Dynamischer Evidenzpreis

TK: Gentherapeutika sollen ihren Wert turnusmäßig beweisen

Berlin - 27.02.2019, 16:45 Uhr

TK-Chef Jens Baas findet, neue Technologien müssen ihren Nutzen regelmäßig unter Beweis stellen. (s / Foto: imago)

TK-Chef Jens Baas findet, neue Technologien müssen ihren Nutzen regelmäßig unter Beweis stellen. (s / Foto: imago)


Hoffnungsträger für Schwerkranke, drohende Kostenexplosion für die Kassen: Wie sich die Ausgaben bei Gentherapeutika bändigen lassen, dazu hat die Techniker Krankenkasse einen Vorschlag, den sie am heutigen Mittwoch in Berlin vorstellte. Und zwar fordert die Techniker, dass bei der Preisbildung neuartiger Therapien der klinische Nutzen immer wieder neu bewertet werde. Dazu sollen die Ergebnisse laufender und unabhängiger Register einfließen.

Etwa 300.000 Euro kostet die CAR-T-Zelltherapie gegen Blutkrebs von Novartis. Roche will Hämophilie künftig mit einer Gentherapie für 1 Million Euro heilen – würden damit alle der rund 4.000 Betroffenen in Deutschland behandelt werden, würden die GKV-Ausgaben für diese Krankheit auf 4 Milliarden Euro* steigen: Sogenannte ATMPs (=advanced therapy medicinal products) bewegen sich preislich in höheren Dimensionen als klassische Arzneimittel. Die Zahl der ATMP-Zulassungsverfahren wächst, die Datenlage zu diesen Behandlungsmethoden ist meistens dünn.

Neue Verfahren für neue Technologien

Aus Sicht der Techniker Krankenkasse (TK) eignet sich das AMNOG-Verfahren nicht zur Preisbildung dieser Technologien. „Wir brauchen einen schnellen Marktzugang für diese vielversprechenden Therapien und eine regelmäßige Überprüfung ihrer Erfolge und Kosten“, erklärte TK-Chef Jens Baas auf einer Pressekonferenz am heutigen Mittwoch in Berlin. Um die zu erwartende Kostenexplosion zu kontrollieren, hat die Techniker ein Konzept entwickelt, den „Dynamischen Evidenzpreis“.

Nach Vorstellungen der Techniker soll zunächst der Gemeinsame Bundeausschuss entscheiden, ob ein neues Medikament den AMNOG-Prozess durchlaufen oder nach dem Verfahren „dynamischer Evidenzpreis“ bewertet werden soll. Im Gegensatz zum AMNOG-Verfahren soll es für innovative Technologien direkt bei Marktzutritt eine Preisobergrenze geben. Diese solle zunächst für zwei Jahre gelten und sich, ähnlich wie im TSVG-Entwurf für die Impfstoffe vorgeschlagen, nach einem europäischen Referenzwert orientieren.

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*Anmerkung der Redaktion: Wir haben die Hochrechnung auf die Zahl der Betroffenen ergänzt.

Turnusmäßige Preisverhandlungen

Ab Zeitpunkt der Zulassung soll von unabhängiger Stelle ein fortlaufendes und unabhängiges Register geführt werden, in das die Behandlungserfahrungen mit der neuen Technologie einfließen. Diese Erhebungen sollen primär von den Kassen finanziert werden, die sich die Kosten von den Herstellern durch Preisabschläge zurückholen sollen. Nach 24 Monaten sollen Hersteller und Kassen auf Basis der Registerdaten erstmals einen Erstattungspreis auszuhandeln. Im Folgenden soll der Preis alle zwölf Monate neu verhandelt werden – unter Berücksichtigung der Ergebnisse aus den kontinuierlichen Datenerhebungen.

Unabhängig vom Hauptziel der Kostenkontrolle will die TK Europa als Forschungsstandort stärken: Und zwar sollen Pharmafirmen, die in Europa forschen und entwickeln in den ersten 24 Monaten einen Aufschlag auf ihren Preis nehmen dürfen.

Noch in dieser Wahlperiode

Das TK-Konzept ist an einigen Stellen noch recht holzschnittartig. So ist beispielsweise noch unklar, in welcher Form die Ergebnisse einer nicht-interventionellen Registerstudie in die Preisberechnung einfließen sollen. Im klassischen AMNOG-Prozess stützt sich das IQWIG ausschließlich auf randomisiert-kontrollierte Studien mit vordefinierten Fallzahlen, Endpunkten, Ein- und Ausschlusskriterien sowie dem Vergleich zu einer Standardtherapie. Diese Voraussetzungen bestehen bei Beobachtungsstudien in der Regel nicht. Ferner ist noch nicht definiert, wie eine Unabhängigkeit etwa beim Studiendesign gewährleistet werden kann, wenn die Kassen primär die Studie finanzieren sollen.

Die Techniker würde ihre Idee gerne noch in dieser Legislaturperiode in einem laufenden Gesetzgebungsverfahren untergebracht sehen. Eignen würde sich dazu das Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV). Ein entsprechender Änderungstrag liegt allerdings noch nicht vor.



Dr. Bettina Jung, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online
redaktion@daz.online


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