Innovative Technologien aus Tübingen

Impfstoffe schnell drucken, wo sie gebraucht werden

Remagen - 22.03.2019, 15:50 Uhr

Das Tübinger Biopharma-Unternehmen CureVac hat eine mobile Mini-Fabrik entwickelt, mit der sich Impfstoffe vort Ort schnell herstellen lassen. (Foto: CureVac)

Das Tübinger Biopharma-Unternehmen CureVac hat eine mobile Mini-Fabrik entwickelt, mit der sich Impfstoffe vort Ort schnell herstellen lassen. (Foto: CureVac)


Bei Epidemien Impfstoffe direkt vor Ort herstellen und in kurzer Zeit massenweise bereitstellen. Das klingt derzeit noch utopisch, könnte aber vielleicht in einigen Jahren Wirklichkeit werden. Ein Tübinger Biopharma-Unternehmen hat für diesen Zweck eine mobile Mini-Fabrik entwickelt und bekommt dafür jetzt 34 Millionen US-Dollar Förderung.

Seit der Gründung vor fast zwanzig Jahren hat das biopharmazeutische Unternehmen CureVac in Tübingen* nach eigenen Angaben Pionierarbeit in der Entwicklung von RNA-basierten Medikamenten geleistet. Eingesetzt werden die neuen Technologien zur Entwicklung von Krebstherapien, prophylaktischen Impfstoffen und Molekulartherapien, z. B. zur Behandlung seltener Enzymmangelerkrankungen.

Wie LNP-formulierte mRNA-Impfstoffe funktionieren

Während bei konventionellen Impfansätzen lebende oder inaktivierte Pathogene verabreicht werden, um eine Immunreaktion des Körpers hervorzurufen, transportieren messenger RNA (mRNA) basierte Vakzine lediglich Information in die Zelle. Dadurch wird diese veranlasst, ein spezifisches Protein oder Antigen zu bilden und damit eine Immunantwort zu erzeugen. Um den Abbau der mRNA zu verhindern und die Effektivität des Impfstoffes zu verbessern, hat CureVac sie außerdem in eine Schutzhülle eingekapselt, die aus Lipidnanopartikeln (LNP) besteht.

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Kleine mobile Produktionseinheit

Eine von CureVac entwickelte innovative Plattform soll in Zukunft innerhalb kurzer Zeit LNP-formulierten mRNA-Impfstoffkandidaten herstellen können, die sich gegen bekannte Pathogene einschließlich Lassafieber, Gelbfieber und Tollwut richten. Außerdem soll sie auch gegen neue und bisher unbekannte (von der WHO als „Krankheit X" bezeichnete) Pathogene einsetzbar sein, und zwar direkt vor Ort in Regionen, in denen eine Epidemie ausbricht.   

Der Prototyp für den „The RNA Printer™“ ist eine transportable, kleinformatige, automatisierte, lokale mRNA-Produktionseinheit. Der Drucker kann innerhalb von wenigen Wochen mehrere Gramm der LNP-formulierten mRNA für mehr als hunderttausend Impfstoff-Dosen produzieren. Außerdem soll die Plattform auch mRNA-Impfstoffkandidaten gegen mehrere Pathogene erzeugen können. Dies spart nach Angaben von CureVac im Vergleich zu anderen Impfstoffplattformen Zeit und Kosten. 

*Korrektur: In einer ursprünglichen Version des Artikel hieß es, CuraVac sei in Heidelberg ansässig. Richtig ist Tübingen. Wir bitten, die geographische Verwirrung zu entschuldigen.

 Klinische Phase-I-Studien im Menschen sollen starten

Nun steigt die Koalition für Innovationen zur Vorsorge vor Epidemien (Coalition for Epidemic Preparedness Innovations, CEPI) in die Weiterentwicklung des RNA Printer™-Prototyps ein. Ende Februar haben CureVac und CEPI den Abschluss eines Partnerschaftsvertrags im Wert von bis zu 34 Millionen US-Dollar bekanntgegeben.

CEPI ist eine innovative Partnerschaft von öffentlichen, privaten, Hilfs- und Zivilorganisationen. Sie wurde 2017 gegründet und soll die Entwicklung von Impfstoffen gegen zukünftige Epidemien fördern. Zu den mehrjährigen Geldgebern von CEPI gehören Norwegen, Deutschland, Japan, Kanada, Australien, die Bill & Melinda Gates Foundation und Wellcome. Außerdem könnte finanzielle Unterstützung seitens der EU in relevante CEPI-Projekte fließen. Auf der Grundlage des dreijährigen Partnerschaftsvertrags mit CEPI soll CureVac seine mRNA-Plattform für die präklinische Entwicklung von Impfstoffkandidaten gegen das Lassafieber, Tollwut und Gelbfieber einsetzen. Lassafieber werde auf der F&E-Liste der WHO als Krankheit mit hoher Priorität geführt wird, merkt CureVac an. Nach präklinischen Tests für die drei genannten Indikationen sollen zwei der Impfstoffkandidaten in klinischen Phase-I-Studien im Menschen erprobt werden.   

Großes Potenzial zum Schutz vor tödlichen Pathogenen

„Die mRNA-Technologie von CureVac kann zur Codierung vieler Proteine oder Antigene konzipiert werden. Das bietet ein großes Potenzial für die Entwicklung von Impfstoffen, die vor tödlichen Pathogenen schützen”, betont Unternehmens-Chef Daniel Menichella. „Wir freuen uns darauf, gemeinsam mit CEPI das volle Potenzial des The RNA Printer™ zu nutzen, um sowohl schnell vor Ort in den von einer Epidemie betroffenen Regionen als auch in Krankenhäusern für die personalisierte medizinische Anwendung produzieren zu können.”

Richard Hatchett, CEO der CEPI meint, dass die Impfstoffplattform von CureVac bahnbrechend sein und die Möglichkeiten, auf das Auftreten von Krankheit X zu reagieren, radikal verbessern könnte. „Krankheit X könnte plötzlich auftreten und tödliche Folgen haben. Wir haben das bei Ebola, dem MERS-Coronavirus, Zika und unzähligen anderen Krankheiten bereits erlebt“, sagt Hatchett. „Deshalb haben wir uns zum Ziel gesetzt, Impfstoffplattformen mit schneller Reaktionszeit zu entwickeln, wie die mRNA-Technologie von CureVac, um uns gegen diese unbekannten Pathogene verteidigen zu können.“

Das CureVac-CEPI-Projekt, das im März 2019 gestartet werden soll, bindet noch andere Partner ein. Die Rede ist von mehreren renommierten internationalen Organisationen, darunter der University of Wisconsin-Madison, VisMederi, dem Institut für Tropenmedizin Tübingen, sowie einem zusätzlichen Partner aus dem Bereich Maschinenbau. 

 



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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