirmen und der Umschau. Und während an großen Plattformen gebastelt wird und das E-Rezept vor der Tür steht, hängen die Apothekers elektronische Blechkästen als Rezeptsammelstellen auf. Bitte mit Aufschrift: Keine E-Rezepte einwerfen. Und während wir alle auf Godot in Form der Spahnschen Vorschläge warten, wollen zwei Apothekers die Streikbereitschaft ausloten. Und nein, der Bund wird kein Gesetz für Apotheker auf Station erlassen, das können die Länder tun – oder lassen.
3. Dezember 2018
Immer wieder schön, wenn Apotheker und Ärzte sich so gut verstehen – wie zum Beispiel in Brandenburg. Da machen sie gemeinsame Fortbildungen und sogar gemeinsam Front gegen den Bundesgesundheitsminister: Impfen in Apotheken – nein Danke. Tja, mein liebes Tagebuch, kann man so wollen, muss man aber nicht. Klar, das dient zunächst mal nicht den Menschen draußen, sondern der Ruhe und dem Frieden zwischen den beiden Heilberufen. Denn die Angst bei Apothekers vor einer Forderung der Ärzte, dann Arzneimittel abgeben zu wollen, ist riesig. Das wird dann verbrämt mit dem Satz „Unsere Profession ist das Arzneimittel und keine Dienstleistungen, in denen wir nicht entsprechend ausgebildet sind“, so Brandenburgs Kammerpräsident Dobbert. Dem kann man nicht widersprechen. Man könnte nur erwidern: Das gilt für alle Dienstleistungen, die wir erbringen. Und wenn wir uns doch eines Tages entschlössen, impfen zu wollen, müssten wir dafür ausgebildet werden. Genau. Unsere Kolleginnen und Kollegen in der Schweiz haben das gemacht. Mit Erfolg. Und sie treffen auch bei der Bevölkerung damit ins Schwarze: Die Grippeimpfung in der Apotheke wird ausgesprochen gerne wahrgenommen, die Durchimpfungsraten sollen gestiegen sein. Auch die Bevölkerung anderer Länder wie England oder USA möchte nicht mehr auf diese apothekerlichen Dienstleistungen verzichten. Und Apotheker und Ärzte arbeiten trotzdem friedlich zusammen.
4. Dezember 2018
Apotheke, voll digital! Die digitale Rezeptsammelstelle, wow! Der elektronische Rezeptbriefkasten mit Scanner und Internetanbindung. Der Bringer für die flächendeckende Versorgung. Mit der Installation des digitalen Briefkastens in Rheinland-Pfalz hängt in Deutschland schon die fünfte elektronische Rezeptsammelstelle. Unsere Vorzeigekästen – wie schön, aber leider schon von gestern. Mein liebes Tagebuch, so schnell kann’s gehen, wenn man nicht richtig in die Zukunft denkt, sondern nur das Analoge mit ein bisschen Digital-Schnickschnack verziert. Denn mit dem E-Rezept, das nun auf den Weg gebracht ist und das 2020 dann eingeführt werden könnte, kann man sich die elektronischen Blechkästen schenken. Dann gibt’s Terminals, in die der Patient seine E-Card mit dem gespeicherten E-Rezept steckt oder – noch bequemer – er hat ein Lesegerät zu Hause, steckt dort seine Karte rein und kann sein E-Rezept an jede Apotheke schicken, die er möchte. Auch an die niederländischen Versender. Mein liebes Tagebuch, ob es da noch viel Sinn macht, wenn der rheinland-pfälzische Kammerpräsident meint, möglichst viele Rezeptsammelstellen im Land (derzeit gibt es in Rheinland-Pfalz etwa 60 Rezeptsammelstellen) sollten digital werden? Elektronikschrott gibt es doch schon genug.
5. Dezember 2019
Manches geht schnell bei Herrn Spahn, verblüffend schnell. Heilmittelerbringer bekommen 600 Millionen Euro mehr – das hat der Minister den Physiotherapeuten, Logopäden, Diätassistenten, Podologen und anderen Erbringern von Heilmittelleistungen angekündigt. Die Groko plant sogar, die Neuerungen noch rasch dem Terminservice- und Versorgungsgesetz anzuhängen, das noch im Dezember im Bundestag beraten wird. Mein liebes Tagebuch, wenn dem Minister etwas wert ist, dann geht’s ratzfatz. Schön für die Heilmittelerbringer, wir freuen uns für sie. Und man muss da natürlich anmerken, dass diese Berufsgruppe auch seit einigen Jahren immer wieder auf zu schlechte Bezahlung und zu viel Bürokratie aufmerksam machte. Mein liebes Tagebuch, ich kenne da noch einen Heilberufsgruppe, auf die das zutrifft, aber da scheint der Gesundheitsminister nicht so überzeugt davon zu sein. Im Gegenteil, Spahn lässt diese Heilberufler – ja, es sind die Apothekers – schon seit über zwei Jahren mit einem unfairen Wettbewerb, den sie mit ausländischen Versandhäusern ausfechten müssen, allein.
Passend dazu die Meldung, dass die Krankenkassen mittlerweile 21 Milliarden Euro gebunkert haben, mehr als das Vierfache der gesetzlich vorgesehenen Mindestreserve. Hört sich viel an, andererseits: die 21 Milliarden sind im Schnitt etwa 1,1 Monatsausgaben. Da relativiert sich die Summe ganz schnell. Spahn hat die Kassen dennoch dazu verdonnert, ab 2020 die überhöhten Reserven schrittweise abzubauen, indem die Versicherten entlastet werden sollen. Und wir Apothekers? Wir sind ja so gespannt, auf Spahns Vorschläge, die er zur ABDA-Mitgliederversammlung am 11. Dezember mitbringen will…
6. Dezember 2018
Apotheker und Streik – dieses Wortpaar hat in der Vergangenheit nie so recht gepasst. Also, so richtige Streiks, bei denen wir auf die Straße gegangen sind, waren mehr als selten. Ich erinnere mich noch an den sogenannten Streik vor zwölf Jahren: 2006 ging in manchen Bundesländern ein kleines Häufchen von Apothekerinnen und Apothekern zu zentralen Protestkundgebungen auf die Straße, um gegen die geplante Gesundheitsreform, gegen die Vernichtung von Arbeitsplätzen in Apotheken, gegen ruinösen Wettbewerb bei Apotheken, gegen Apothekenschließungen zu streiken. Die meisten Apothekerinnen und Apotheker allerdings blieben in ihrer Apotheke und stellten nur putzige Schildchen auf den HV-Tisch mit der Aufschrift „Außer Betrieb“ – und bedienten munter weiter. Einen Mini-Streik gab’s auch 2012, als viele Apotheken in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und im Saarland die Arzneiversorgung durch die Notdienstklappe erledigten. Sie kämpften für eine Honorarerhöhung. Das Streiklein brachte – nichts, mehr als die vom Bund zugesagten 25 Cent gab’s nicht. Mein liebes Tagebuch, mit echten Streiks, mit gelben Westen und sowas, sind wir echt gekniffen. Und womit? Genau, mit Recht. Denn wir dürfen das alles gar nicht, da wir als Gesundheitsberufler einen Versorgungsauftrag haben und versorgen müssen, wenn wir nicht mit juristischen Konsequenzen rechnen wollen. Das äußerste der Gefühle sind kleine organisierte Demos oder Protestmärsche oder das Bedienen durch die Notdienstklappe – aber die Apotheken für längere Zeit geschlossen zu halten, das geht nicht. Zwei Apotheker aus Rheinland-Pfalz, Gregor Nelles und Alexander Fischer, fragen zurzeit die Streikbereitschaft ihrer Kolleginnen und Kollegen ab. Sie haben wenig Hoffnung auf einen positiven Ausgang des Versandhandelskonflikts und glauben, nur mit einem Apothekenstreik „gegen die Zerstörung des deutschen Apothekenwesens“ ankämpfen zu können. Die Reaktion des Apothekerverbands ist mehr als verhalten, sieht die „heilberuflich-rechtliche“ Dimension eines Apothekerstreiks, und meint, dass es derzeit noch zu früh sei. Klar, mein liebes Tagebuch, ohne Spahns Vorschläge zu kennen, ist es in der Tat zu früh – für einen Streik. Aber für eine Umfrage zur Streikbereitschaft? Das könnte schon ein Signal sein. Andererseits, ich erinnere mich an Worte einiger Kollegen, die schon 2006 und früher meinten: „Mit Apothekern kann man nicht kämpfen.“
Apotheker und Digital – erst die Noweda mit Burda, jetzt auch Wort&Bild mit Noventi mit Rowa mit Gehe mit Sanacorp – ein Zukunfts- oder Digitalpakt jagt den anderen. Was verbirgt sich hinter diesen großen Worten? Bei Noweda und Burda soll es eine digitale Bestellplattform sein, der sich jede Apotheke anschließen kann, um dann mit Click&Collect dabei zu sein, unterstützt durch eine neue Kundenzeitschrift, die das alles publik machen soll. Da können Mitbewerber natürlich nicht ruhig sitzen bleiben. Und so schloss der Wort&Bild-Verlag mit den beiden Großhandlungen Gehe und Sanacorp sowie den Technikern Rowa und Noventi einen eigenen Digitalpakt. Schon interessant, oder? Gehe und Sanacorp, Rowa und Noventi und alle zusammen mit der Apotheken Umschau. Was genau planen die Big Five? Das wird angeblich noch konzipiert. Es geht jedenfalls darum, digitale Anwendungen für die Apotheke zu harmonisieren, wie auch immer. Vermutlich, mein liebes Tagebuch, geht es aber auch hier u. a. um eine digitale Bestellplattform. Denn, so heißt es in der Ankündigung, es soll mit anderen Teilnehmern und Verbänden ein Konzept erstellt werden, das einen gemeinsamen Standard ermöglichen soll als Marktplatz oder Plattform für spezielle Anwendungen. Man kann sich nun fragen, mein liebes Tagebuch, wie viele große digitale Konzepte und Bestellplattformen unser Land, unsere Branche verträgt. Wäre eine wirklich große übergreifende Plattform für alle vielleicht besser? Oder macht’s auch hier der Wettbewerb? Wir werden es erleben. Auf alle Fälle, wir können das alles mal positiv sehen, wenn es uns hilft, überzeugend und kraftvoll gegen den ausländischen Arznei-Versandhandel anzutreten. Und gleichzeitig digitaler zu werden. Außerdem, Plattformen, denen sich praktisch jede Apotheke anschließen kann, werden wir dringend brauchen: Denn, nicht nur Weihnachten steht vor der Tür, sondern auch das E-Rezept. Und von unserer Standesvertretung können wir beim Thema Digitalisierung nicht allzu viel erwarten, dieses Thema hatte man doch in diesem Jahr vor lauter Rx-Versandverbot so gut wie verschwitzt.
Ein Antrag der Senioren-Union zum CDU-Parteitag lässt aufhorchen: Unter der Überschrift „Grenzüberschreitende Projekte zur Optimierung der Gesundheitsversorgung und -vorsorge“ fordern die Senioren, dass grenzüberschreitende Projekte in der Arzneimittelversorgung intensiviert werden – unter anderem um Geld einzusparen. Was meinen unsere Senioren mit dieser Formulierung? Was ist ihr Ansinnen? Wollen sie in grenznahen Gebieten zum Arzt, zur Apotheke des Nachbarlandes? Soll der Arzneimittelversand in grenznahen Gebieten ausgebaut werden? Wie weit reichen die grenznahen Gebiete, von denen im Antragstext die Rede ist? Ein bisschen nebulös ist das alles schon
7. Dezember 2018
Niedersachsen hat es, ein Gesetz, mit dem der Apotheker auf Station eingeführt wird. Und die anderen Bundesländer? Sie können sich selbst ein solches Gesetz basteln, wenn sie denn wollen. Vom Bund, wie man es vor Kurzem schon zu erwarten hoffte, werden die Länder aller Voraussicht nach kein solches Gesetz bekommen. Das Bundesgesundheitsministerium erklärte nämlich, dass die Länder mögliche Regelungen zum Einsatz von Pharmazeuten auf den Krankenhausstationen selbst festlegen könnten. Ach so, ist das, mein liebes Tagebuch, Enthusiasmus für diese Errungenschaft sieht anders aus, oder? Immerhin hatte sich der Bundesrat in einer Stellungnahme zum Terminservice- und Versorgungsgesetzes (TSVG) für die Einführung von Stationsapothekern in Krankenhäusern ausgesprochen. Doch dem Bundesgesundheitsministerium geht ein Bundesgesetz wohl zu weit. Es meint, ein solcher Einsatz von Apothekern auf Station sei heute schon möglich. Die Länder hätten zudem eigene Krankenhausgesetze, mit denen sie den Einsatz von Apothekern regeln könnten, um den „regionalen Besonderheiten, Strukturen und Versorgungsangeboten“ Rechnung zu tragen, wie es unaufgeregt heißt. Ein weiterer Bedarf an spezifischen bundesgesetzlichen Regelungen zum Einsatz von Stationsapothekern bestehe jedenfalls nicht. Mein liebes Tagebuch, ehrlich gesagt, ich hätte mir da mehr Engagement erwartet. Ob wir nun ohne BMG damit rechnen können, dass der Apotheker auf Station genauso in den 15 anderen Bundesländern geliebt wird wie in Niedersachsen, steht in den Sternen.
27 Kommentare
Mit der Bitte um Stellungnahme
von Ulrich Ströh am 10.12.2018 um 8:20 Uhr
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Stuttgart !
von Gunnar Müller, Detmold am 10.12.2018 um 7:59 Uhr
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Oh je!
von Christian Giese am 09.12.2018 um 18:43 Uhr
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Psychologisch gesehen
von Christiane Patzelt am 09.12.2018 um 17:16 Uhr
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Führt uns die ABDA zum Sieg ?
von Hans-Dieter Rosenbaum am 09.12.2018 um 17:12 Uhr
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Stuttgarter Nachfrage
von Dr.Diefenbach am 09.12.2018 um 17:10 Uhr
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AW: Stuttgarter Nachfrage
von gabriela aures am 09.12.2018 um 17:29 Uhr
Stuttgarter Schweigen vom 4.12.18
von Ulrich Ströh am 09.12.2018 um 12:57 Uhr
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Das war wieder so schön
von Christiane Patzelt am 09.12.2018 um 11:37 Uhr
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AW: Das war wieder so schön
von Wolfgang Müller am 09.12.2018 um 16:25 Uhr
Ausgeliefertsein
von Reinhard Rodiger am 09.12.2018 um 11:28 Uhr
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AW: Machtmonopol
von gabriela aures am 09.12.2018 um 11:41 Uhr
Die"Stuttgarter Gespräche"
von Dr,Diefenbach am 09.12.2018 um 10:27 Uhr
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Warten - das übliche ....
von Gunnar Müller, Detmold am 09.12.2018 um 9:14 Uhr
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Zwischen „Bitte nicht einwerfen“ und „Streikrecht“ ...
von Christian Timme am 09.12.2018 um 9:05 Uhr
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Was noch diese Woche so los war
von Ann-Katrin Kossendey-Koch am 09.12.2018 um 8:44 Uhr
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AW: Was noch diese Woche so los war ... Eunuchen gesichtet?
von Christian Timme am 09.12.2018 um 9:28 Uhr
AW: Was noch diese Woche so los war
von Dieter Dosquet am 09.12.2018 um 9:49 Uhr
AW: Was noch diese Woche so los war
von Dieter Dosquet am 09.12.2018 um 10:02 Uhr
AW: Gelenkte Demokratie? Wie schon beim "Perspektivpapier?
von Wolfgang Müller am 09.12.2018 um 11:39 Uhr
AW: Was noch diese Woche so los war
von Erik Modrack am 09.12.2018 um 14:47 Uhr
AW: Was noch diese Woche so los war?
von Dr Schweikert-Wehner am 09.12.2018 um 15:39 Uhr
AW: @ Herrn Dr. Schweikert - Wehner
von gabriela aures am 09.12.2018 um 17:45 Uhr
Noch hebt die Flut
von Ulrich Ströh am 09.12.2018 um 8:41 Uhr
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AW: Noch hebt die Flut
von Anita Peter am 09.12.2018 um 9:26 Uhr
AW: Noch hebt die Flut
von gabriela aures am 09.12.2018 um 10:07 Uhr
AW: Was WIR wollen, wird entscheiden: "Die ABDA" ist in der verdammten Pflicht!
von Wolfgang Müller am 09.12.2018 um 12:03 Uhr
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