Kammergericht

EAV darf HIV-Infizierte mit „smarter“ Therapiebegleitung umwerben

Berlin - 06.03.2019, 17:00 Uhr

Smart HIV soll HIV-Infizierte besser durch die Therapie begleiten. Der Verband Sozialer Wettbewerb sieht die Werbung hierfür jedoch kritisch. (Foto: EAV)

Smart HIV soll HIV-Infizierte besser durch die Therapie begleiten. Der Verband Sozialer Wettbewerb sieht die Werbung hierfür jedoch kritisch. (Foto: EAV)


Die niederländische Europa Apotheek umwirbt gezielt HIV-Patienten: Das „smart HIV-Kompetenzteam“ soll für eine persönliche Therapiebegleitung sorgen, zudem gibt es ein spezielles HIV-Magazin. Im April 2018 warb der Versender in einem Schwulen-Magazin für sein „Smart HIV“-Programm. Der Verband Sozialer Wettbewerb sah darin einen Verstoß gegen das Heilmittelwerberecht und beantragte beim Landgericht Berlin erfolgreich eine Einstweilige Verfügung. Nun hat das Kammergericht diese wieder aufgehoben.

Die Europa Apotheek bietet für verschiedene chronische Erkrankungen ihre sogenannte Smart+ Therapiebegleitung an – unter anderem für HIV. Im April vergangenen Jahres schaltete sie im Schwulen-Lifestyle-Magazin für Berlin „blu“ eine Anzeige für dieses Programm. Darin hieß es unter anderem: „Wir begleiten Sie in ihrer Therapie: Immer ein persönlicher Ansprechpartner, immer Ihre Medikation im Überblick, immer eine Antwort auf Ihre Fragen“. Auch der Hinweis auf den Sofort-Bonus der Europa Apotheek – bis zu 30 Euro pro Rezept – fehlte nicht.

Der Verband Sozialer Wettbewerb mahnte den Versender ab, weil er meinte, es handele sich hier um eine unzulässige Werbung für ein Verfahren, das zur Linderung der HIV-Infektion führt. Das angebotene Beratungsprogramm sei nämlich als Verfahren im Sinne des § 12 Abs. 2 Heilmittelwerbegesetz (HWG) anzusehen. Dieser Paragraf verbietet in seinem ersten Absatz zunächst, außerhalb der Fachkreise für Arzneimittel und Medizinprodukte zu werben, wenn sich diese Werbung auf die Erkennung, Verhütung, Beseitigung oder Linderung bestimmter in einer Anlage aufgeführter Krankheiten oder Leiden bezieht. Das sind unter anderem nach dem Infektionsschutzgesetz meldepflichtige Krankheiten oder durch meldepflichtige Krankheitserreger verursachte Infektionen. Im zweiten Absatz gibt es ein entsprechendes Werbeverbot „für andere Mittel, Verfahren, Behandlungen oder Gegenstände“.

Das Landgericht Berlin gab dem Antrag des Verbandes statt und erließ die Einstweilige Verfügung. Der Europa Apotheek wurde damit die Werbung für ihr Smart+ HIV Programm außerhalb der Fachkreise untersagt. Der Versender legte daraufhin Widerspruch ein. Doch das Landgericht bestätigte seine erste Entscheidung: Die Werbung verstoße gegen § 12 Abs. 2 HWG, denn nach § 7 Infektionsschutzgesetz sei bei HIV der direkte oder indirekte Nachweis zu melden. Daraus ergebe sich, dass § 12 Abs. 2 HWG auch für HIV-Infektionen gelte.

Kammergericht: Imagewerbung, die nicht unter das Heilmittelwerbegesetz fällt

Die Europa Apotheek legte erneut Rechtsmittel ein – und hatte damit vor dem Kammergericht Berlin Erfolg. Dieses entschied, dass die beanstandete Werbung gar nicht unter das Heilmittelwerbegesetz falle. Zudem werbe der Versender nicht für ein Verfahren im Sinne des § 12 Abs. 2 HWG, das sich auf die Linderung einer Krankheit beziehe. Es hob daher die Einstweilige Verfügung auf.

In seinem Urteil legt das Kammergericht zunächst dar, dass das Heilmittelwerbegesetz allein für produktbezogene Werbung, nicht aber für allgemeine Firmenwerbung (Unternehmens- und Imagewerbung) gilt. Welche Form der Werbung vorliegt, sei nach dem Gesamterscheinungsbild zu beurteilen – Maßstab sei hier der angesprochene Verkehr, hier also HIV-Infizierte. Die Richter kommen zu dem Schluss, dass die Werbung HIV-Infizierten Leistungen verspreche, die ohnehin zu den Aufgaben eines Apothekers gehörten (insbesondere Beratung, Verantwortung für die Erfassung von Arzneimittelrisiken, die Information und Beratung) – wenn auch in einer besonderen Qualität. Es sei kein spezielles Behandlungsangebot, sondern eine Beratung, die auf einer verordneten Therapie aufbaue. Auszuschließen sei damit ein Produktbezug, es liege vielmehr eine allgemeine Firmenwerbung vor, die ohne Bezugnahme auf bestimmte Produkte für das Ansehen und die Leistungsfähigkeit des Unternehmens werbe.

Ohnehin sei in der Werbung kein konkretes Produkt, das man als „Verfahren oder Behandlung“ im Sinne des Heilmittelwerbegesetzes (§ 1 Nr. 2, § 12 Abs. 2 Satz 1 HWG) bezeichnen könnte. Es gehe vielmehr um einen „Service“. Und darunter sei im vorliegenden Zusammenhang der Dienst am Kunden beziehungsweise ein besonderes Bemühen um Kundenzufriedenheit zu verstehen.

Beim Verband Sozialer Wettbewerb überlegt man nun, ob er nach diesem letztlich erfolglosen Eilverfahren ein Hauptsacheverfahren in die Wege leiten will. Gegenwärtig prüfe man die Erfolgsaussichten einer solchen Klage. Eine Entscheidung sei noch nicht gefallen.

Urteil des Kammergerichts vom 29. Januar 2019, Az.: 5 U 108/18 



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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