Neue Leistungen in der Apotheke

Becker: Notfall- und Folgerezepte ausstellen, Impfstatus checken

Berlin - 02.04.2019, 07:00 Uhr

DAV-Chef Fritz Becker, hier bei der Interpharm, präsentierte beim parlamentarischen Abend der baden-württembergischen Apotheker in Berlin neue Forderungen der ABDA. (c / Foto: Schelbert)

DAV-Chef Fritz Becker, hier bei der Interpharm, präsentierte beim parlamentarischen Abend der baden-württembergischen Apotheker in Berlin neue Forderungen der ABDA. (c / Foto: Schelbert)


Mit Blick auf das von der Großen Koalition geplante Apothekengesetz hat DAV-Chef Fritz Becker am gestrigen Montagabend in Berlin weitere politische Forderungen der Apotheker aufgestellt. Beim parlamentarischen Abend der baden-württembergischen Apotheker in der Hauptstadt erklärte Becker, dass man sich durchaus vorstellen könne, dass Apotheker in Not- und Wiederholungsfällen auch ohne ärztliche Verordnung Rx-Arzneimittel abgeben und den Impfstatus ihrer Patienten checken. Außerdem forderte Becker mehr Geld für die Apotheker.

Wie gewohnt hat Fritz Becker, Präsident des Landesapothekerverbandes Baden-Württemberg und Vorsitzender des Deutschen Apothekerverbandes (DAV), beim gestrigen parlamentarischen Abend der baden-württembergischen Apotheker in Berlin die wirtschaftlichen Entwicklungen in der Apothekenbranche vorgestellt. Ein Schwerpunkt in Beckers Rede war diesmal der OTC-Markt. Der DAV-Chef erläuterte, dass die Apotheker in diesem Bereich in den vergangenen Jahren zwar noch einen leichten Umsatzanstieg verzeichnen konnten. Der Absatz ist laut Becker seit 2016 aber kontinuierlich gesunken: Von 649 Millionen OTC-Packungen (2016) auf 619 Millionen Packungen (2018).

Hier stellte Becker auch die Unterschiede zum Versandhandel dar: Laut DAV-Chef beträgt der Anteil der Versender am Rx-Markt weiterhin etwa 1 Prozent. Das Kuchenstück der Versandkonzerne am OTC-Markt wird hingegen immer größer, Ende 2018 habe es bei rund 15 Prozent gelegen. Alleine im vergangenen Jahr konnten die Versender 106 Millionen Euro mit OTC hinzugewinnen, das entspricht einem Plus von rund 11 Prozent. Die Apotheken setzten 2018 mit OTC nur 0,6 Prozent mehr um, nämlich insgesamt 36 Millionen Euro. Insgesamt wuchs der gesamte OTC-Markt um 2 Prozent. Becker bezog sich bei seinen Zahlen auf Angaben des Marktforschungsunternehmens Insight Health.

Becker: Das Paket ist ein guter Kompromiss

Im politischen Teil seiner Rede beschäftigte sich der DAV-Chef hauptsächlich mit der von der Großen Koalition geplanten Apotheken-Reform. Zunächst wiederholte Becker die Beschlüsse des ABDA-Gesamtvorstandes aus der vergangenen Woche: „Wir können darauf aufbauen, auf diesen Eckpunkten“, sagte Becker. Dass nun statt eines Rx-Boni-Deckels – wie ursprünglich von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) geplant – ein Rx-Boni-Verbot kommen soll,  bezeichnete Becker als „guten Kompromiss“. Er begrüßte auch die geplanten Maßnahmen zur freien Apothekenwahl. Zur Erinnerung: Union und SPD wollen es Krankenkassen verbieten, mit EU-Versendern Verträge abzuschließen und Versicherte an Versender zu „lotsen“. Außerdem soll bei der Einführung des E-Rezeptes das „Makeln“ von Verordnungen verboten werden.

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Allerdings hatte Becker auch noch einige Kritikpunkte am Spahn-Plan. Dass das BMG das alte Rx-Boni-Verbot im Arzneimittelgesetz (AMG) streichen will, bezeichnete Becker als „nicht ganz glücklich“. Allerdings habe er „durchaus Verständnis dafür, dass die Politik mit der Streichung dieser Regelung auf das EU-Vertragsverletzungsverfahren reagieren“ müsse. Der „Knackpunkt“ sei für ihn aber die dadurch entstehende Ausnahme für PKV-Versicherte. Schließlich würden von der Verankerung des Boni-Verbots im SGB V ausschließlich GKV-Versicherte betroffen sein, PKV-Versicherte könnten also Rx-Boni erhalten.

Neue ABDA-Forderungen präsentiert

Ein weiterer Kritikpunkt Beckers: die geplanten Honorar-Anpassungen. Spahn hatte in einem ersten Eckpunkte-Papier mehrere Honorar-Verbesserungen und mit den vergüteten pharmazeutischen Dienstleistungen eine ganz neue Honorar-Komponente vorgesehen. Insgesamt sollten die Apotheker etwa 375 Millionen Euro mehr pro Jahr erhalten. Im zweiten Eckpunkte-Papier wurden daraus dann 150 Millionen Euro. Beckers Kommentar: „Ich sage das ganz frank und frei, das ist uns zu wenig.“ Mit den pharmazeutischen Dienstleistungen gehe bei den Apothekern zwar „ein Traum in Erfüllung“, weil es eine neue, „zweite Säule“ in der Vergütung gebe. Allerdings müsse die Honorierung dieser komplexen Dienstleistungen höher ausfallen.

Notfall- und Wiederholungsrezepte aus der Apotheke

Spannend waren Beckers Darstellungen zum Thema „Was wir uns noch vorstellen könnten“. Der LAV-Präsident präsentierte hier eine Folie mit mehreren Forderungen, über die die ABDA in den vergangenen Jahren noch nicht öffentlich gesprochen hat. „Pharmazeutische Verordnung im Ausnahmefall“, hieß es da beispielsweise. Becker erklärte: „In Nacht- und Notdiensten oder in Notfallsituationen können Apotheker das beste Präparat auch ohne ärztliche Verordnung aussuchen und so schnell reagieren.“ Auch ein Thema: das Folgerezept. Becker sagte, dafür müsse man „klare Regeln“ schaffen, mit der Ärzteschaft habe man auch schon Wege besprochen, auf denen das „funktionieren“ könne.

Auch das Thema Impfen sprach Becker an. Er blieb aber dabei: Die Forderungen nach Impfungen in der Apotheke wird es von der ABDA nicht geben. Allerdings sprach sich Becker dafür aus, dass Apotheker den Impfstatus ihrer Patienten checken und nannte als Beispiel FSME und Masern.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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3 Kommentare

Notfallversorgung, Folgeversorgung, Impfungen...

von Hermann Eiken am 02.04.2019 um 12:06 Uhr

Unser Gesundheitsminister Spahn fordert von uns Ideen, wie Apotheken besser in die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung eingebunden werden können.- Man möchte sagen: Yes, we can!!--Macht mal Gesetze, die die Vorortapotheken besser einbinden und ihre Leistungen regelmäßig adaequat entlohnen!!--- Dafür ist es besonders auf dem Land, wo es immer weniger in der Nähe erreichbare Ärzte gibt, notwendig, in Ausnahmefällen sinnvoll helfen zu können. Wie oft kommt es vor, dass der Insulinpen plötzlich nicht mehr funktioniert oder das Asthmaspray leer ist. Hier auf dem Lande muss man dann nicht selten 40 oder mehr Kilometer fahren, um den ärztlichen Notdienst zu bemühen. Dort wissen dann die diensthabenden Ärzte nichts von der gewohnten Medikation der Patienten. In der Stammapotheke dagegen liegt die gesamte Medikationshistorie vor. Warum sollte dann die Apotheke dem Patienten nicht ohne Rezept des Not-Arztes sofort und besser helfen können? In anderen Ländern um uns herum geht das auch.-- Vielfach nimmt die Politik mehr Rücksicht auf die Besitzstandswahrung der Ärzte und die bürokratischen Vorgaben und weniger auf das Wohl der Patienten und die Leistungsmöglichkeiten der Apotheken. Auch den Krankenkassen geht es vielfach nur ums eigene Geld und nur entfernt um eine gute Versorgung.- Das muss aufhören! - Die Politik muss die Kassen zwingen, uns Apotheken besser in die Grundversorgung einzubinden und direkte Verträge mit uns zum Wohl der Patienten zu machen, auch wenn andere aufheulen.-- Folgerezepte der Stamm-Apotheken könnten die unverhältnismäßig hohe Zahl der Arztbesuche in Deutschland reduzieren. --Bezahlte Präventionsarbeit und Impfungen müssen auch in Deutschland in Apotheken möglich werden! -- Natürlich muss das Geld aber auch regelmäßig der Leistung folgen, --der Grundversorgung und der "on Top-Versorgung", --- auch dafür hat die Politik Sorge zu tragen.-- Ja, so können Versorger-Apotheken gegen die Abhängigkeiten fördernden Versende-Dealer bei den Patienten und Kunden punkten!

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AW: Notfallversorgung, Folgeversorgung,

von Stefan Haydn am 03.04.2019 um 14:42 Uhr

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Jährliche Anpassung

von Jan Kusterer am 02.04.2019 um 8:53 Uhr

Neben allen Zusatzfeatures die wir leisten sollen und auch können wäre eine festgeschriebene kontinuierliche Anpassung der Vergütung durch die Krankenkassen ein ganz wichtiger Hauptpunkt. Und wenn es nur ein "Inflationsausgleich" wäre... Das Bittstellertum für gerechtere Entlohnung muss ein Ende haben.

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