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Pharmaziestudenten-Kolumne
„Der Apothekerschaft fehlt der Mut zum Wandel“
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat den Apothekern seinen Kompromiss zur Lösung des Versandhandelskonfliktes vorgestellt. Auch wenn bisher nur Eckpunkte bekannt sind, gingen bereits allerorts die Schilde hoch. Von vielen Seiten wurde lautstarke Kritik zu Protokoll gegeben. Dieses Gebaren gehört natürlich zum üblichen Spiel der Politik dazu. Es muss doch verwundern, wie schnell Teile der Apothekerschaft den Daumen gesenkt haben, meint Constantin Hauser, Beauftragter für Gesundheitspolitik beim Bundesverband der Pharmaziestudierenden Deutschlands (BPhD), in einer DAZ.online-Kolumne.
Wir Studierenden betrachten das Schauspiel jedenfalls sehr genau. Denn fest steht: Die Pläne des Herrn Minister betreffen in erster Linie uns, die heutigen Jungpharmazeuten und Studierenden. Wir werden die Veränderungen im Apothekenmarkt langfristig am stärksten zu spüren bekommen, denn sie werden sich über die gesamte Länge unseres Berufslebens auswirken. Im weitesten Sinne werden sie sogar darüber entscheiden, welchen Beruf wir ausüben werden.
Werden wir bei dem Berufsbild bleiben, das heute in den Apotheken vorherrscht? Wird sich auch unsere Generation damit begnügen müssen, die Stärken unseres geballten Wissens nur in Ausnahmesituationen ausspielen zu können, wenn es die Geduld des behandelnden Arztes, die Laune des Patienten oder die ökonomischen Zwänge der packungsbasierten Vergütung zulassen? Oder können wir aufbrechen in einen Versorgungsalltag, in dem die pharmazeutischen Dienstleistungen und die AMTS im Vordergrund stehen, in dem wir für die Bereitstellung von niederschwelliger, fundierter und empathischer Beratung von Angesicht zu Angesicht vergütet werden und in dem unsere hervorragende Ausbildung als Heilberufler voll zum Tragen kommen kann?
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Wir wissen wohin die Reise gehen soll, die Apothekerschaft hat sich mit Absichtserklärungen wie dem Perspektivpapier „Apotheke 2030“ selbst eine starke und zukunftsweisende Vision gegeben, auf die sie mit Recht stolz sein kann. All den Vorstellungen der Apothekerschaft ist dabei gemein, dass die Bereitstellung und Abgabe des Medikaments immer nur die notwendige Voraussetzung für den Medikationsprozess darstellt, aber nicht eigentlicher Wesenskern des Apothekerberufs ist. Primär sehen wir uns als Dienstleister am Patienten, der ein Experte für Arzneimittel und deren korrekte Anwendung ist.
Aber das Honorarsystem spricht eine andere Sprache. Nach wie vor orientiert sich die Vergütung des Apothekers und damit sein ökonomisches Handeln einzig und allein an der Abgabe. Wir leben und arbeiten in einem System, das kaum Anreize für hochwertige und ausführliche Beratung setzt, sondern im Gegenteil vor allem einen hohen Absatz belohnt. Dabei muss doch allen bewusst sein, dass wir dem Patienten noch so viele Medikamente mitgeben können, wenn wir ihn beim Therapieprozess nicht begleiten, wird er nicht davon profitieren können. Wenn wir wirklich den Patienten anstatt des Arzneimittels ins Zentrum unseres Handelns stellen wollen und uns eine Weiterentwicklung im Sinne einer zielgenauen und sicheren Anwendung von Arzneimitteln wünschen, die uns UAWs, Folgetherapien und damit bares Geld spart, können wir den Apotheker auf lange Sicht nicht weiter nur für das Abgeben von Packungen entlohnen.
Früher oder später muss es einen Paradigmenwechsel in der Vergütung geben. Mit den Vorschlägen von Minister Spahn liegt die Chance auf einen sanften Einstieg in den Wandel auf dem Tisch. Natürlich sind die versprochenen 240 Millionen Euro für pharmazeutische Dienstleistungen im Vergleich zu den ca. 5 Milliarden Euro, die sich die GKVen unsere Leistungen in 2017 haben kosten lassen, nur ein kleiner Anfang. Dennoch bietet sich die Gelegenheit, hier Pionierarbeit zu leisten und Strukturen zu schaffen, die langfristig auch höhere Vergütungen tragen könnten.
Hauser: Man hält sich zu sehr mit EU-Versendern auf
Allerdings scheint der Apothekerschaft in der entscheidenden Stunde der Mut zu fehlen, den lang beschworenen Wandel des Berufsbildes auch umzusetzen. So sehr hält man sich mit der Sorge vor den ausländischen Versendern auf, dass man die Chance verpasst, wenn sie sich einem bietet. Natürlich ist es problematisch, die Abkehr von der Gleichpreisigkeit mit dem Festschreiben in ein Gesetz endgültig zu besiegeln. Die Arzneimittelpreisbindung ist eine zentrale Säule des Apothekenwesens und sollte wenn möglich beibehalten werden, da sie den gleichberechtigten Zugang zu Arzneimitteln für Menschen aus allen Einkommensgruppen gewährleistet. Es ist nicht einzusehen, warum ausländischen Versendern zusätzlich Ausnahmen in der Preisbildung zugestanden werden, um ihre Konkurrenzposition zu stärken, obwohl sie schon den Vorteil haben, bequem an die Haustür liefern zu können oder ihre Kunden in spezielle Patientenprogramme einbinden zu können, und sich gleichzeitig nicht an Aufgaben für die Allgemeinheit wie Nacht- und Notdienste beteiligen. Auch wir Studierenden bevorzugen einen Markt mit Preisbindung und ohne Boni.
Aber nach zwei Jahren erfolglosem Beharren auf dem Rx-Versandverbot muss man leider festhalten, dass diese Maßnahme in Zeiten von Telemedizin und Fernverordnung gesellschaftlich und politisch offensichtlich nicht vermittelbar ist und keine Mehrheiten finden wird. Diese Realität müssen wir anerkennen. Durch das Festhalten am Rx-VV haben wir verlernt, offen für Alternativen und alternative Meinungen zu sein. Vielleicht müssen wir den Rx-Versand akzeptieren lernen und diese Bedingung als Teil des Kompromisses verstehen, den wir eingehen müssen, wenn wir intern und im Dialog mit Politik und Gesellschaft unseren Beruf weiterentwickeln und auf eine neue Basis stellen wollen. Einen Deal, der das Rx-VV beinhaltet, wird es jedenfalls von Seiten der Politik nicht geben.
BPhD: Was wäre denn die Alternative?
Die Alternative, also das „No-Deal-Szenario“, wäre im schlimmsten Fall ein „Weiter-so“ wie bisher, mit wild wucherndem Versandhandel ohne Boni-Grenzen während die Apotheken-vor-Ort unter der zunehmenden Last dieses Preiskampfes und ohne Aussicht auf alternative Vergütungsformen langsam aber sicher über den Jordan gehen. Der Handlungsbedarf ist also unbestreitbar. Daher ist es so wichtig, dass wir die Flexibilität besitzen, von alten Positionen Abstand zu nehmen und uns ernsthaft und sachlich mit den Alternativen auseinanderzusetzen. Jens Spahn hat klargemacht, dass ihm nicht daran gelegen ist, der Apothekerschaft etwas zu diktieren. Wir können Kritik an seinen Vorschlägen üben und sollten das besonders im Fall der Boni auch tun. Aber Kritik, die ernstgenommen werden soll, setzt voraus, dass man zuvor einen ehrlichen Dialog über die Vorschläge geführt hat und sie nicht allein deshalb ablehnt, weil sie das Rx-VV nicht beinhalten.
Das Paket bietet einen Kompromiss, den man ernsthaft diskutieren sollte. Es bietet die Möglichkeit, die so lange beschworene Weiterentwicklung unseres Berufsbildes auch konkret in die Tat umzusetzen und die Apotheke der Zukunft zu verwirklichen. Wir sollten diese Chance nicht verpassen. Entweder wir gestalten den Wandel oder wir erleiden ihn.
14 Kommentare
Das verkümmerte Langzeitgedächtnis der Pharmazeuten ...
von Christian Timme am 22.12.2018 um 9:17 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Es ist gut . . .
von Uwe Hansmann am 21.12.2018 um 17:20 Uhr
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AW: Es ist gut
von Klaus Mellis am 23.12.2018 um 14:51 Uhr
Geballte Ahnungslosigkeit?
von Stefan Haydn am 21.12.2018 um 14:17 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 2 Antworten
AW: Sehr gut dargestellt, Herr Kollege!
von Armin Spychalski am 21.12.2018 um 15:53 Uhr
AW: Inflationsausgleich und kalte Progression oder was passiert wenn Politiker ihre Hausaugaben nicht gemacht haben?
von Bernd Jas am 25.12.2018 um 14:15 Uhr
Leider unrealistisch
von Benjamin Schäfer am 21.12.2018 um 13:55 Uhr
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Zukunft aktiv mitgestalten
von Jonas Niemann am 21.12.2018 um 13:35 Uhr
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AW: Okay, DANN doch ......
von Wolfgang Müller am 21.12.2018 um 14:35 Uhr
Beschlusslage "Perspektivpapier"
von Wolfgang Müller am 21.12.2018 um 11:34 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Mut zum Wandel
von Trautmann am 21.12.2018 um 10:25 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
die Apothekerschaft wird ungerecht behandelt
von Karl Friedrich Müller am 21.12.2018 um 8:32 Uhr
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Mutige Worte
von May am 21.12.2018 um 8:20 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort
AW: Mutige Worte
von in dubio pro reo am 21.12.2018 um 10:49 Uhr
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