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Das ist der Knaller der Woche: Die EU-Kommission setzt Deutschland unter Druck, endlich die Preisbindung bei Rx-Arzneimitteln für die Arzneiversandhäuser aus Holland abzuschaffen. Die Versender aus dem EU-Ausland seien dadurch benachteiligt. Das EuGH-Urteil müsse ohne Wenn und Aber umgesetzt werden. Sollte Deutschland nicht innerhalb von zwei Monaten spuren, gibt’s eine Klage vor dem EuGH. Dann verklag uns doch, möchte man der EU-Kommission zurufen! Und was sagt die ABDA dazu? Nichts, es war Feiertag in Berlin, Frauentag! Sorry, der ABDA-Kommentar kommt erst am Montag.
4. März 2019
Die Importförderklausel, sie beschäftigt den Bundesrat und uns noch immer. Und noch ist das letzte Wort nicht gesprochen: Es gibt Chancen, dass diese anachronistische Regelung in der Tat bald der Vergangenheit angehört. So hat sogar der Gesundheitsausschuss bereits empfohlen, die Klausel zu streichen. Das Land Brandenburg, leidgeprüft durch die Lunapharm-Importaffäre, hatte bereits einen Antrag zur Abschaffung der Klausel eingebracht. Mein liebes Tagebuch, da könnte sich wirklich noch etwas bewegen. Es sind vor allem die Länder, die durch die Importförderung Risiken für die Patientensicherheit sehen: komplexe Vertriebswege beim Parallelhandel, der nach Beobachtungen der Strafverfolgungsbehörden sowie der für die Arzneimittelüberwachung zuständigen Behörden von einer zunehmenden Zahl von Arzneimittelfälschungsfällen betroffen ist. Mein liebes Tagebuch, hoffen wir auf die Streichung der Importförderklausel.
Sie sind besonders ärgerlich, die kleinen monatlich abgebuchten Beträge, die sich übers Jahr rasch summieren, beispielsweise die monatlichen Nutzungsgebühren für Securpharm, die die Apotheken an die Netzgesellschaft Deutscher Apotheker (NGDA), eine Tochter der ABDA, entrichten müssen: 10 Euro pro Monat, 120 Euro im Jahr. Rund 2,3 Mio. Euro kann die NGDA hier im Jahr einstreichen. Und wofür? Es ist die Nutzungsgebühr für den Securpharm-Apothekenserver. Peinliche Panne: Rund ein Drittel aller Apotheken erhielt kürzlich eine Zahlungsaufforderung, obwohl diese Apotheken sich bereits für das SEPA-Lastschriftverfahren registriert hatten.* Kann passieren. Mittlerweile hat die ABDA-Tochter den Fehler entdeckt und entschuldigt sich bei den betroffenen Apothekern, der Fehler wird sich nicht wiederholen. Was bleibt: Hier zehn Euro, dort ein paar Euro. Mein liebes Tagebuch, die Ärzte würden mit Sicherheit bei den Krankenkassen anklopfen und um Ausgleich für die Kosten anfragen. Und wir? Wir zahlen brav, das Schweigen der Lämmer. Wir sind schon gespannt was uns dann der E-Rezept-Server kosten wird.
5. März 2019
Der Kenner setzt auf Bio, auch bei Cannabis. Das zeigt die Statistik des Deutschen Arzneiprüfungsinstituts: Rund 95.000 Kassenrezepte über Cannabis-Zubereitungen oder unverarbeitete Blüten haben die deutschen Apotheken im vergangenen Jahr beliefert. Der Anteil der Cannabis-Fertigarzneimittel war 2018 mit rund 53.000 Packungen deutlich geringer. Und der Trend bei Cannabis-Blüten zeigt weiter nach oben. Geschätzt haben die Krankenkassen rund 50 Mio. Euro im letzten Jahr für die Cannabisrezepturen ausgegeben. Dem Bundesgesundheitsminister ist das zu viel, er will die Kosten halbieren und fordert Kassenverband und Apothekerverband auf, sich auf einen neuen, sprich niedrigeren Rezepturzuschlag zu einigen. Mein liebes Tagebuch, Die Identitätsprüfung von Canabisblüten ist teuer, zeitaufwendig und kostet Referenzsubstanzen. Das muss vergütet werden, da gibt’s kein Wenn und Aber. Andererseits, nicht alle Apotheken sind davon angetan, die aufwendigen Identitätsprüfungen machen zu müssen. Letztlich ist auch die Vergütung dafür nicht kostendeckend, die Apotheken legen drauf. Billiger für die Kassen würde es allerdings mit einem Trick, den bereits das Land Schleswig-Holstein anwendet: Es behandelt die Packung mit Cannabisblüten, die aus den Niederlanden kommen, als Fertigarzneimittel: Bingo! Preisberechnung nach der AMpreisV und kein Rezepturzuschlag und für die Apotheke kein Aufwand. Ginge das auch in anderen Bundesländern? Klar, theoretisch schon, die Zuständigkeit für solche Entscheidungen liegt auf Länderebene und die Verantwortung für ordentliche Qualität liegt auch bei den Cannabis-Agenturen der jeweiligen Länder, wo die Blüten bereits ausgiebig geprüft wurden. Das sieht auch der drogenpolitische Sprecher der Linksfraktion im Bundestag, Niema Movassat, so. Er fordert die Bundesregierung dazu auf, medizinisches Cannabis deutschlandweit als Fertigarzneimittel einzustufen. Für den BAK-Präsidenten Kiefer ist das allerdings keine Alternative. Bei der Sicherheitsprüfung dürfe nicht gespart werden, wettert er. Ist da etwa für Kiefer als Vorsitzenden der Kommission des Deutschen Arzneimittel-Codex (DAC), der die Prüfvorschriften für Cannabisblüten entwickelt, ein kleiner Interessenskonflikt zu sehen?
6. März 2019
Er ist rührig und er hat viel zu tun, unser Bundesgesundheitsminister. Da kann er sich nicht gleichzeitig um alles kümmern. Uns so warten wir geduldig, wie es wohl mit seinem Eckpunktepapier und dem ABDA-Vorschlag zum Apothekenmarkt weitergeht. Immerhin geht’s da ums Rx-Versandverbot, um Gleichpreisigkeit, um Boni-Deckel oder Boni-Verbot und letztlich um kleine Honorarverbesserungen (Aufstockung des Notdienstfonds) und die Weiterentwicklung unseres Berufes (bezahlte Dienstleistungen). Hinter den politischen Kulissen ist ein wenig Bewegung zu sehen: Es gab Meinungsverschiedenheiten innerhalb von Unionspolitikern. Einige von ihnen wollen die Boni-Deckel von Spahn nicht mittragen und sie wollen keinen Rx-Versand. Mein liebes Tagebuch, das könnte darauf hindeuten, dass uns da noch ein längerer Gesetzgebungsprozess bevorsteht. Aber der CDU-Gesundheitspolitiker Hennrich hat versprochen: Die Unionsfraktion will die Apotheker nicht länger warten lassen und sich dafür einsetzen, dass rechtssichere Regelungen für die Apotheker noch im „Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung“ (GSAV) verabschiedet werden. Konkret würde dies bedeuten, dass sich die Union schon in den kommenden Wochen einig sein müsste, wo’s lang geht. Bloß wie die neuen Regelungen aussehen könnten – da wollte sich auch Hennrich noch nicht festlegen. Spielt man aber die Möglichkeiten durch, könnte sich eine Kompromisslösung abzeichnen, nämlich ein Boni-Verbot übers SGB V, um die Gleichpreisigkeit zu erhalten. Hat den Pferdefuß, dass es dann wahrscheinlich Einbußen bei den Honorarverbesserungen geben dürfte. Mein liebes Tagebuch, es ist zum Mäusemelken.
7. März 2019
Und dann das! Das knallt richtig rein: Die EU-Kommission hat Deutschland ein offizielles Mahnschreiben geschickt und fordert die Bundesregierung auf, innerhalb von zwei Monaten endlich die Preisbindung bei Rx-Arzneimitteln für EU-Versender aufzuheben, sonst gibt’s eine Klage vor dem EuGH für Deutschland. Mein liebes Tagebuch, das ist mega-heftig! Die EU-Kommission will das ewige Hin und Her der Diskussionen übers EuGH-Urteil zur Rx-Preisbindung nicht länger mit ansehen. Ja, war dann das Hickhack ums Rx-Versandverbot, um Boni-Deckel, um Gleichpreisigkeit für die Katz? Die EU lässt in diesem Mahnschreiben wissen, dass sie unbeirrbar am Kern des Urteils festhält: Das System fester Preise beeinträchtigt den Handel zwischen den EU-Ländern, solche Vorschriften verstoßen gegen den Grundsatz des freien Warenverkehrs und benachteiligt ausländische EU-Versender. Und auch für die Arzneiversorgung in ländlichen Regionen Deutschlands wäre es positiv, wenn die Patienten neben den Vor-Ort-Apotheken die Möglichkeit hätten, ihre Arzneimittel „zu günstigen Preisen im Internet zu bestellen“. Mein liebes Tagebuch, es geht also nur um Wettbewerb, nicht um Sicherheit. Da kann einem doch das Messer in der Hose aufgehen! Was ist das für eine absurde Argumentation! Der Patient bezahlt doch seine Rx-Arzneimittel nicht selbst und die Boni der ausländischen Versender haben nichts mit „günstigen Preisen im Internet“ zu tun. Es sind doch gerade die Boni und Rabatte, die u. a. dazu führen dass Apotheken auf dem Land platt gemacht werden. Ungeachtet dessen, bald wird’s ernst. Innerhalb von zwei Monaten muss hier eine Lösung gefunden werden, die nach den Willen der EU-Kommission heißt: Für die ausländischen Versender gelten die deutschen Arzneimittelpreise nicht, sie dürfen dafür verlangen was sie wollen, heißt so viel wie: Sie müssen auch Boni und Rabatte geben dürfen wie sie wollen. Eine EU-Kommission dürfte demnach kein Versandverbot, aber auch keine Boni-Deckel tolerieren.
8. März 2019
Mein liebes Tagebuch, von der ABDA ist auf das Ultimatum der EU bis jetzt nichts zu hören, ihr hat’s die Sprache verschlagen. Ach nee, pardon, in Berlin war ja Frauentag, d.h. Feiertag, da wird dann wohl nicht gearbeitet: Wegen des Feiertags, so lässt die ABDA wissen, ist eine Stellungnahme erst am Montag zu erwarten. Starkes Signal, mein liebes Tagebuch. Vielleicht musste die obere Männer-Riege der ABDA erst mal über den Frauentag nachdenken und nachzählen, wie viele Frauen an der ABDA-Spitze stehen. Da hat’s dann keine Zeit mehr für Stellungnahmen, gell? Diese Stichelei musste sein, mein liebes Tagebuch.
Zurück zum EU-Ultimatum: Auf den ersten Blick sieht es nun so aus, als ob die Forderung nach einem Rx-Versandverbot endgültig dahin ist genauso wie die Forderung nach Gleichpreisigkeit. Alles stürzt in sich zusammen. Wirklich? Die Bundesregierung könnte es doch auch drauf ankommen und sich verklagen lassen. Dann fangen wir von vorne an und treffen uns wieder vor dem EuGH – mit neuen, mit besseren Argumenten. Mal sehen, ob dann immer noch Wettbewerb vor Sicherheit geht. Auch der CDU-Gesundheitspolitiker Hennrich bleibt gelassen: Er meint, man müsse sich das alles mal genau ansehen. Und die Gleichpreisigkeit könne man noch umsetzen, indem die Arzneimittelpreisverordnung aus dem Arzneimittelrecht ins Sozialrecht übertragen werde. Wenn’s denn hilft. Mein liebes Tagebuch, man kann sich auch fragen, warum gerade jetzt die EU-Kommission so ein Mahnschreiben verschickt. Klar, der Zeitpunkt passt, das macht Druck auf die bevorstehenden Verhandlungen zur Reform des Apothekenmarkts. Aber es kommen auch Verschwörungstheorien auf, dass hier interessierte Kreise die Strippen mitgezogen haben, um die ausländischen Versender am deutschen Markt partizipieren zu lassen. Man kann sich auch fragen, wie wohl Spahn selbst diesen EU-Vorstoß sieht? Macht es ihm diese EU-Aktivität nicht einfacher zu handeln? Er kann sich auf die Anweisungen von oben zurückziehen, jetzt endlich zu Potte kommen zu müssen. Worauf wir uns aber vermutlich einstellen müssen: Die schön ausgemalten Pakete von Spahn oder ABDA werden so nicht durchsetzbar sein, nicht in dieser Zusammensetzung. 375 Mio. Euro für die Apotheker? Man kann sich nur sehr schwer vorstellen, dass das jetzt alles so kommt. Also, vielleicht sollten wir es dann doch lieber drauf ankommen lassen: Wir lassen uns verklagen, nehmen uns ein paar Super-Anwälte und bringen damit das Rx-Versandverbot vor den EuGH. Schlimmer geht nimmer, wir können doch nur noch gewinnen.
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*Hinweis der Redaktion: In einer früheren Version des Artikels hieß es, dass die NGDA die Securpharm-Beiträge bei einem Drittel der Apotheker schon abgebucht hatte und dann eine zweite Rechnung schickte. Das ist so nicht richtig: Die NGDA versichert, dass es keine Doppel-Abbuchungen gegeben habe.
12 Kommentare
Stahlharte Verbände
von Wolfgang Müller am 10.03.2019 um 14:57 Uhr
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Funktioniert noch die Gewaltenteilung in der EU?
von Gunnar Müller, Detmold am 10.03.2019 um 11:57 Uhr
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Na und?
von Reinhard Herzog am 10.03.2019 um 11:46 Uhr
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AW: Eben!
von Kerstin Kemmritz am 10.03.2019 um 11:56 Uhr
AW: Na und
von Karl Friedrich Müller am 10.03.2019 um 13:07 Uhr
AW: Na und ...
von Christian Timme am 10.03.2019 um 13:43 Uhr
Europäische Gesundheitspolitik für „Randgruppen“ ...
von Christian Timme am 10.03.2019 um 9:56 Uhr
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Europe first / European Way of life / Zentralismus / Europa richtig machen
von Martin Didunyk am 10.03.2019 um 9:18 Uhr
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Superanwälte und Gelassenheit
von Ulrich Ströh am 10.03.2019 um 8:51 Uhr
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AW: Superanwälte und Gelassenheit
von gabriela aures am 10.03.2019 um 10:08 Uhr
ABDA und die Superanwällte, ich lach mich schlapp
von Karl Friedrich Müller am 10.03.2019 um 8:15 Uhr
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AW: ABDA und die Superanwällte, ich lach
von Thomas Trautmann am 10.03.2019 um 11:20 Uhr
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