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Positionspapier verabschiedet
Zürcher Apotheker wollen Cannabis zu Genusszwecken abgeben
Der Verband Stadtzürcher Apotheken (VSZA) setzt sich dafür ein, dass in Schweizer Apotheken in Zukunft Cannabis abgegeben werden darf, zunächst zu medizinischen und später auch zu Genusszwecken. Damit soll der Schwarzmarkt bekämpft werden. Die Argumente der Apotheker klingen schlüssig, aber die Standesorganisation pharmaSuisse ist skeptisch.
Verschiedene
Schweizer Medien berichten in den letzten Tagen über einen Vorstoß der Zürcher
Apothekerschaft, die Abgabe von Cannabis über Apotheken zu legalisieren, und
zwar nicht nur zu medizinischen, sondern auch zu Genusszwecken. Die Beweggründe
dafür sind in einem bislang internen Positionspapier dargelegt, das der Neuen
Zürcher Zeitung (NZZ) vorliegt.
In einer ihrer letzten Ausgaben stellt die NZZ Grundzüge aus dem Papier vor, inklusive einiger Stimmen dazu. „Wir können die Augen vor der Realität nicht verschließen», sagt Valeria Dora, Inhaberin der Morgental-Apotheke von in Zürich-Wollishofen und Präsidentin des Verbandes Stadtzürcher Apotheken (auch: Apothekennetz Zürich), das die rund 110 Apothekeninhaber und -leiter in der Stadt repräsentiert. Cannabis sei mitten in der Gesellschaft angekommen. Schweizweit gebe es Bestrebungen, die weiche Droge unter Auflagen zu legalisieren. Diese Entwicklung wolle man nicht verschlafen. Nach dem Positionspapier, in dem sich das Apothekennetz „ungewohnt deutlich für eine Regulierung von Cannabis stark macht“, soll als erster Schritt der medizinisch-therapeutische Gebrauch entkriminalisiert werden und als zweiter Schritt dann auch der Konsum zu Genusszwecken.
„Uns geht es um Schadensbegrenzung“
Nur durch eine regulierte Abgabe könne der Schwarzmarkt effektiv bekämpft und die Verbindung zu harten Drogen via Dealer gekappt werden, glauben die Zürcher Apotheker. Eine „schrankenlose Liberalisierung“, wie in einzelnen amerikanischen Bundesstaaten, komme aber nicht in Frage. „Uns geht es um Schadensbegrenzung“, stellt Valeria Dora klar.
Nach den Plänen der Apotheker sollen in den Apotheken in Zukunft Personen ab 18 Jahren, die Cannabis konsumierten, reine Arzneidrogen „in pharmazeutischer Qualität“ bekommen können, und zwar drei bis fünf verschiedene Cannabisvarietäten mit unterschiedlich hohen Konzentrationen der psychoaktiven Wirkstoffe Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD). Generell soll Cannabis als Arzneimittel eingestuft werden, inklusive der Produkte mit einem THC-Gehalt von unter einem Prozent, die heute als Lebensmittel gelten und frei verkauft werden dürfen. Die Wirkstoffe müssten auf einem Beipackzettel deklariert werden. Werbung dafür soll verboten sein. „Wir dürfen den Konsum auf keinen Fall verharmlosen oder propagieren“, meint Dora. Vielmehr soll das Fachpersonal in der Offizin „problematischen Konsum“ erkennen und eindämmen.
Preise wie auf dem Schwarzmarkt
Eine neue Einnahmequelle wollten die Stadtzürcher Apotheken damit primär nicht erschließen, ergänzt der Geschäftsführer der Apotheke Limmatplatz Daniel Schönberger, der sich ebenfalls stark für eine Regulierung des Cannabismarktes einsetzt. Heute koste ein Gramm Cannabis auf dem Schwarzmarkt etwa zwölf Franken. Viel höher dürften die Preise auch in einem regulierten Markt nicht sein, meint Schönberger. Nach Steuern und Abgaben an die Produzenten bleibe am Ende wohl keine allzu große Marge für den einzelnen Apotheker. „Ums große Geldverdienen geht es uns sicher nicht“, betont Schönberger. Dennoch könne man den Zürcher Apotheken einen gewissen Geschäftssinn nicht absprechen, meint die NZZ. Gemäß Schätzungen soll der illegale Cannabis-Schwarzmarkt in der Schweiz einen Jahresumsatz von mindestens 600 Millionen Franken machen.
Standesführung gibt sich zurückhaltend
Die Apotheken seien mit ihrem Fachwissen prädestiniert dafür, die Abgabe von Cannabis in einem regulierten Markt zu übernehmen, ist Dora überzeugt. Wichtig seien Schulungen und Weiterbildungen auf diesem Gebiet. In der Apothekerschaft soll in den letzten Jahren ein Mentalitätswandel festgestellt worden sein. Nach einer Mitgliederumfrage im Zürcher Apothekennetzwerk soll sich ein Großteil offen gezeigt haben, in Zukunft Cannabis-Produkte in ihr Sortiment aufzunehmen.
Ganz so weit wie der Stadtzürcher Apothekenverband soll die nationale Dachorganisation der kantonalen Apothekerverbände allerdings noch nicht sein. Die NZZ hat auf Anfrage von pharmaSuisse erfahren, dass man die kontrollierte Abgabe von Cannabis zu medizinischen Zwecken unterstütze. Davon, dass öffentliche Apotheken ein geeigneter Ort für die legale Abgabe von Cannabis zu Genusszwecken darstellten, sei man hingegen „nicht überzeugt“. Gleichwohl begrüße pharmaSuisse Pilotversuche, wie sie unter anderem in Zürich und Bern seit geraumer Zeit angestrebt werden.
Experimentierartikel im Betäubungsmittelgesetz macht den Weg für Pilotversuche frei
Solche Pilotversuche scheiterten bislang an der gesetzlichen Grundlage im schweizerischen Betäubungsmittelgesetz (BetmG). Damit entsprechende Studien bewilligt werden könnten, müsse das Gesetz mit einem „Experimentierartikel“ ergänzt werden, hatte das Bundesamt für Gesundheit (BAG) als Grund für die Verweigerung seiner Zustimmung zu einem Projekt in Bern ins Feld geführt. Genau dieser ist nun geplant. Anfang Juli 2018 hat das Parlament einen neuen Pilotversuchsartikel im Schweizer BetmG in die Vernehmlassung geschickt.
Näheres zu den Voraussetzungen für die Durchführung der Pilotversuche sowie die Einzelheiten des Antragsverfahrens werden in einer neuen Verordnung über Pilotversuche nach dem Betäubungsmittelgesetz (BetmPV) geregelt, die ebenfalls Bestandteil der Vernehmlassung ist. Die Anhörung dauerte bis zum 25. Oktober 2018. In der Stadt Zürich sind ab 2020 Pilotversuche zur Abgabe von Cannabis in Apotheken mit wissenschaftlicher Begleitung geplant. Diese sollen Antworten auf noch ungeklärte gesundheitliche und gesellschaftliche Fragen rund um die regulierte Cannabis-Abgabe liefern.
1 Kommentar
Vorbild
von Georg Trakl am 16.01.2019 um 19:50 Uhr
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