Ina Richling, Apothekerin, PharmD (University of Florida, USA), Referentin für verschiedene Apothekerkammern im Bereich Fort- und Weiterbildung, Dozentin der AMTS Projekte ATHINA und Apo-AMTS, DAZ-Autorin und Herausgeberin des Buches „Medikationsanalyse – Grundlagen und Fallbeispiele“
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Interview mit Apothekerin Ina Richling
„Das Pharmazeutische ist unsere Zukunft“
Das überarbeitete Apotheken-Eckpunktepapier von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sorgt für Diskussionsstoff. So gibt es Zweifel, ob die Verankerung des Rx-Boni-Verbots im SGB V dazu geeignet ist, die Gleichpreisigkeit wiederherzustellen. Auch bei den pharmazeutischen Dienstleistungen gibt es Kritik – hauptsächlich bezüglich der veranschlagten Summe. Dass Apotheker grundsätzlich die Möglichkeit bekommen müssen, Dienstleistungen abrechnen zu können, halten aber viele für unerlässlich, so zum Beispiel Apothekerin und PharmD Ina Richling. Warum, erzählt sie im Interview.
DAZ.online: Jens Spahns Apothekenpaket enthält neben Plänen zur Wiederherstellung der Gleichpreisigkeit den Vorschlag, es Apotheken zu ermöglichen, mit den Kassen Verträge über pharmazeutische Dienstleistungen zu schließen. Es wäre der erste Schritt weg von der an die Packungsabgabe gekoppelten Honorierung. Ist dieser Schritt überfällig?
Richling: Ja, es ist Zeit dafür! Apothekerinnen und Apotheker erbringen mehr und mehr pharmazeutische Leistungen, die es vor zwanzig Jahren noch gar nicht gab und die nicht in der packungsbezogenen Honorierung enthalten sind. Diese Leistungen, wie zum Beispiel die Medikationsanalyse 2a, haben einen großen Nutzen für die Patienten, sie können aber nicht ohne Honorierung angeboten werden. Leistungserbringer und Politik wollen heute auf die Kompetenz der Apotheker nicht verzichten. Erstmalig gibt es die Chance, dass diese kognitiven Leistungen der Apothekerinnen und Apotheker für die Patienten zur Sicherheit der Arzneimitteltherapiesicherheit bezahlt werden. Es ist an der Zeit!
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„Medikationsanalyse soll die Kernkompetenz zukünftiger Apotheker sein“
DAZ.online: Kann man sagen, wenn die Apotheken vor Ort eine Zukunft haben wollen, müssen sie das Pharmazeutische stärken, weil die Logistik irgendwann keiner mehr bezahlen wollen wird, weil sie automatisierbar ist oder es jemand anders billiger macht?
Richling: Die Gefahr besteht, dass andere, die Logistik billiger können, uns darin überholen. Dennoch sollte die Abgabe prinzipiell nicht von der Beratung zum Arzneimittel getrennt werden – das soll nicht das Ziel sein. Aber das Pharmazeutische ist unsere Kernkompetenz, das ist unsere Zukunft. Das können wir Apotheker im Angesicht des Patienten besser als jeder Algorithmus und Versender. Die arzneimittelbezogenen Probleme der Patienten sind so individuell wie die Lösungen – das kann kein Computer. Im Gesundheitssystem spielt Vertrauen zudem eine große Rolle.
DAZ.online: Sind andere Länder da weiter als wir?
Richling: Ja, in den USA, Großbritannien, Niederlanden und vielen anderen Ländern ist die Honorierung von kognitiven pharmazeutischen Dienstleistungen Realität. Sie ist akzeptiert und hilft auch dabei, dass Apotheker mit Ärzten und anderen Heilberufen erfolgreich im multidisziplinären Team arbeiten. Der Apotheker mit seiner pharmazeutischen Kompetenz wird dort sehr viel stärker wertgeschätzt – er ist bereits unverzichtbarer Akteur im Gesundheitssystem.
Werden honorierte Dienstleistungen allein die Existenz der Vor-Ort-Apotheken sichern?
DAZ.online: Aber werden honorierte pharmazeutische Dienstleistungen allein die Existenz der Apotheken vor Ort sichern?
Richling: Nein, sicher zunächst nicht. Um diese Leistungen zum Wohle des Patienten erbringen zu können, brauchen wir von der Politik sichere ökonomische und personelle Rahmenbedingungen. Die Honorierung von pharmazeutischen Dienstleistungen ist genau der richtige Schritt – wenn sie zusätzlich zur normalen Honorierung erfolgt – denn es sind zusätzlich erbrachte Leistungen.
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DAZ.online: Welche Dienstleistungen könnten Sie sich mittelfristig in der Apotheke vorstellen?
Richling: Ich denke, es sollte
erst einmal mit einer überschaubaren Anzahl von Dienstleistungen begonnen
werden, die von uns Apothekern sauber definiert werden. Die Medikationsanalyse
2a ist eine komplexe Dienstleistung, die aber bereits von vielen Kollegen
erbracht werden kann. Sie könnte, wie Prof. Jaehde als Ergebnis der 3A-Studie
vorstellte, eine Kernkompetenz der Apotheke werden.
Zahlreiche Schulungen der
Kammern dazu und die Leitlinie der BAK haben die Grundlage für eine
einheitliche Vorgehensweise mit einem Qualitätsstandard gelegt.
Aber auch andere Dienstleistungen sind vorstellbar: Zum Beispiel die Überprüfung des Medikationsplans auf Vollständigkeit mit Abgleich der Medikation (Medikationsplan vs. Brown Bag); Präventionsleistungen, Screening auf chronische Erkrankungen wie Diabetes und Hypertonie oder spezielle Dienstleistungen, wie das Stellen/Neuverblistern von Arzneimitteln für Pflegepatienten zu Hause; oder auch das Ausstellen und Beliefern von Folgerezepten. Hier kann durch uns die Pflege entlastet werden, die Qualität der Versorgung steigt und Patienten können länger im häuslichen Umfeld verweilen. Es gewinnen alle Beteiligten.
Wir sollten einfach erst einmal anfangen, ich bin sicher dann können wir weitere sinnvolle Dienstleistungen entwickeln.
Weiterhin sollte es eine
Honorierung geben, wenn Apotheker spezielle arzneimittelbezogene Probleme
entdecken, die eine zeitaufwändige und intensive Beratung erfordern,
möglicherweise mit Arztkontakt – zum Beispiel bei unklarer Dosierung,
Doppelverordnungen oder komplexen Wechselwirkungen.
Intensive Schulungen der
Patienten bei Erstverordnung von Insulinen und anderen erklärungsbedürftigen
Arzneimitteln zählen sicher auch zu den kognitiven Dienstleistungen, die
honoriert werden sollten. Ein Versender bekäme ja sonst die gleiche Vergütung
für weniger Leistung. Wir können unseren Mehrwert so auch deutlich machen.
Natürlich gehört auch das Impfen in allen modernen Gesundheitssystemen zu einer Leistung, die niedrigschwellig zugänglich sein muss, auch ohne Termin und nach der Arbeit. Studien haben gezeigt, dass sich so die Impfquote deutlich erhöhen lässt. Wichtig ist natürlich auch, dass wir hier mit der Ärzteschaft zusammen eine Lösung erarbeiten. Wir sollten uns als Team verstehen und gemeinsam nach tragbaren Lösungen suchen, die allerdings das Patientenwohl als Ziel haben müssen.
Aber – wir sollten einfach erst einmal anfangen, ich bin sicher dann können wir weitere sinnvolle Dienstleistungen entwickeln. So lief das in anderen Ländern auch.
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