Apothekenrecht-Experte Douglas zu Spahns Apothekenplänen

„Wer die Gleichpreisigkeit aufgibt, nimmt höhere Preise bei Engpässen in Kauf“

Berlin - 18.12.2018, 10:15 Uhr

Deutsche Versandapotheken und ihre EU-ausländische Konkurrenz sollen nach den Plänen von Jens Spahn künftig per Gesetz ungleich behandelt werden: Letzteren sollen Rx-Boni bis 2,50 Euro erlaubt sein. (Foto: BVDVA)

Deutsche Versandapotheken und ihre EU-ausländische Konkurrenz sollen nach den Plänen von Jens Spahn künftig per Gesetz ungleich behandelt werden: Letzteren sollen Rx-Boni bis 2,50 Euro erlaubt sein. (Foto: BVDVA)


Die vom Bundesgesundheitsminister Jens Spahn vorgelegten Eckpunkte für den Apothekenmarkt sind vor allem bunt zusammengewürfelte bekannte Ideen – einige Aspekte sind allerdings neu. Vor allem Spahns Ideen, wie die EU-Versender künftig im Zaum gehalten werden sollen, erscheinen dabei juristisch fragwürdig. DAZ.online hat bei Rechtsanwalt Dr. Morton Douglas nachgefragt, was er von Spahns Vorschlägen hält.

Der Freiburger Rechtsanwalt Dr. Morton Douglas befasst sich schon seit Jahren mit dem niederländischen Rx-Versand und all den Blüten, die er treibt. Auch für die Apothekerkammer Nordrhein ist er wegen verschiedenster DocMorris-Boni-Aktionen vor Gericht gezogen. DAZ.online hat Douglas gefragt, für wie wasserdicht er Spahns jüngste Alternativ-Ideen zum Rx-Versandverbot hält.  

DAZ.online: Herr Douglas, ist an Spahns Plänen alles schlecht?

Douglas: Nein. Die Ausführungen zur freien Apothekenwahl, der Aufstockung des Nacht- und Notdienstfonds, zu zusätzlichen pharmazeutischen Dienstleistungen, einer höheren BtM-Vergütung und der Verbesserung der Qualität bei Versandhandel und Botendienst lesen sich dem Grunde nach erfreulich. Insbesondere der Erhalt der freien Apothekenwahl sowie die Bereitschaft, weitere pharmazeutische Dienstleistungen zu diskutieren, sind sicherlich ein Schritt in die richtige Richtung. Dem Grunde nach zu begrüßen ist zudem, dass Spahn die Frage des Preises in das SGB V überführen will, um den Blick dahingehend zu schärfen, dass es sich bei der Vergütung des Apothekers um ein Honorar und nicht um einen (Produkt-) Preis handelt.

Friedrich Graf von Westfalen & Partner Rechtsanwält
Dr. Morton Douglas: Dem 2,50-Bonus für EU-Versender ist „die Verfassungswidrigkeit auf die Stirn geschreiben".

DAZ.online: Und was halten sie von dem Ansatz, ausländischen (Versand-) Apotheken eine Boni-Gewährung von 2,50 Euro pro Packung zu ermöglichen?

Douglas: Das ist nicht nachvollziehbar. Erst recht nicht mit dem Begründungsansatz, man wolle damit dem Urteil des EuGH und dem insoweit festgestellten erschwerten Marktzugang ausländischer Versandapotheken Rechnung tragen. Zum einen handelt es sich hier um ein strukturelles Problem, das dem Versandhandel mit Arzneimitteln immanent ist, unabhängig davon, ob die Versandapotheke in Aachen oder in Venlo angesiedelt ist. Die Ungleichbehandlung würde sich dann unmittelbar aus einem Bundesgesetz ergeben mit der Folge, dass diese Ungleichbehandlung sich am Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 GG) messen lassen müsste. Anders als bei der Inländerdiskriminierung, die sich aus einer Entscheidung des EuGH ergibt, dürfte nun Art. 3 GG unmittelbar anwendbar sein. Hierfür müsste der Gesetzgeber eine Rechtfertigung liefern, doch dies ginge sicherlich nicht ohne weiteres mit dem Hinweis auf das EuGH Urteil, so dass einem derartigen Gesetzesansatz die Verfassungswidrigkeit auf die Stirn geschrieben sein dürfte. Dies gilt zumindest dann, solange der Gesetzgeber nicht begründen kann, warum andere Möglichkeiten nicht zur Verfügung stehen.

Es ist mit vielen Gerichtsverfahren zu rechnen

DAZ.online: Und außerdem?

Douglas: Zum anderen wird es deutschen Apothekern nach einem solchen Gesetzestext nicht oder kaum noch vermittelbar sein, sich selber an das Preisrecht zu halten. Es ist mit einer Vielzahl von Gerichtsverfahren zu rechnen, in denen deutsche Apotheker sich auf gleiches Recht für alle berufen werden. Die Urteile, die in den vergangenen Wochen und Monaten zu der Frage ergangen sind, ob es einem deutschen Apotheker noch zuzumuten ist, sich an das Preisrecht zu halten, sind alle davon ausgegangen, dass der Gesetzgeber hier die Gleichpreisigkeit wiederherstellt. Wird die Gleichpreisigkeit aufgegeben, kann davon ausgegangen werden, dass auch die Rechtsprechung dann den deutschen Apotheken die Boni erlaubt.

Mittelfristig könnte diese Aufgabe der Gleichpreisigkeit dazu führen, dass der einheitliche Apothekenpreis insgesamt ins Rutschen kommt. Das könnte schlimmstenfalls für die Verbraucher auch zu höheren Preisen führen, da dann gerade bei Arzneimitteln, die knapp sind, auch einmal höhere Preise verlangt werden. Wenn der Gesetzgeber die Gleichpreisigkeit aufgibt, nimmt er billigend in Kauf, dass in Zukunft bei Lieferengpässen von bestimmten Arzneimitteln derjenige die Präparate erhält, der bereit ist den höchsten Preis zu zahlen.

Schließlich sollte der deutsche Gesetzgeber seine Zuständigkeit schützen. Der EuGH hat in seiner Entscheidung die Zuständigkeit des nationalen Gesetzgebers bei der Ausgestaltung der Gesundheitssysteme missachtet. Diesen Verstoß gegen die Kompetenzregelungen in Europa nun ohne Gegenwehr in Gesetze zu gießen ist politisch sicherlich das falsche Signal.

DAZ.online: Ist die Fünf-Prozent-Grenze für den Marktanteil auch keine Lösung?

Douglas: Die Entwicklung der Marktanteile ausländischer Versandapotheken am OTC-Markt hat gezeigt, dass es zunächst dauert, bis der Versandhandel richtig in Gang kommt, dann aber die Zuwächse sehr stark sind. Wenn erst einmal 5 Prozent Marktanteil der ausländischen Versandapotheken erreicht sind, besteht keine Möglichkeit mehr, dem noch effektiv gegen zu wirken – außer durch ein Versandverbot, das dann aber sehr viel schwerer zu rechtfertigen wäre, als es aktuell möglich gewesen wäre, nicht zuletzt aufgrund der Entscheidung der Europäischen Kommission, nun den Versandhandel mit Tierarzneimitteln zu untersagen

DAZ.online: Danke für das Gespräch!



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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2 Kommentare

RX-Versandverbot

von Dr. Radman am 18.12.2018 um 11:14 Uhr

Man soll Herr Spahn nicht unbedigt überschätzen. Ich bin mir nicht so sicher, ob er weiss, war er tut. Deshalb müssen die Apotheker auch mit anderen Kräften in der CDU sprechen.
Z. B. Frau AKK. Wir müssen selbst auf die sichere Versorgung der Bevölkerung Acht geben.

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RX-Versandverbot

von Dr. Radman am 18.12.2018 um 11:00 Uhr

Offener Brief an ABDA Präsident:

Ich habe bis jetzt, trotz Kritik an Ihrer Person sehr viel von Ihnen gehalten. Aber mit der Empfehlung dem Spahnischen Plan B, haben Sie mich wirklich enttäuscht. Was haben sie sich eigentlich dabei gedacht, die gleichpreisigkeit aufzugeben?. Was ist das von einem Kuhandel?.
Nein, so geht es nicht. Unterschreiben Sie zukünftig bitte niemals eine Stillschweigende Vereinbarung mit der BMG. Sie sind zur regelmässigen Information der Basis verpflicht.

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