Brandenburg

Wie funktioniert Apotheke? – Ministerin Karawanskij schaut hinter die Kulissen

Berlin - 17.04.2019, 07:00 Uhr

Apotheker Hansjörg Fabritz zeigt Brandenburgs Gesundheitsministerin Susanna Karawanskij, wie individuelle Kinderarzneimittel hergestellt werden. (c / Foto: Sket)

Apotheker Hansjörg Fabritz zeigt Brandenburgs Gesundheitsministerin Susanna Karawanskij, wie individuelle Kinderarzneimittel hergestellt werden. (c / Foto: Sket)


Rezeptur, Warenbewirtschaftung, Rabattverträge – am vergangenen Montag machte sich Brandenburgs Gesundheitsministerin Susanna Karawanskij (Linke) in der Regenbogen-Apotheke in Falkensee ein Bild vom pharmazeutischen Alltag in der Offizin. Im Gespräch mit DAZ.online nahm die Ministerin auch Bezug zu aktuellen bundespolitischen Entwicklungen. 

Mit grauer Theorie gibt sich Brandenburgs Gesundheitsministerin Susanna Karawanskij (Linke) nicht zufrieden. Nachdem ihr Amtsantritt mitten in einen Medikamentenskandal, die sogenannte Lunapharm-Affäre, fiel, wollte die Ministerin nun genauer verstehen, wie Arzneimittelversorgung in der Praxis funktioniert. Am vergangenen Montag besuchte die Linken-Politikerin die Regenbogen-Apotheke in Falkensee, die von dem Ehepaar Ute Weber-Fabritz und Hansjörg Fabritz geleitet wird.

Zu Gast in der Regenbogen-Apotheke

Während ihres knapp zweistündigen Aufenthalts, mitten im turbulenten Kundenbetrieb, ließ sich die Ministerin im Detail einige wichtige Arbeitsabläufe zeigen. Wie beispielsweise die Prozesse in der Rezepturherstellung, das „Reich“ von Pharmazieingenieurin Kirsten Krüger. „Rezepturen habe ich schon immer gern gemacht – das weckt meinen Forschergeist. Das pharmazeutische Handwerk gehört, als Ergänzung zur Arbeit mit den Patienten, zum Gesamtpaket Apotheke einfach dazu“, erklärte Krüger fröhlich. 

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Kirsten Krüger (rechts), seit 23 Jahren Phamazieingenieurin in der Regenbogen-Apotheke, zeigt der Ministerin (links), wie Salben hergestellt werden.

Auch das Inhaberpaar ist stolz auf den Rezepturbereich, den man von der Straße aus durchs Fenster sehen kann. Hansjörg Fabritz zeigt der Ministerin anhand von Beispielen auf, welchen Arbeitsaufwand die Rezepturherstellung inklusive Identitätsprüfung der Ausgangsstoffe mit sich bringen kann. „Die Rezepturherstellung in der Apotheke ist eigentlich nicht wirtschaftlich, aber sie gehört zum Apothekerberuf dazu und zu den Dienstleistungen, die nur die Vor-Ort-Apotheken erbringen können“, betonte der 1. Vizepräsident der Apothekerkammer Brandenburg.

Reicht Gleichpreisigkeit zum Schutz der Präsenzapotheken? 

Dass es die Präsenzapotheken deshalb und vor allem auch wegen ihrer Beratungsleistungen zu schützen gilt, davon war Karawanskij bereits vor ihrem Besuch überzeugt. Wie sieht eigentlich die Landesspitzenpolitikerin die Pläne zum Apothekenmarkt auf Bundesebene? „Die Gleichpreisigkeit ist ein gesetzgeberischer Versuch, das Thema ‚flächendeckende Versorgung‘ zu behandeln. Ob diese Maßnahme wirkt, bleibt abzuwarten. Die regionalen Apotheken sind sehr wichtig, insbesondere im Hinblick auf die Beratung und Rezepturherstellung. Andererseits ist der Versandhandel aus der heutigen Zeit nicht mehr wegzudenken“, differenziert Karawanskij.

Apotheker braucht das Land

Um pharmazeutische Dienstleistungen in hoher Qualität anzubieten, braucht es Personal. Und gerade in ländlichen Regionen wie beispielsweise Brandenburg herrscht in Gesundheitsberufen ein Fachkräftemangel. Die Apothekerkammer Brandenburg setzt sich schon seit Jahren dafür ein, dass dort Pharmazie studiert werden kann. Eine sinnvolle Maßnahme? Für die Ministerin besteht noch Evaluationsbedarf: „Ob ein neuer Pharmaziestudiengang in Brandenburg das Problem löst, also ob die Pharmaziestudenten später tatsächlich auf dem Land bleiben, müsste aus meiner Sicht durch Zahlen belegt werden.“

Die Regenbogen-Apotheke, die 15 Mitarbeiter, davon drei in Vollzeit, beschäftigt, ist personell noch relativ gut aufgestellt. Hier werden auch patientenindividuelle Verblisterungen zur Heimversorgung von Hand durchgeführt. Zwar ließe sich dieser zeitaufwändige Vorgang auch in Auftrag geben, doch das Pharmazeutenpaar findet, dass es im Sinne der Patienten die Mühe wert ist. „Wir sind der Meinung, dass das manuelle Verblistern am sinnvollsten ist, denn nur so haben wir die Kontrolle darüber, was in den Blisterpackungen ist und können dafür Verantwortung übernehmen“, erklärte Ute Weber-Fabritz.

Zwischen Bürokratie und Versorgungsauftrag

Viele Fragen stellte die Ministerin auch zur Rezeptbelieferung und dem damit verbundenen Regelwerk. Am Bildschirm ließ sich Karawanskij von dem Apothekerpaar genau zeigen, in welcher Form Rabattverträge und Reimporte zu berücksichtigen sind und wie Apotheker bei Versorgungsengpässen vorzugehen haben. „Mich haben insbesondere die vielen, ineinanderlaufenden Prozesse beeindruckt, die wie bei einem Flussdelta zusammenfließen, sobald ein Kunde in die Apotheke kommt. Außerdem war es für mich neu, in welchem komplexen Spannungsfeld zwischen Regelwerk und Versorgungsauftrag sich Apotheker tagtäglich bewegen müssen“, erklärte die Ministerin gegenüber DAZ.online, nachdem sie die Rezepttaxierung gezeigt bekommen hatte. Das Ehepaar Fabritz, dessen Apotheke im September 25 Jahre alt wird, freute sich über den Wissensdrang der Ministerin: „Wir fanden es positiv, dass sich die Ministerin soviel Zeit genommen und Interesse für konkrete Fragestellungen aus der Praxis gezeigt hat.“

Wie „secure" ist Securpharm?

Großes Interesse zeigte Karawanskij an der Securpharm-Verifizierung. Wie zuvor im Interview mit DAZ.online, bemängelte Karawanskij, dass Großhändler von der grundsätzlichen Verifizierungspflicht ausgenommen sind. Eine Schwachstelle des Fälschungsschutzsystems sei es außerdem, dass bei Reimporten die Lieferkette bis zum letzten Umpackvorgang intransparent bleibe.

Denn gerade der Parallelimport ist aus Sicht der Ministerin ein Einfallstor für Fälschungen. Seit ihrem Amtsantritt setzt sie sich dafür ein, dass die Importförderklausel abgeschafft wird. Noch sieht der jüngste Entwurf für ein Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV) nur eine Modifizierung, jedoch keine Streichung vor. Die jüngste Entwicklung, dass sich auch der GKV-Spitzenverband von dem Prä-AMNOG-Sparinstrument distanziert, sieht die Ministerin positiv. „Nach der GSAV-Anhörung habe ich Hoffnung, dass die Importklausel noch zur zweiten Lesung gestrichen wird“, erklärt Karawanskij gegenüber DAZ.online.



Dr. Bettina Jung, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online
redaktion@daz.online


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