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Niederlande
Massiver Export durch Apotheker führt zu Engpässen
Die niederländischen Apotheker sehen sich in den letzten Tagen herber Kritik ausgesetzt. Einige sollen vermehrt Arzneimittel exportiert haben, um damit zusätzliche Gewinne einzustreichen. Im Inland soll das zu Versorgungsengpässen geführt haben. Dies betraf im letzten Herbst vor allem Verhütungspillen.
In den Niederlanden ist es im vierten Quartal des letzten Jahres zu einer dramatischen Verknappung bei oralen Kontrazeptiva gekommen. Ende November hatte der niederländische Pharmazeutinnenverband (NOVA) zusammen mit der Königlich-Niederländischen Gesellschaft zur Förderung der Pharmazie (KNMP), der Vereinigung niederländischer Ärztinnen (VNVA) und weiteren Organisationen sogar einen Brandbrief an den zuständigen Minister für Gesundheitsversorgung und Sport Bruno Bruins geschickt. Im Jahr 2017 hätten öffentliche Apotheken 1,7 Millionen Frauen mit hormonalen Kontrazeptiva versorgt, schildern sie darin. 1,2 Millionen hätten eine generische Variante der Kombinationspille mit Ethinylestradiol und Levonorgestrel bekommen, und genau diese sei schon seit Anfang September, das heißt seit drei Monaten, kaum noch erhältlich. Nachdrücklich fordern sie den Minister auf, Zulieferer und Hersteller in die Pflicht zu nehmen und die Verfügbarkeit der Pille auf dem niederländischen Markt nachhaltig zu sichern. Außerdem werden strukturelle Lösungen für die aktuellen Arzneimittelverknappungen eingefordert.
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Kein attraktiver Markt
Erst Mitte Januar 2019 hatte die KNMP, die das Register KNMP Farmanco unterhält, berichtet, dass die Zahl der Lieferengpässe (mehr als 14 Tage nicht verfügbar) in den Niederlanden im Jahr 2018 erneut gestiegen sei (von 732 auf 769). Zu den prominenten Engpässen gehörten neben den Verhütungspillen die Parkinsonmittel Levodopa/Carbidopa. Dies war für die Patienten besonders prekär, weil sie ganz genau auf ihre Medikation eingestellt sind. Auch bei Augenpräparaten und Antibiotika gab es laut KNMP viele Verknappungen. Die ständig zunehmenden Ausfälle hätten verschiedene Ursachen. Aufgrund des Preisfestsetzung und der Präferenzpolitik der Krankenversicherer, mit der die Erstattungspreise in den Niederlanden wirksam gedrückt werden, seien die Preise im Laufe der Jahre stark gefallen. Die Niederlande seien daher kein sehr attraktiver Markt für Hersteller und hielten ihre Lagerbestände absichtlich niedrig. Außerdem könne es durch Schwierigkeiten im Produktionsprozess schnell zu Engpässen kommen.
Vorwurf: Apotheker bestellen koordiniert größere Mengen beim Großhandel und exportieren diese
Ab Dezember oder Januar würden die Hersteller wieder ausreichende Bestände an Antibabypillen vorhalten, versuchte der Minister Ende November als Antwort auf den Brandbrief zu beruhigen. Nun ist das Thema mit einem aufsehenerregenden Artikel in der Tageszeitung „Trouw“ wieder hochgekocht.
Darin werden schwerwiegende Vorwürfe gegenüber den Apothekern, beziehungsweise einigen „schwarzen Schafen“ des Berufsstandes erhoben. Sie verkauften Medikamente an das Ausland, die eigentlich für niederländische Patienten bestimmt seien und provozierten damit die Verknappungen, so die Behauptung. Im Fokus: der Kahlschlag bei den Kontrazeptiva. In „Trouw“ kommt Jan Broeren, Präsident des Verbandes für kleinere Pharmaunternehmen GLN, zu Wort. Er sagt, er kenne eine Reihe von Apothekern, die „koordiniert größere Mengen beim Großhandel bestellen und diese exportieren“. Von vierzig bis hundert werde gemunkelt. Durch diese Praxis fahren beide Seiten Gewinne ein, die niederländischen Apotheker, weil sie durch das erhebliche Preisgefälle, etwa zu Deutschland, für die Präparate mehr Geld bekommen können als von der inländischen Krankenversicherung oder direkt von den Verbrauchern, und die ausländischen Abnehmer, weil sie billiger einkaufen können.
„Omertà“ wie bei der Mafia
Die Apotheker hielten sich bedeckt, stellt „Trouw“ fest. Einer habe gegenüber der Zeitung sogar von „Omertà“, der Schweigepflicht bei der Mafia gesprochen. Apotheker, die von solchen Kollegen wüssten, wollten ihren Namen gegenüber der Zeitung nicht nennen. Dabei ist daran nichts Illegales, solange die Apotheke eine Großhandels-Lizenz hat. Laut Auskunft des Inspektorats für die Gesundheitsversorgung soll es aber „einige Signale“, geben, dass Apotheken Präparate ohne Lizenz exportieren. Beweise, dass dies in größerem Maßstab geschehe, habe man allerdings nicht.
Absurder Rückkauf aus dem Ausland
Der Export der Kontrazeptiva führte zu der absurden Situation, dass Apotheker die benötigten Arzneimittel wieder aus dem Ausland einkaufen mussten. „Wir hatten einen Mangel an Antibabypillen und haben diese aus Deutschland importiert“, schildert ein niederländischer Apotheker. „Was ich aus Deutschland geliefert bekam, war Microgynon mit einem englischen Text." Die Pillen hätten in den Niederlanden 1,90 Euro gekostet. Für den Rückkauf der gleichen Pillen habe der Apotheker 9,90 Euro bezahlt, schreibt „Trouw“.
Der Krankenversicherer VGZ fordere nun eine unabhängige Untersuchung zu den Ursachen der Arzneimittelengpässe in den Niederlanden. Dazu gehörten auch die Handelsströme von Großhändlern und Apothekern Richtung im Ausland. „Solange wir nicht wissen, welche Vorräte wir in den Niederlanden haben und wie viel davon in ein anderes Land verschwindet wissen, wissen wir auch nicht, inwieweit der Export hierzulande Defizite verursachen“, meinte ein VGZ-Sprecher.
„Verwerflich und unmoralisch“
Die KNMP lehnt den Export von Medikamenten bei einer bestehenden Verknappung in den Niederlanden nachdrücklich ab und distanziert sich von den Vorwürfen. „Wir erkennen uns hier nicht wieder“, sagt deren Vorsitzender Gerben Klein Nulent als Reaktion auf die Veröffentlichung in „Trouw“. „Wenn es stimmt, dass Medikamente in einer Mangelsituation exportiert werden, ist dies wirklich verwerflich und unmoralisch.“Die niederländische Patientenvereinigung gebraucht dafür den Ausdruck „bizarr“ und verurteilt ein solches Gebahren ebenfalls scharf. „Wenn das wahr ist, ist es ein Skandal," wettert Pressesprecher Thom Meens. „Das muss doch auffallen, wenn ein Apotheker plötzlich eine Medikamenten-Bestellung mit tausend Stück aufgibt."
2 Kommentare
gewollte Marktwirtschaft
von ratatoske am 11.08.2019 um 14:00 Uhr
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Warum die Aufregung
von ratatosk am 01.02.2019 um 18:22 Uhr
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