Zulassungsempfehlung

Zanamivir demnächst auch intravenös gegen Grippe

Stuttgart - 05.03.2019, 09:00 Uhr

Zanamivir ist ein Hemmer des viralen Enzyms Neuraminidase, das unter anderem entscheidend für das Eindringen des Influenzavirus (hier abgebildet) in eine noch nicht infizierte Zelle ist.

Zanamivir ist ein Hemmer des viralen Enzyms Neuraminidase, das unter anderem entscheidend für das Eindringen des Influenzavirus (hier abgebildet) in eine noch nicht infizierte Zelle ist.


Der Humanarzneimittelausschuss der EMA, der CHMP, hat ein neues Arzneimittel gegen Grippe zur Zulassung empfohlen – Dectova®. Es wird als Infusion verabreicht und enthält mit dem Neuramidase-Hemmer Zanamivir einen bekannten Wirkstoff. Dectova® soll schweren Fällen vorbehalten sein, wenn andere Grippemittel nicht geeignet sind. Die Empfehlung erfolgte, obwohl der Hersteller keine vollständigen Daten über die Wirksamkeit und Sicherheit seines Arzneimittels vorlegen kann („under exceptio
nal circumstances“).

Der Neuraminidase-Hemmer Zanamivir ist ein alter Bekannter. Als Relenza® ist er bereits seit 1999 zur Behandlung der Influenza A und B zugelassen. Appliziert wird er dort per Inhalation. Aller Voraussicht nach wird der Wirkstoff demnächst zusätzlich als Infusion unter dem Namen Dectova® zur Verfügung stehen. Der Humanarzneimittelausschuss der EMA (CHMP) hat vergangene Woche die Zulassung empfohlen.

Diese soll sich aber auf die komplizierte und potenziell lebensbedrohliche Influenza A und B beschränken, wenn bekannt ist oder der Verdacht besteht, dass das Virus resistent gegen andere Grippemittel ist und/oder andere Arzneimittel inklusive inhalativem Zanamivir für den jeweiligen Patienten nicht infrage kommen. Treffen diese Voraussetzungen zu, ist die Anwendung unter Berücksichtigung der Leitlinien bereits bei Säuglingen ab einem Alter von sechs Monaten möglich. Der Nutzen von Dectova® soll darin liegen, die Symptome schneller abklingen zu lassen und die Genesung zu beschleunigen. Die häufigsten Nebenwirkungen sind Durchfall, Erhöhung der Leberwerte, Leberzellschäden und Ausschlag.

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Die Zulassung würde, wenn die EU-Kommission der Empfehlung folgt, auf Basis einer Sonderregelung erfolgen: Wenn ein Antragsteller aus objektiven und nachprüfbaren Gründen, zum Beispiel aus ethischen Erwägungen oder weil das Patientenkollektiv zu klein ist, auch in Zukunft keine vollständigen Daten über die Wirksamkeit und Sicherheit seines Arzneimittels vorlegen kann, ist in Ausnahmefällen unter bestimmten Bedingungen (under exceptional circumstances) trotzdem eine zentrale Zulassung möglich. Die Bedingungen werden offensichtlich bei Dectova® als gegeben erachtet. Sie werden allerdings jährlich überprüft.

Zulassung in Ausnahmefällen vs. bedingte Zulassung

Unter bestimmten Voraussetzungen können zentrale Zulassungen auch erteilt werden, wenn ein Antragsteller nicht alle erforderlichen Daten vorlegen kann. So kann zum Beispiel für Arzneimittel zur Behandlung, Vorbeugung oder Diagnose von Krankheiten, die zu schwerer Invalidität führen oder lebensbedrohend sind, die in Krisensituationen eingesetzt werden sollen, oder auch für orphan drugs, eine bedingte Zulassung (conditional marketing authorisation) erteilt werden. Dies geht aber nur, wenn das Nutzen-Risiko-Verhältnis des Arzneimittels positiv ist und wahrscheinlich ausreichende klinische Daten nachgereicht werden können. Ist es aus objektiven und nachprüfbaren Gründen nicht möglich, die Daten nachzureichen, kann in Ausnahmefällen unter bestimmten Bedingungen (under exceptional circumstances) trotzdem eine zentrale Zulassung erteilt werden. Dies kann z.B. bei sehr seltenen Tumorerkrankungen oder kleinen Patientenkollektiven der Fall sein. Die Bedingungen werden jährlich neu beurteilt.


Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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