Honorar und Boni-Deckel

Hamburgs Apotheker warnen vor Spahns Apotheken-Plänen

Süsel - 14.12.2018, 10:15 Uhr

Dr. Jörn Graie (li.) und Kai-Peter Siemsen, die Spitzen des Hamburger Apothekervereins und der Kammer in der Hansestadt, lehnen das Angebot von Jens Spahn zum Apothekenmarkt ab. (Foto: tmb)

Dr. Jörn Graie (li.) und Kai-Peter Siemsen, die Spitzen des Hamburger Apothekervereins und der Kammer in der Hansestadt, lehnen das Angebot von Jens Spahn zum Apothekenmarkt ab. (Foto: tmb)


Hamburgs Verbandsvorsitzender Dr. Jörn Graue und der Kammerpräsident der Hansestadt, Kai-Peter Siemsen, warnen eindringlich davor, die jüngsten Pläne von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) umzusetzen. Graue sieht darin ein Menetekel und Siemsen befürchtet einen Dammbruch.

„Mene mene tekel upharsin“, entgegnet Dr. Jörn Graue, Vorsitzender des Hamburger Apothekervereins, auf die jüngsten Pläne von Bundesgesundheitsminister Spahn. Das Menetekel ist eine sehr eindringliche Warnung vor drohendem Unheil. Mit dem biblischen Vers warnte Graue gegenüber DAZ.online davor, das „Danaer-Geschenk“ anzunehmen. Für ihn ist klar: „Der Boni-Deckel von 2,50 Euro muss weg.“ Denn dieser könnte zum Einfallstor für viele Probleme werden, die zum Ende der Arzneimittelpreisverordnung in Deutschland führen.

Graue sieht Menetekel

Der Bibelvers Daniel Kapitel 5, 25 über Belsazars Gastmahl ist ein bis heute nicht ganz geklärtes Wortspiel in aramäischer Sprache und bedeutet etwa: gezählt, gezählt, gewogen (und zu leicht befunden), geteilt. Damit will Graue ausdrücken, dass Spahns Pläne gewogen und zu leicht befunden wurden. Außerdem teile Spahn die Apotheker in Befürworter und Gegner des Plans. In der biblischen Geschichte erfüllte sich die schreckliche Prophezeiung für König Belsazar noch in derselben Nacht. Er wurde erschlagen. Sein Königreich ging verloren, weil es von den Persern erobert wurde.

Seine Sorge gilt der Gleichpreisigkeit, erklärte Graue gegenüber DAZ.online. Diese sei durch die jüngsten Pläne bedroht, weil der Boni-Deckel nicht rechtssicher zu verankern sei. Daraufhin bestehe die Gefahr, dass Apotheken in Deutschland dagegen klagen und letztlich die Arzneimittelpreisverordnung insgesamt fällt. Wenn das EuGH-Urteil im deutschen Recht umgesetzt werde, bestehe auch nicht mehr die Möglichkeit, dass ein neues EuGH-Urteil die frühere Situation wieder herstellt. Daher fordert Graue, die Apotheker dürften Spahns Angebot auf keinen Fall annehmen.

Boni-Deckel als Dammbruch

Kai-Peter Siemsen, Präsident der Apothekerkammer Hamburg, erklärte gegenüber DAZ.online, er sei „erschüttert“ über Spahns Pläne. Er bezweifelt, dass sich ausländische Versender an einen Boni-Deckel im deutschen Sozialrecht halten würden. Stattdessen erwartet er, dass ein Boni-Deckel für das Ausland zu Boni in Deutschland führen würde. „Das geht nach hinten los“, fürchtet Siemsen. Irgendjemand werde schon nach sehr kurzer Zeit Boni in Deutschland bieten. Bisher hätten deutsche Gerichte Boni in Deutschland für rechtswidrig erklärt. Doch diese Argumentation werde nicht mehr greifen, wenn Ausländer Boni gewähren dürfen und deren Marktanteil steigt.

Weiter erklärte Siemsen: „Ich freue mich, wenn Dienstleistungen honoriert werden, aber was nützt das, wenn die Strukturen wegbrechen?“ Siemsen verglich die Situation mit einem Dammbruch. Da entstehe zunächst ein Rinnsal. „Das Rinnsal wird zu einem Krater und dann kann niemand das Wasser aufhalten“, erklärte Siemsen. Ein Boni-Deckel wirke dabei wie eine Kerbe im Deich. „Die Arzneimittelpreisverordnung würde in wenigen Monaten Makulatur“, erwartet Siemsen. Doch wenn die Preisbindung in Deutschland falle, müssten auch Fragen nach dem Kontrahierungszwang und der Apothekenpflicht gestellt werden. Darum betrachtet Siemsen das Bild des Dammbruchs als sehr passend.

Wirtschaftlicher Ausgleich viel zu gering

Auch seine wirtschaftliche Betrachtung kommt zu einem negativen Ergebnis. Denn wenn ausländische Versender mit Boni werben, würden gerade unproblematische Rezepte mit wenig Erklärungsbedarf abwandern, argumentiert Siemsen. Die Apotheken würden Umsätze verlieren und die Kosten würden nicht in gleichem Maß sinken, weil die aufwendigen Fälle bleiben. Wenn fünf Prozent der Umsätze verloren gingen, sei die Einbuße größer als der Ausgleich durch die angekündigten zusätzlichen Honorare. Zudem müsse über die Verteilung dieses Geldes noch mit den Krankenkassen verhandelt werden. Es sei keineswegs selbstverständlich, dass das Geld sofort zur Auszahlung komme.

Der Vorstand der Apothekerkammer Hamburg habe bisher noch nicht über die Reaktion auf Spahns Pläne entschieden. Doch Siemsen machte sein persönliches Fazit schon deutlich: „Mein Gesamturteil ist negativ.“



Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


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3 Kommentare

In Gefahr und Not ist der Mittelweg der Tod

von Wolfgang Müller am 14.12.2018 um 18:46 Uhr

Ein Glück, dass immer mehr gute Leute von den 34 sich dazu bekennen, dass wir uns von Plan B nicht überrollen lassen dürfen.

Von Plan B, der in über einem halben Jahr unwürdiger, die normalen Apotheker/innen demütigender Geheimverhandlungen von der eigenen allerallerobersten Führung mit dem BMG ausgeheckt wurde, machen wir uns doch nichts vor. Oder wie sollen wir z. B. den Skandal-DAT anders bewerten, wo es erstmal nur raunende Andeutungen von Kiefer und FS gab ("Ende der Gleichpreisigkeit", "Kröten schlucken")?

Und jetzt dieser elende Zeitdruck, um die Weihnachtszeit, DESHALB wurde doch auch beim DAT noch Nichts "kommuniziert". Was für ein abgeschmacktes, fast noch unwürdigeres Schauspiel als der DAT selber.

Fast übermenschlich wäre es, wenn es den Guten von den 34, die jetzt hervortreten, sogar kurzfristig noch gelingen würde, eine gemeinsame und überzeugende Haltung gegen diese Intrige zu formulieren. Und sich vor Allem nicht mit der Drohung eines Closed Shops am 17. Januar ausbluffen zu lassen: "Friss Vogel oder stirb!" Was konkret heißt: Wir sollen die mittelfristige Entnahme von locker deutlich mehr als 1,5 Milliarden Rohertrag aus dem Fixhonorar-System und den daraus folgenden Untergang von gerne zwei Dritteln unserer Vor-Ort-Kolleg/innen "fressen", um 240 Mio. "Neue Honorare" für den hechelnden Sofort-Einstieg in die Perspektivpapier-Schiene zu bekommen.

Achtung: Wir verlieren einen Milliardenbetrag GEWINN aus Fixhonoraren, und bekommen dafür lediglich 240 Mio. GKV-dürres HONORAR mit dem entsprechenden, garantiert höheren Aufwand. Also statt einer Kompensation von verlorenem Gewinn noch ein DEFIZIT obendrauf.

Und genau HIER braucht die Mannschaft um Siemsen und Co. Klarheit: Denn "In Gefahr und Not ist der Mittelweg der Tod". ZWINGEND sind daher die Themen "Sicherung der Packungspauschale" und "Neue Honorare = Neue Defizite" zu trennen. Letztere geht erst, wenn wir es uns LEISTEN können.

Es darf ab dem 17. Januar AUSSSCHLIESSLICH um die bestmögliche Gleichpreisigkeit gehen. Schon um FS und Minister Spahn zu signalisieren: Bitte, behaltet doch Euer Danaer-Geschenk, so gerne wir auch mehr zu AMTS beitragen wollen, schon weil wir es fachlich KÖNNEN. Wir lassen uns aber nicht unter Zeitdruck ERPRESSEN.

Schwierig zu verstehen, dass man E. K.`s den Unterschied zwischen „HONORAR" und "GEWINN" erklären muss, aber man muss das jetzt wohl sicherheitshalber als eine Art Dauer-Werbespot schalten ….......

PS Ach ja, besonders klug wäre es auch von der neuen Führungslinie, beim Kampf um die "Sicherung der Packungshonorare" 2HM und deren Datenbasis nicht weiter zu ignorieren. Die sind längst bei einem geringeren "Einsparvolumen" als JS und FS.

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Aramäisch oder akkadisch

von Dr Schweikert-Wehner am 14.12.2018 um 12:18 Uhr

Als Menetekel [meneˈteːkəl] bezeichnet man eine unheilverkündende Warnung, einen ernsten Mahnruf oder ein Vorzeichen drohenden Unheils. Der Begriff ist von einem biblischen Wortspiel in akkadischer Sprache abgeleitet, das Gott dem König Belšazar als Ankündigung seines baldigen Todes und Untergangs seines Königreiches überbracht haben soll.
Spahn wird uns e als babylonische Sprachvielfalt wahrnehmen und machen was er will. Die offene und ehrliche Diskussion kommt zu spät. Dank ABDA und ihrem Schweigegelübte.

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Siemsen übernehmen Sie!

von Moritz Meier am 14.12.2018 um 11:25 Uhr

O-Ton Kai-Peter Siemsen aus 2017: "...Aber der ABDA-Präsident könnte doch hier Klartext reden und Attacke reiten. So machen das andere Verbände doch auch. Ich weiß, dass Schmidt diese etwas lauteren Töne nicht schätzt, er möchte stattdessen alles argumentativ und wissenschaftlich regeln. Mit dieser Art und Weise sind wir aber in den letzten Jahren gescheitert. Das muss man ganz klar sagen..."

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