Strafprozess zum „Datenklau“ aus dem BMG

Warum dauert das Datenklau-Verfahren so lange?

Berlin - 15.02.2019, 14:00 Uhr

Das Landgericht Berlin: Seit über einem Jahr wird hier gegen Ex-ABDA-Sprecher Thomas Bellartz wegen mutmaßlichen Datenklaus aus dem BMG verhandelt. ( r / Foto: DAZ.online)

Das Landgericht Berlin: Seit über einem Jahr wird hier gegen Ex-ABDA-Sprecher Thomas Bellartz wegen mutmaßlichen Datenklaus aus dem BMG verhandelt. ( r / Foto: DAZ.online)


Nach 36 Hauptverhandlungstagen im „Datenklau“-Prozess gegen Ex-ABDA-Sprecher und Apotheke Adhoc-Herausgeber Thomas Bellartz sowie den Systemadministrator Christoph H. meldete der Verteidiger am heutigen Freitag an, dass der Prozess eigentlich vor der falschen Strafkammer stattfindet – denn beim Landgericht Berlin gebe es eine Kammer mit Sonderzuständigkeit für Verstöße gegen den Datenschutz.

Bereits seit Januar 2018 findet vor der 1. Großen Strafkammer des Landgerichts Berlin die Hauptverhandlung im Strafprozess gegen Ex-ABDA-Sprecher und Apotheke Adhoc-Herausgeber Thomas Bellartz und den früher für das Bundesgesundheitsministerium (BMG) tätigen Systemadministrator Christoph H. statt. Den beiden Angeklagten wird vorgeworfen, brisante Daten aus dem BMG ausgespäht zu haben (§ 202a StGB).

Die Ermittlungsgeschichte

Doch das Verfahren zieht sich nicht nur – es hatte auch schon einen langen Vorlauf. Des Öfteren wurde daher der Vorwurf einer Verfahrensverzögerung laut. Am heutigen Freitag sah sich der Vorsitzende Richter daher veranlasst, den Verfahrensgang bis zum ersten Prozesstag nochmals mit Daten zu veranschaulichen. Begonnen hatte es am 11. September 2012 mit einer Anzeige des BMG, im Dezember 2012 kam es zu einer Durchsuchung im Ministerium. Ein knappes Jahr später, im November 2013 waren die polizeilichen Ermittlungen „vorerst abgeschlossen“ und das Verfahren wurde der Staatsanwaltschaft übergeben. Mitte Dezember 2013 wurde Anklage erhoben. Im Jahr 2014 folgten weitere Untersuchungen von Datenträgern und Zeugenvernehmungen, dazwischen ergingen Beschlüsse. Im September 2014 erklärte die Strafkammer, dass das Zwischenverfahren nicht zügiger voran komme, liege zum einen an der Komplexität des Falles, zum anderen daran, dass sie andere, vorrangige Verfahren zu bearbeiten habe.

Bellartz-Prozess

„Datenklau“-Verfahren

Bellartz-Prozess

Im Januar 2015 erfolgte eine Verfügung mit der Bitte das Verfahren zum Abschluss zu bringen. Am 23. November 2015 wurde es sodann tatsächlich formell eröffnet. Im Februar 2016 bat der Vorsitzende Richter allerdings sein Präsidium um Entlastung. Wegen „drückender Haftsachen“ könne nicht sichergestellt werden, dass das Hauptverfahren gegen Bellartz und H. „stabil“ geführt werden könne. Alle zwei Monate folgten ähnliche Vermerke: Die Kammer sei zu belastet, um für dieses Verfahren Termine anzuberaumen. Anfang 2017 erging dann ein Präsidiumsbeschluss, eine neue Strafkammer zu bilden, die sich um solche Fälle kümmern sollte, die bei anderen Kammern liegen blieben. Kurz darauf gab es jedoch verfassungsrechtliche Bedenken und das Verfahren wanderte an die 1. Kammer zurück. Diesen Wechsel zwischen zwei unterschiedlichen Strafkammern hatte  Bellartz‘ Anwalt Carsten Wegner bereits am ersten Prozesstag moniert.

Im August 2017 war es dann soweit: Die ersten Verhandlungstermine für das „Datenklau-Verfahren“ standen. Die Botschaft des Vorsitzenden Richters am heutigen Freitag lautete somit letztlich: Es ging einfach nicht schneller – dass alles so lange dauerte, hatte seine Gründe.

Wegner: Strafjustiz hat Verzögerungen zu verantworten

Darauf erklärte Bellartz‘ Verteidiger, man sollte auch aufnehmen, dass ohnehin schon seit 36 Verhandlungstagen vor einer Strafkammer verhandelt werde, die gar nicht zuständig sei. Denn es gebe am Landgericht Berlin eine Strafkammer mit Sonderzuständigkeit für Datenschutzfälle. Wäre direkt dorthin verwiesen worden, dann wären die Überlastungen der 1. Großen Strafkammer kein Thema gewesen. „Herr Bellartz steht vor dem falschen Richter“, so Wegner. Alle Verzögerungen – dabei bleibt der Anwalt – seien der Strafjustiz zuzurechnen. Der Vorsitzende Richter nahm diese Erklärung auf – wies aber auch darauf hin, dass sie nicht für eine Beschleunigung des Verfahrens sorgen werde.

Überdies wies die Strafkammer erneut drei Beweisanträge Wegners zurück. Diese stammten noch vom Frühjahr und Sommer des vergangenen Jahres. Unter anderem ging es darum, zu belegen, wo sich Bellartz oder ein früherer BMG-Beamter zu einem gewissen Zeitpunkt aufgehalten haben. Hier entschied das Gericht, es gehe zugunsten von Bellartz davon aus, dass es so gewesen sei, wie dieser es behaupte.

Urteil vor Ostern?

Was Bellartz‘ Mitangeklagten H. betrifft, so hat es das Landeskriminalamt geschafft, später noch zur Untersuchung eingereichte Datenträger schneller auszuwerten als zunächst angedacht. Geht nun alles glatt, könnte am 13. März die Staatsanwaltschaft ihr Plädoyer halten, am 27. März wären die Angeklagten an der Reihe. Sodann sind noch zwei Termine im April vereinbart – ein Urteil vor Ostern könnte damit möglich sein.



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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