27. NZW Hamburg

Von Arzneimittelskandal bis Zytoralia

Hamburg - 25.01.2019, 17:00 Uhr

Kai-Peter Siemsen bricht eine Lanze für die Empathie der Apotheker. ( r / Foto: DAZ.online)

Kai-Peter Siemsen bricht eine Lanze für die Empathie der Apotheker. ( r / Foto: DAZ.online)


Ein Roboter kann einen Apotheker nicht ersetzen – zumindest derzeit nicht. Ihm fehle die Empathie, erklärte Hamburgs Kammerpräsident Kai-Peter Siemsen beim 27. NZW am heutigen Freitag in Hamburg. Doch Veränderungen lauern auch in der onkologischen Pharmazie – teils erkauft man sich die Vorteile mit einigen Nachteilen. Bei Zytoralia genau so wie bei den anstehenden Konsequenzen aus den Arzneimittelskandalen wie Bottrop und Lunapharm.

„Künstliche Intelligenz, Robotik und 3D-Druck mögen Einzug halten, vielleicht bringt dies auch Vorzüge für Pharmazeuten und Patienten, aber: Der Apotheker kann empathisch reagieren“, erklärte Kai-Peter Siemsen am Freitag in Hamburg. Und weiter: „Das wird lange dauern, bis eine Maschine das kann“. Der Präsident der Landesapothekerkammer Hamburg richtet, wie auch die Jahre zuvor, die begrüßenden Worte an die zahlreichen Apotheker und PTA des 27. onkologisch-pharmazeutischen Fachkongresses NZW.

Apotheker „können" Empathie

Dass Maschinen empathisch reagierten, davon ist Siemsen überzeugt, das werde in unser aller Leben nicht mehr möglich sein. „Gerade die Empathie ist aber ein ganz wichtiger Punkt in der Betreuung onkologischer Patienten“, findet Siemsen, „und dass man diese nicht einfach stumpf nach Leitlinie abhandeln kann“. Klar brauche man fraglos entsprechende fachliche Leitlinien – doch dürfe man darüber hinaus nicht vergessen: „Wir haben es hier mit Menschen zu tun“, erinnert der Präsident. „Und diese Menschen brauchen empathische Betreuung“. Apotheker sind nach Ansicht Siemsens für diese Aufgabe prädestiniert.

Bewährtes und Neues verbinden – auch nach Bottrop

Die Stichwörter Künstliche Intelligenz und Robotik machen deutlich: „Wir befinden uns in Zeiten der Veränderung“, das weiß auch Klaus Meier, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Onkologie. Dieser „blendende Übergang“ mache auch vor der onkologischen Pharmazie keinen Halt, erklärt Meier im Rahmen der Pressekonferenz beim onkologisch-pharmazeutischen Fachkongress. Doch gerade „Bewährtes und Neues zu verbinden, das ist das Geheimrezept des NZW“, so Meier. Wo stehen wir, und wo geht die Reise hin – was die Therapien onkologischer Patienten angehe und die ambulante Versorgung dieser Patienten, aber auch in Bezug auf Arzneimittelskandale. „Arzneimittelskandale lassen uns keine Ruhe“, die Konsequenzen von Bottrop, Lunapharm oder Valsartan beschäftigten die Apothekerschaft. Wichtig sei, dass das Vertrauen in die Apothekerschaft zurückgewonnen werden kann, so Meier.

Zytoralia: Alle Apotheken müssen Bescheid wissen

Für die Zeiten der Veränderung sind in der Onkologie gerade auch die mittlerweile möglichen oralen Zytostatikatherapien ein leuchtendes Beispiel. Laut Dr. Dorothee Dartsch gewinnen Zytoralia mehr und mehr an Bedeutung – derzeit gibt es der Apothekerin zufolge 58 orale Zytostatika – Segen und Fluch zugleich. Denn ermöglichen diese Behandlungsschemata Patienten einerseits, ihre Krebstherapie zuhause durchzuführen – und man kann ihnen Infusionstherapien und Krankenhaustermine ersparen – so bergen diese Optionen andererseits auch Gefahren.

Denn, ob der Patient sein Arzneimittel überhaupt nimmt, und ob er dies regelmäßig und richtig nimmt, können Apotheker und Ärzte bei häuslicher Einnahme nicht länger sichern – was bei Infusionen zweifelsfrei der Fall ist. Das Problem: „Patienten müssen zu 90 Prozent adhärent sein, damit die Therapie Erfolg hat“, erklärt Dartsch. Das ist ein ambitionierter Wert, denn aus Untersuchungen zur Adhärenz aus anderen Therapiebereiche wisse man, dass die Therapietreue sich eher bei 50 bis 60 Prozent verorte.

Patienten merken sich drei Fakten beim Arzt

Vor diesem Hintergrund sieht Dartsch vor allem die öffentlichen Apotheken in der Verantwortung: „Alle Apotheken müssen über Zytoralia Bescheid wissen, nicht nur Apotheken mit Zytostatika-Schwerpunkt“, erklärt Dartsch. Man könne nicht erwarten, dass Patienten ihre Antidiabetika und Antihypertonika in ihrer Hausapotheke besorgen und für ihre orale Krebstherapie eine andere und darauf „spezialisierte“ Apotheke aufsuchen. Und auch dass der Patient beim Onkologen alle Informationen zu seiner Erkrankung und der detailreichen Therapie erhalte oder sich merke, sei nicht der Fall: „Die Aufmerksamkeitsspanne eines Patienten beim Arzt liegt bei 15 Minuten, er kann drei Fakten aufnehmen – beispielsweise Diagnose, Arzneimittel und Prognose – doch 60 Prozent der Patienten haben anschließend noch Gesprächs- und Informationsbedarf“, mahnt Dartsch.

DGOP Oralia Datenbank

So unübersichtlich das Feld der Zytoralia auch scheint, die DGOP hat bereits 2011 eine Datenbank entwickelt: Die DGOP Oralia Datenbank, die jedem Apotheker kostenlos zur Verfügung steht und bei der Beratung zu oralen Zytostatika unterstützt. Im vergangenen Jahr konnte auch die „Internationalität“ der Datenbank erfolgreich abgeschlossen werden und in andere Länder übertragen werden. Gleichzeitig sei die deutsche Datenbank verbessert worden, so Dartsch – durch einen erleichterten Login-Prozess, eine mögliche Sprachwahl für Benutzer und Patient und ein optimiertes Layout von Merkblättern und Einnahmekalendern.

Zur DGOP Oralia Datenbank geht es hier.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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