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SPD-Ministerin beim niedersächsischen Apothekertag
Reimann: Die Gleichpreisigkeit hat sozialen Charakter
Beim niedersächsischen Apothekertag erklärte Landesgesundheitsministerin Carola Reimann (SPD), die Gleichpreisigkeit von Rx-Arzneimitteln entspreche dem sozialen Charakter der Gesundheitsversorgung. Darum unterstütze die Landesregierung das Rx-Versandverbot. Zuvor hatten Kammerpräsidentin Magdalene Linz und der Verbandsvorsitzende Berend Groeneveld die Probleme der Apotheken deutlich gemacht. Groeneveld hatte sogar angedacht, die Apotheken könnten ihren Versorgungsauftrag zurückgeben, wenn Preiswettbewerb bei Rx-Arzneimitteln politisch gewollt sei.
Der zehnte niedersächsische Apothekertag mit etwa 500 Teilnehmern fand am vergangenen Samstag und Sonntag in Hannover statt. Die Themen waren bunt gemischt, aber bei der Eröffnung stand die Politik im Mittelpunkt. Landesgesundheitsministerin Dr. Carola Reimann (SPD) betonte ihre gute Beziehung zu den Apothekern und dankte für die Zusammenarbeit mit Kammer und Verband. Niedersachsen habe als erstes Bundesland den verpflichtenden Stationsapotheker eingeführt und Reimann sei schon lange der Meinung, die pharmazeutische Expertise der Apotheker solle besser genutzt werden. Die Ministerin dankte für das Engagement der Apotheken bei der Einführung von Securpharm. „Sie waren gut vorbereitet“, lobte Reimann und bedauerte, dass so wenig darüber gesprochen werde, wenn etwas gut läuft. Die Apotheken böten auch wesentliche Beiträge zur Gesundheitsfürsorge und Prävention. „Apotheken sind als Schnittstelle zwischen Arzt und Patient wichtige Pfeiler der Gesundheitsversorgung“, so Reimann. Außerdem seien sie Garanten für eine flächendeckende Versorgung. Für die Landesregierung sei es wichtig, dies zu erhalten.
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Darum habe man sich auch mit dem Eckpunktepapier von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) zu den Apotheken beschäftigt. Eine solche Reform müsse gründlich durchdacht werden und schnell erfolgen. Doch Reimann erwarte sie nicht mehr im Rahmen des Terminservice- und Versorgungsgesetzes (TSVG) und „ich sehe sie auch nicht im GSAV“, erklärte Reimann. Sie positionierte sich damit im Widerspruch zu vielen kursierenden Erwartungen. Zum Hintergrund: Bisher wird vielfach spekuliert, die vorgeschlagenen Neuregelungen könnten als Änderungsanträge zum Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV) formuliert und damit kurzfristig ins parlamentarische Verfahren eingebracht werden.
Deutliches Bekenntnis zur Gleichpreisigkeit
Inhaltlich sieht Reimann im Eckpunktepapier sinnvolle Ansätze bei der Preisbindung im SGB V, der freien Apothekenwahl, der höheren Notdiensthonorierung und neuen Mitteln für pharmazeutische Leistungen. Auch eine erhöhte Btm-Gebühr und die Definition der Botendienste könnten helfen. „Aber zentral wichtig ist die Gleichpreisigkeit“, betonte Reimann, denn „die Gleichpreisigkeit entspricht dem sozialen Charakter unserer Gesundheitsversorgung der Bevölkerung“. Vor diesem Hintergrund seien Boni abzulehnen. Reimann erklärte weiter: „Wir bekennen uns zu dem, was wir im Koalitionsvertrag verabredet haben“. Niedersachsen unterstütze weiterhin die Einführung eines Rx-Versandverbotes. Dass die SPD-Politiker in Niedersachsen im Versandhandelskonflikt eine andere Meinung haben, als ihre Kollegen auf Bundesebene, ist schon länger bekannt. Schon kurz nach dem EuGH-Urteil zur Preisbindung sprach sich die damalige SPD-Gesundheitsministerin Cornelia Rundt für ein Rx-Versandverbot aus.
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Außerdem bekannte sich Reimann in ihrer Rede zur Beibehaltung des Fremd- und Mehrbesitzverbotes und verweis dabei auf die jüngsten Entwicklungen auf der EU-Ebene. Damit spielte sie offenbar auf das EU-Vertragsverletzungsverfahren zur Preisbindung für ausländische Versender an. Auch der Oberbürgermeister von Hannover, Stefan Schostok, würdigte die Arbeit der Apotheken. Die Apotheker seien persönlich ansprechbar. Das biete ein Online-Angebot nicht.
Linz fordert Wettbewerbsgleichheit
Unmittelbar vor Reimanns Grußwort hatten Magdalene Linz, Präsidentin der Apothekerkammer Niedersachsen, und Berend Groeneveld, Vorsitzender des Landesapothekerverbandes Niedersachsen, die schwierige Lage der Apotheken beschrieben. Linz berichtete, dass Niedersachsen in zehn Jahren mehr als zehn Prozent seiner Apotheken verloren habe, besonders in den Städten. Dennoch sei die Versorgungssicherheit gewährleistet, auch mit Botendiensten. Versand sei dafür nicht nötig. Doch die Rahmenbedingungen müssten stimmen, damit das Netz nicht weiter ausgedünnt werde. Außerdem sollte die pharmazeutische Kompetenz der Apotheker besser zum Wohl der Patienten genutzt werden. Linz dankte der niedersächsischen Landesregierung für die Einführung des Stationsapothekers und verwies zugleich auf ein wesentliches Problem bei den öffentlichen Apotheken: Linz machte die Diskrepanz zwischen dem Modellprojekt der Apotheker mit der AOK Niedersachsen über Medikationschecks und den Problemen auf der Bundesebene deutlich. Niedersachsen sei mit diesem Projekt ein Vorreiter. Die Apotheker seien bereit, weitere solche Leistungen zu erbringen, die dann aber auch zusätzlich honoriert werden müssten. Doch Verträge über pharmazeutische Dienstleistungen als Regelleistungen dürften mit der GKV nicht abgeschlossen werden.
Linz ging außerdem auf die Meldungen zum drohenden EU-Vertragsverletzungsverfahren ein und erklärte dazu: „Wir brauchen nicht die Verschärfung der Wettbewerbsungleichheit. Wir brauchen Wettbewerbsgleichheit.“ Nötig sei ein diskriminierungsfreier Zugang zu Arzneimitteln auch für Menschen ohne Smartphone und für funktionelle Analphabeten. Dazu seien gleiche Preise nötig und wenn das nicht anders möglich sei, auch das Rx-Versandverbot.
Gedankenspiel zum Versorgungsauftrag
Groeneveld beschrieb die Zeiten für die Apotheken als ernst. Sie seien von der wirtschaftlichen Entwicklung abgekoppelt. „Stimmung und Motivation sind auf Tiefstand“, erklärte Groeneveld. Die Apotheken würden immer in Vorleistung treten, aber nicht ausreichend honoriert. Groeneveld fragte: „Was haben wir getan, dass wir nichts kriegen?“ Die Anpassungen der Honorierung für die Rezeptur und den Notdienst würden nur den gestiegenen Anforderungen folgen und Verluste reduzieren.
Groeneveld beklagte zudem, dass Bundesgesundheitsminister Spahn sich innerhalb von zwei Monaten nicht zu den Vorschlägen der Apotheker geäußert habe. Der Verbandsvorsitzende erläuterte weiter, die Preisbindung sei ein Schutz der Patienten vor Übervorteilung. Dieser Schutz dürfe nicht durch die EU ausgehöhlt werden. Für die Apotheker sei die Gleichpreisigkeit unverzichtbar. Groeneveld forderte daraufhin mindestens eine Aktion, die die gleiche Wirkung wie ein Rx-Versandverbot hat. Denn Preiswettbewerb bei Rx-Arzneimitteln folge nicht der sozialen Marktwirtschaft und sei nicht mit der Daseinsvorsorge vereinbar. „Pseudoneoliberaler Wettbewerb lässt den Schwachen verlieren, das ist der Patient“, erklärte Groeneveld und knüpfte ein bemerkenswertes Gedankenspiel daran: „Wenn das politisch gewollt ist, müssen wir darüber nachdenken, ob wir den Versorgungsauftrag zurückgeben.“ Denn dann könnten die Apotheken diesen Versorgungsauftrag nicht mehr erfüllen. Gegenüber DAZ.online verdeutlichte Groeneveld, dies sei in Verbindung mit dem Kontrahierungszwang zu sehen, der auch zu unrentablen Geschäften verpflichtet.
Bei der Begrüßung erläuterte Groeneveld weiter, vor Qualitätswettbewerb hätten die Apotheken keine Angst. Dazu verwies auch Groeneveld auf den Vertrag mit der AOK Niedersachsen über Medikationschecks und auf die Lotsenfunktion der Apotheken. Die Bundespatientenbeauftragte habe kürzlich solche Lotsen gefordert, aber die Apotheken würden jeden Tag diese Aufgaben wahrnehmen. Dafür bräuchten die Apotheker Struktursicherheit für sich und für ihren Berufsnachwuchs, aber auf der Bundesebene vermisse er den Willen sich dafür einzusetzen.
Neuer Aufwind für das Rx-Versandverbot?
Auch nach der Eröffnung waren die jüngsten Meldungen über ein angedrohtes EU-Vertragsverletzungsverfahren ein häufig angesprochenes Thema in den Pausengesprächen beim niedersächsischen Apothekertag. Dabei war immer wieder die Einschätzung zu hören, eine solche Drohung aus Brüssel könne die deutschen Politiker zu einer wirksamen Gegenmaßnahme motivieren. Daraufhin sahen manche Teilnehmer die Wahrscheinlichkeit für das Rx-Versandverbot steigen.
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