Zahl verdreifacht in Europa

Masern: Weltweit alarmierende Ausbrüche und Impflücken

Stuttgart - 14.03.2019, 10:15 Uhr

Madagaskar zählt mittlerweie 1.140 Maserntote. Laut Unicef erhielten dort seit Anfang des Jahres 3,4 Millionen Kinder Impfschutz; im März sollen weitere 3,9 Millionen erreicht werden. (r / Foto: UNICEFUN0284068Rabezandriny)

Madagaskar zählt mittlerweie 1.140 Maserntote. Laut Unicef erhielten dort seit Anfang des Jahres 3,4 Millionen Kinder Impfschutz; im März sollen weitere 3,9 Millionen erreicht werden. (r / Foto: UNICEFUN0284068Rabezandriny)


Baden-Württemberg, Niedersachsen, Madagaskar, Neuseeland und die USA. All diese Orte haben eines gemeinsam: Sie sind aktuell von einem deutlichen Anstieg an Masernfällen betroffen. Madagaskar zählt mittlerweile 1.140 Tote. Doch das sind nur die Orte, über die aktuell berichtet wird: Die Ukraine, die Philippinen und Brasilien verzeichneten zwischen 2017 und 2018 weltweit den stärksten Anstieg an Masernfällen. All diese Fälle verdeutlichen, wie wichtig eine maximale Impfrate ist, um auch periodische Masernausbrüche zu vermeiden.

Masern dominieren derzeit die Gesundheitsthemen in den Publikumsmedien: Bereits vergangene Woche hatten das Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg und Niedersachsen auf deutlich steigende Zahlen von Maserninfektionen hingewiesen. In Niedersachsen scheint vor allem eine Schule im Landkreis Hildesheim von einem Masernausbruch betroffen zu sein. Nur noch geimpfte Kinder dürfen die Gesamtschule bis zum Ende der kommenden Woche besuchen, heißt es in einer Meldung der Deutschen Presse-Agentur (dpa).

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Baden-Württemberg und Niedersachsen

Zahl der Masernfälle steigt

Die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin e.V. reagierte am vergangenen Montag in einer Pressemitteilung auf den Masernausbruch in Niedersachsen: „Impfpflicht für die Masernimpfung: notwendiger denn je!“, heißt es dort. Am gestrigen Dienstag haben es die Masern dann sogar in die Bild-Zeitung geschafft: „Masern-Fall bei McDonald's in Trudering.“ Das Münchner Referat für Gesundheit und Umwelt (RGU) bittet ungeimpfte Gäste des McDonald‘s-Restaurants in der Wasserburger Landstraße 52 in Trudering, die sich am Montag (4. März) und Mittwoch (6. März) jeweils zwischen 11 und 19 Uhr im McDonald’s aufgehalten haben, sich umgehend im Sachgebiet Meldewesen unter 233-47809 zu melden, heißt es dort. 

Wer dahinter (wenig gefährliche) Einzelfälle vermutet, der sollte seinen Blick nach Madagaskar richten: Wie die dpa am gestrigen Dienstag meldete, werden dort infolge einer Masernepidemie mittlerweile 1.140 Tote gezählt. Vor knapp einem Monat sollen es noch 900 Tote gewesen sein. Die Zahl erfasster Infektionen stieg seitdem von 66.000 auf 87.000. Die WHO (Weltgesundheitsorganisation) habe mitgeteilt, dass dort die meisten Opfer Kinder im Alter bis 14 Jahren sind. Anders in Neuseeland: Laut einer weiteren dpa-Meldung sollen dort in den vergangenen Tagen mehr als zwei Dutzend Erkrankungen registriert worden sein. Auffällig dabei: Etwa ein Drittel aller bekannten Fälle betreffen die Altersgruppe von 29 bis 50 Jahren.

Fallzahlen verdoppelt und verdreifacht

Weltweit hat sich die Zahl gemeldeter Masernerkrankungen 2018 im Vergleich zum Vorjahr nach vorläufigen Zahlen auf 229.000 Fälle verdoppelt, wie die WHO kürzlich mitteilte. Die tatsächliche Zahl dürfte aber über der Zwei-Millionen-Grenze liegen, sagte Katherine O'Brien, Direktorin der WHO-Impfabteilung, der dpa. Auch das UN-Kinderhilfswerk Unicef warnte am 1.März davor, dass die Zahl der Masernerkrankungen weltweit auf ein „alarmierendes Hoch“ gestiegen sei. Im vergangenen Jahr hätten 98 Länder von einem Anstieg berichtet. Allein zehn Staaten seien dabei für 74 Prozent des Anstiegs verantwortlich. Auch in Ländern, die eigentlich als „masernfrei“ galten seien neue Ausbrüche zu verzeichnen (zum Beispiel USA, siehe nächste Seite). Laut Unicef sind zwischen 2017 und 2018 die Ukraine, die Philippinen und Brasilien vom Masernanstieg am stärksten betroffen gewesen.

Auf den Philippinen erkrankten 2019 bereits 12.736 Menschen, 203 starben. Diese Entwicklung könnte maßgeblich durch das abgebrochene landesweite Dengue-Impfprogramm bedingt sein, was 2017 zu einem allgemeinen Vertrauensverlust in Impfstoffe in der Bevölkerung führte.

Wer jetzt wiederum denkt, Masern seien vor allem ein Problem in Ländern weit weg von Europa, der sollte sich bewusst machen, dass sich die Masernerkrankungen in der WHO Region Europa (dazu gehören auch Russland, die zentralasiatischen Republiken, die Türkei und Israel) 2018 gegenüber 2017 nicht nur – wie weltweit – verdoppelt, sondern verdreifacht haben. Das soll die höchste Zahl in diesem Jahrzehnt gewesen sein und das 15-Fache der niedrigen Zahl von 2016. In der Ukraine soll es 2018 allein 35.120 registrierte Erkrankungen gegeben haben. In den ersten beiden Monaten in 2019 sollen sich dort, laut Unicef weitere 24.042 Personen infiziert haben.

Die Lage in Europa zu Beginn 2019

Am 8. März ist der monatliche Bericht des ecdc (European Centre for Disease Prevention and Control) zu Masern und Röteln erschienen. Der Bericht bildet den Zeitraum 1. Februar 2018 bis 31. Januar 2019 ab: Von 30 Ländern aus der EU und dem Europäische Wirtschaftsraum (EEA) haben 19 Länder insgesamt 881 Masern-Fälle gemeldet. Zehn Länder meldeten keine Fälle. Deutschland war das einzige Land, das für den Januar 2019 keine Daten übermittelte. Auf der Internetseite von SurvStat@RKI kann man aber die Meldedaten nach Infektionsschutzgesetz (IfSG) über das Web abfragen. Dort wurden für die Kalenderwoche 1-5 im Monat Januar 2019 zusammengerechnet für Deutschland 102 Masern-Fälle gemeldet.

Rumänien, Italien, Polen und Frankreich hatten mit 261, 165, 133 und 124 Fällen die höchste Zahl an Masernfällen im Januar 2019 zu verzeichnen. Besonders stark gestiegen, im Vergleich zu den Vormonaten November und Dezember 2018, seien die Fallzahlen in Italien, Polen, Frankreich und Österreich. Bezieht man sich auf die Zahlen des RKI (Robert Koch-Institut), würde das auch für Deutschland gelten, wo im November und Dezember 2018 je zehn Masernfälle gemeldet wurden. 

Periodische Masernausbrüche könnten immer mehr Erwachsene gefährden

Zwischen 1. Februar 2018 und 31. Januar 2019 wurden aus den 30 EU/EEA-Ländern 12.266 Masern-Fälle berichtet, 8.580 davon wurden auch im Labor bestätigt (70 Prozent). Spitzenreiter waren dabei Frankreich (2.800), Italien (2.632), Griechenland (1.862), Rumänien (1.247), Großbritannien (941), Slowakei (614) und Deutschland (516). Gerade für Rumänien sollen die tatsächlichen Fallzahlen aber höher liegen, wo ein anhaltender Masernausbruch zu Verzögerungen bei der Berichterstattung geführt haben soll.

Aus diesen Zahlen einen Trend abzuleiten, erscheint schwierig, klar ist nur, dass die Masern ein Problem sind und bleiben. Die Pressesprecherin des RKI hat DAZ.online darauf hingewiesen, dass das Problem bei den Masern die periodischen Ausbrüche seien. Dadurch ließe sich schwer vorhersagen, wie sich die Zahlen in der Zukunft entwickeln. 

Kleine ungeimpfte Gruppen gefährden die restliche Bevölkerung

Dem Thema „periodische Masernausbrüche“ hat sich auch ein Artikel in Ärzteblatt Ende Januar 2019 gewidmet. Dort wird beschrieben, warum das periodische Auftreten besonders problematisch ist: So kommt es dann zu einem Ausbruch, wenn eine kritische Masse an ungeimpften Personen erreicht ist und sich das Virus ausbreiten kann. Nach etwa einem Jahr bessert sich die Lage zunächst wieder. Anschließend wächst durch neue Geburten aber wieder die Zahl der Menschen, die sich mit dem Virus anstecken können – der Beginn einer neuen Krankheitswelle. Wer dann erwachsen ist und als Kind nicht geimpft wurde oder eine Maserninfektion überstanden hat, den trifft die Infektion besonders schlimm. Die Masern verlaufen im höheren Lebensalter oft schwerer. So können kleine nicht geimpfte Menschengruppen in ansonsten geimpften Populationen zu immer neuen großen Ausbrüchen führen.

Die USA galt eigentlich als masernfrei

Dieses Problem zeigt sich auch in den USA, wie DAZ.online im März 2018 berichtete: Eigentlich wurde der gesamte amerikanische Kontinent Ende September 2016 als frei von Masern erklärt. Die USA gelten bereits seit 2000 als masernfrei. In den USA traten 2014 mit 667 Fällen zuletzt die meisten Masernerkrankungen in einem Jahr auf. Sie wurden vornehmlich aus nicht geimpften Amish-Gemeinschaften gemeldet. Viele weitere Fälle wurden wahrscheinlich aus den Philippinen eingeschleppt.

Das war wie erwähnt der Stand im März 2018. Am gestrigen Dienstag meldete aber beispielsweise das US-amerikanische Time Magazine, dass bis zum 7. März 2019 in zwölf US-Staaten insgesamt 228 Masernfälle bestätigt wurden. Damit wäre schon rund ein Drittel der Fälle von 2014 erreicht. Besonders schwer sollen New York und der Staat Washington betroffen sein. Die US-amerikanische Gesundheitsbehörde CDC (Centres for Disease Control and Prevention) führt die Ausbrüche vor allem auf Reisende aus Israel und der Ukraine zurück. Bereits 2018 gab es mit 372 Masernfällen die meisten Fälle seit 2015, die auf 17 Ausbrüche zurückzuführen waren.



Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Impfungen - Beispiel Masern

von Andreas Wiegand am 15.03.2019 um 8:10 Uhr

Der Anstieg der Todesfälle weltweit bei Masern verdeutlich, wie wichtig Impfungen sind. Das Wort "Kinderkrankheiten" führt oft zur Assoziation, es handele sich um harmlose Infektionskrankheiten. Das Gegenteil ist der Fall. In Deutschland hat sich Skepsis gegenüber Impfungen breit gemacht, die Nutzen und Risiko von Impfungen in Frage stellen. Hier gilt es die Zahlen, Daten und Fakten zu verdeutlichen.
Weltweit stehen die reichen Länder in der Pflicht große Impfprogramme weiterhin finanziell ausreichend auszustatten. Dass Infektionen an Landesgrenzen Halt machen, daran zu glauben wäre so naiv wie weiterhin an harmlose "Kinderkrankehtien" zu glauben.

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