Eppendorfer Dialog zur Gesundheitspolitik

Antibiotikaresistenz: Die Umsetzung ist das Problem

Hamburg - 27.03.2019, 16:15 Uhr

Referenten
beim Eppendorfer Dialog, von links: Dr. Rainer Höhl, Ute Leonhardt, Prof. Dr.
Karin Kraft, Prof. Dr. Alena Buyx, Gitta Connemann, Prof. Dr. Achim Jockwig
(Moderator). ( r / Foto: tmb)

Referenten beim Eppendorfer Dialog, von links: Dr. Rainer Höhl, Ute Leonhardt, Prof. Dr. Karin Kraft, Prof. Dr. Alena Buyx, Gitta Connemann, Prof. Dr. Achim Jockwig (Moderator). ( r / Foto: tmb)


Rationaler Antibiotikaeinsatz im Krankenhaus

Dr. Rainer Höhl, Oberarzt am Institut für Klinikhygiene, Klinikum Nürnberg, erwartet keine Lösung durch neue Antibiotika, weil es nur wenige grundlegende Wirkungsmechanismen für Antibiotika gebe. Aussichtsreicher sei der richtige Umgang mit Antibiotika, der mit dem Schlagwort „Antimicrobial Stewardship“ beschrieben werde. Dazu gehörten Hygienemaßnahmen sowie die richtige Anwendungsdauer und Dosierung. Denn für die Ausbildung von Resistenzen seien höhere Konzentrationen als für die erwünschte Wirkung nötig. Erfreulicherweise habe auch bei der Anwendungsdauer ein Umdenken stattgefunden. Es sei nicht generell zu empfehlen, Antibiotikapackungen aufzubrauchen. Wenn es den Patienten besser gehe, sei es in vielen Fällen angebracht, den Arzt zu kontaktieren und eine mögliche frühere Beendigung der Einnahme besprechen. Höhl betonte, dass die Patienten überwiegend resistente Erreger ins Krankenhaus mitbringen und nicht dort erwerben. Als Beispiel für eine aussichtsreiche Maßnahme gegen Resistenzen berichtete Höhl über Blutspiegeluntersuchungen an über 1000 Krankenhauspatienten. Bei fast der Hälfte der Patienten sei daraufhin die Dosis geändert worden. Dabei seien allerdings öfter Dosiserhöhungen als -senkungen nötig gewesen. Jockwig bedauerte, dass weder Blutspiegelbestimmungen noch das Vorhalten von Quarantänebetten in der deutschen Krankenhausfinanzierung honoriert würden.

Alternativen aus der Natur

Als Alternative zum Antibiotikaeinsatz in manchen Fällen beschrieb Prof. Dr. Karin Kraft, Stiftungsprofessorin für Naturheilkunde an der Universität Rostock, das Potenzial der Phytotherapie. Viele Pflanzeninhaltsstoffe seien durch ihren unspezifischen Wirkungsmechanismus breit wirksam. Kraft nannte altbekannte Beispiele wie Bärentraubenblätter, ätherische Öle, Saponine in Primelwurzeln und Allizin in Knoblauch. Einige solche Phytopharmaka würden auch in modernen Leitlinien empfohlen, erklärte Kraft. Als zukunftsweisende Idee präsentierte sei den Ansatz, ätherische Öle zusammen mit Antibiotika einzusetzen, um eine synergistische Wirkung zu erzielen und resistente Keime möglicherweise wieder empfindlich zu machen.

Ethische Debatte um Rationierung von Antibiotika

Prof. Dr. Alena Buyx, Medizinethikerin an der Universität München und Mitglied im Deutschen Ethikrat, konstatierte, dass alle Maßnahmen ausgeschöpft werden müssten, um den Antibiotikaeinsatz zu rationalisieren. Dies sei „absoluter Konsens“. Doch angesichts der schwierigen Umsetzung müsse rechtzeitig diskutiert werden, ob und wie Antibiotika auch rationiert werden müssten. Einige Länder wie Norwegen seien da bereits „gnadenlos“. Es gehe darum, Antibiotika gemäß Leitlinien mit Verzögerung oder nur in schweren Fällen zu verordnen. Damit würden höhere Komplikationsraten und sogar eine Erhöhung des relativen Mortalitätsrisikos um ein Prozent in Kauf genommen. Dem stehe das kollektive Interesse gegenüber verantwortlich mit Antibiotika umzugehen. Die ethisch entscheidende Frage sei, wann der kollektive Nutzen den individuellen Vorteil überwiegt. Die ansonsten wenig kontroverse Diskussion beim Eppendorfer Dialog zeigte, dass über diesen Ansatz künftig wohl noch viel gestritten werden dürfte.



Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


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